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Wirtschaftsumfeld | Asien | Lieferketten

Asiens Häfen sind das Nadelöhr für Lieferketten weltweit

Die Deltavariante und niedrige Impfquoten sorgen in Asien immer wieder für lokale Coronaausbrüche. Hafenschließungen sind ein enormes Risiko – auch für die deutsche Wirtschaft.

Von Achim Haug | Bonn

Das Coronavirus bleibt ein großer Unsicherheitsfaktor im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum. Störungen der Lieferketten bis ins Jahr 2022 müssen weiter einkalkuliert werden. „Ein bereits holpriges Jahr, ein Containermangel, Hafenblockaden und zu wenige Frachter an der richtigen Stelle führen in Kombination dazu, dass die Transportnachfrage das Angebot deutlich übersteigt“, fasst Karsten Michaelis, Head of Ocean Freight bei DHL Global Forwarding Asien-Pazifik, die Gründe für die aktuellen Lieferengpässe gegenüber Bloomberg zusammen. Trotzdem bleibt die Region Hoffnungsträger für die weltweite wirtschaftliche Erholung. Auch die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Asien-Pazifik hat sich in der Coronapandemie weiter erhöht.

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Die Region war 2020 im Vergleich zum Rest der Welt weniger stark betroffen. Doch haben nicht nur einzelne Volkswirtschaften wie Indien, Philippinen oder Indonesien sehr stark unter Corona gelitten. Auch ehemalige Musterländer wie Taiwan, Vietnam, Australien oder Neuseeland bekommen im Sommer 2021 Ausbrüche nur schwer in den Griff. Selbst China, die größte Volkswirtschaft der Region, hat trotz härtester Einreisebeschränkungen und strenger Maßnahmen immer wieder mit aufflammenden Infektionsherden zu kämpfen.

Dies trifft die deutsche Wirtschaft doppelt: Strenge Einreisebeschränkungen und lange Quarantänen hemmen die Geschäftsanbahnung und den Anlauf neuer Projekte. Bei der Beschaffung bleiben Vorprodukte wie Computerchips aus. Konsumgüter lassen auf sich warten. Viele Einkäufer machen sich Sorgen um das Weihnachtsgeschäft. Die Region stand im 1. Halbjahr 2021 für 21 Prozent der Importe nach Deutschland, 2009 lag der Anteil noch unter 18 Prozent.

Zwei Gründe sind für die Misere vor allem verantwortlich: Drastische Maßnahmen zur Bekämpfung von Coronaausbrüchen führen zu Produktionsunterbrechungen, wie in Vietnam, oder zur Schließung von Hafenterminals, wie in China. Hinzu kommen die bereits gestörten Transportrouten, die zu hohen Preisen und langen Wartezeiten in der Logistik führen. 

Langsamer Impffortschritt trübt wirtschaftliche Aussichten

Im Juli 2021 hat der Internationale Währungsfonds seinen weltweiten Ausblick angepasst. Er rechnet für 2021 unverändert mit einem realen Wachstum von 6,0 Prozent beim weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP). Insbesondere für die asiatischen Schwellenländer wurden die Prognosen aber nach unten revidiert.

Mit einem voraussichtlichen Plus von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr bleibt die Region jedoch weiterhin die weltweite Wachstumslokomotive. Für Dynamik sorgen 2021 insbesondere China mit einem prognostizierten BIP-Zuwachs von 8,1 Prozent und Indien mit 8,8 Prozent. Dagegen dürfte mit 4,3 Prozent das Wachstum in der Region Südostasien mit den Mitgliedern der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) schwächer ausfallen.

Prognose zum BIP-Wachstum 2021 nach Weltregionen (real, in Prozent)

Region

2021

China

8,1

Asien1)

7,5

USA

7,0

Welt

6,0

Lateinamerika2)

5,8

Eurozone

4,6

ASEAN

4,3

Mittlerer Osten, Zentralasien

4,0

Subsahara Afrika

3,4

Japan

2,8

1) Schwellen- und Entwicklungsländer; 2) inkl. KaribikQuelle: IWF WEO Update, Jui 2021

Aufgrund strenger Einschränkungen und einer mit Epidemien erfahrenen Bevölkerung und Administration konnten die meisten Länder Asien-Pazifiks 2020 relativ geringe Ansteckungszahlen verzeichnen. Impfkampagnen hatten dagegen einen geringeren Stellenwert als in den USA und Europa. Dort wurden auch die inzwischen gängigsten Impfstoffe entwickelt. Asien war bei Belieferungen spät an der Reihe. Früh wurde nur mit chinesischen Impfstoffen geimpft, allerdings verlieren diese Studien zufolge schneller ihre immunisierende Wirkung und sind weniger wirksam gegen die Deltavariante.

Singapur steht an der Spitze des Impffortschritts. Ende August waren fast 80 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, weltweit ein Topwert. In Indien und Indonesien waren laut Nikkei Asia dagegen nur knapp 10 Prozent der Einwohner immunisiert. Auch in Japan lag die Impfquote mit unter 50 Prozent deutlich unter dem Vergleichswert für Deutschland.

In Südostasien sind die Ansteckungszahlen besonders hoch. Gerade Indonesien kämpft mit hohen Inzidenzen und Todeszahlen. Die Einschränkungen infolge der Ausbrüche belasten die Lieferketten stark, da Werke geschlossen werden, ausländische Arbeiter nicht einreisen können und Vorprodukte ausbleiben. Vietnam und Thailand spielen zum Beispiel für japanische Produktionsnetzwerke eine Schlüsselrolle. Toyota hat für September 2021 eine um 40 Prozent geringere Produktion angekündigt. Grund dafür sind vor allem ausbleibende Vorprodukte aus Südostasien und nicht wie bei anderen Autobauern primär fehlende Halbleiter.

Die Firmen müssen zähneknirschend hohe Frachtraten akzeptieren. Auf absehbare Zeit dürfte sich die Situation kaum entspannen. Alternative Transportwege aus Asien gewinnen daher an Bedeutung, darunter der Schienenverkehr über Eurasien. Kritische Komponenten und Saisonwaren werden hingegen per Frachtflug verschickt.

Häfen und Airports sind Flaschenhälse für Lieferungen

Besonders heftig waren die Auswirkungen, als der Hafen im südchinesischen Shenzhen im Mai 2021 teilweise stillgelegt wurde. Im August wurde nach einem Coronafall das Meishan-Terminal am Hafen Ningbo-Zhoushan geschlossen. Der Hafen weist in China den höchsten Umschlag nach Gewicht auf und ist beim Containerumschlag weltweit die Nummer drei. Aber auch Taifune machen den Transportplänen einen Strich durch die Rechnung: Ende August führte dies zu Umlenkungen vor dem südkoreanischen Busan und Mitte September vor Häfen in Ostchina. 

In Nanjing wurde der Flughafen wochenlang stillgelegt, nachdem am 23. Juli vor Ort ein Deltacluster aufgetaucht war. Ende August musste kurzzeitig ein Terminal in Shanghai Pudong, dem größten Frachtflughafen in China, schließen. 

An vielen Häfen weltweit haben sich Rückstaus gebildet. Asien ist oft Ausgangspunkt der Verwerfungen. Weltweit sind rund 25 Millionen Seefrachtcontainer im Umlauf. Rund 6.000 Schiffe transportieren Waren. Laut einer Blitzumfrage des DIHK im August 2021 gaben über die Hälfte der befragten deutschen Unternehmen derzeit Lieferschwierigkeiten aufgrund von Transportproblemen an. Aktuell sorgen vor allem der Containermangel und fehlende Frachtkapazitäten auf Schiffen für Störungen in den Lieferketten.

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