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Branchen | Bangladesch | Textilindustrie

Textilsektor will sich breiter aufstellen

Bangladesch profitiert von der steigenden Nachfrage auf dem globalen Modemarkt. Die Unternehmen wollen ihre Produktpaletten erweitern. Künftig soll gelten: Klasse statt Masse. 

Von Boris Alex | New Delhi

Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist mit ihren rund 4 Millionen Beschäftigten und einem Anteil von 80 Prozent an den Gesamtexporten die Schlüsselbranche der bangladeschischen Wirtschaft. Nach dem Absatzeinbruch auf den wichtigsten Zielmärkten Europa und USA in Folge der Pandemie erholte sich die Nachfrage 2021. Die Auftragsbücher der mehr als 4.000 Textil- und Bekleidungsfirmen sind zum Teil schon wieder so voll wie vor der Krise. Für 2022 erwartet die Unternehmensberatung McKinsey auf dem weltweiten Bekleidungsmarkt ein Umsatzplus von bis zu 8 Prozent.

Bekleidungsexporte legten 2021 wieder kräftig zu

Die Exporte von "Ready Made Garments" erreichten 2021 ein neues Allzeithoch. Nachdem die Ausfuhren Corona-bedingt im Jahr davor um 17 Prozent eingebrochen waren, legten sie 2021 um 30 Prozent auf 35,8 Milliarden US-Dollar (US$) zu. Die Exporte in die Europäische Union (EU) und das Vereinigte Königreich verzeichneten ein Plus von 28 Prozent auf 21,7 Milliarden US$. Deutschland ist mit 6,2 Milliarden US$ der wichtigste Abnehmer innerhalb der EU. Auf dem zweitgrößten Absatzmarkt, den USA, stiegen die Lieferungen sogar um 44 Prozent auf 7,3 Milliarden US$, so die Daten der Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA).

Export von Bekleidung aus Bangladesch (in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent)

Zielmarkt

2019

2020

2021

Veränderung 2021/2020

Europäische Union*)

20.422

17.020

21.742

27,7

 Deutschland

5.536

4.892

6.196

26,7

USA

6.020

5.067

7.278

43,6

Sonstige

6.630

5.383

6.792

26,2

 Kanada

1.115

865

1.111

28,4

 Japan

1.073

878

1.029

17,2

 Australien

692

633

765

20,9

 Russland

482

474

688

45,1

 Indien

512

368

556

51,1

Insgesamt

33.072

27.470

35.812

30,4

*) Europäische Union einschließlich beziehungsweise plus Vereinigtes KönigreichQuelle: Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association 2022


Trotz der insgesamt verbesserten Marktlage muss sich die Branche in den kommenden Jahren neuen Herausforderungen stellen. Bangladesch wird ab 2024 nicht mehr zur Gruppe der – nach Definition der Vereinten Nationen – am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries) gehören. Damit fällt der südasiatische Staat nach einer zweijährigen Übergangsphase ("Graduierung") auch aus den einseitigen Zollpräferenzsystemen, unter denen bislang drei Viertel der Bekleidungsexporte freien Zugang, vor allem zum europäischen und US-Markt, genießen. Damit Bangladesch über 2026 hinaus zu niedrigeren Zollsätzen in die EU exportieren kann, hat Brüssel die Aufnahme in das erweiterte Präferenzabkommen "Generalised Scheme of Preferences Plus" (GSP+) angeboten. Dafür muss das Land die Bedingungen von mehr als 30 internationalen Abkommen erfüllen – unter anderem zum Arbeits-, Umwelt- und Klimaschutz.

Unternehmen hoffen auf Fortsetzung der Zollpräferenzbehandlung

Die Textil- und Bekleidungsindustrie hatte nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikgebäudes nahe der Hauptstadt Dhaka im Jahr 2013 umfassende Reformen angeschoben, auch auf Druck von internationalen Mode- und Einzelhandelskonzernen. Diese beziehen sich vor allem auf Gesundheits-, Gebäude- und Brandschutz, aber auch auf die Bereiche Corporate Social Responsibility und Supply Chain Management. Vor diesem Hintergrund rechnet BGMEA damit, dass Bangladesch die Kriterien für eine Aufnahme in das Zollpräferenzsystem GSP+ der EU erfüllen wird.

Damit verbunden ist eine stärkere Diversifizierung der Exportwirtschaft insgesamt sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie im Speziellen. Denn nach wie vor entfallen rund 75 Prozent der Produktion auf Baumwollkleidung. Global betrachtet macht dieses Segment aber nur 25 Prozent des Modemarktes aus – mit abnehmender Tendenz. Bei Artikeln aus Chemiefasern oder Fasermischungen sowie bei Sport-, Outdoor- und Funktionsbekleidung oder hochwertiger Unterwäsche spielt Bangladesch bislang eine nachgeordnete Rolle auf dem Weltmarkt. Das gleiche gilt für technische Textilien.

Technische Textilien bieten Wachstumspotenzial

Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Immer mehr Bekleidungshersteller erweitern ihre Produktpaletten, was sich in den Einfuhren von Chemiefasern widerspiegelt. Diese legten seit 2015 um durchschnittlich 8 Prozent pro Jahr zu, so eine Analyse der Investitionsbehörde Bangladesh Investment Development Authority. Dass die Unternehmen flexibel auf neue Marktgegebenheiten reagieren können, haben sie in der Coronakrise bewiesen, als sie Teile der Produktion kurzfristig auf die Herstellung von medizinischer Schutzausrüstung umstellten. Im Finanzjahr 2020/2021 (1. Juli bis 30. Juni) exportierte das Land Schutzbekleidung und -masken im Wert von 618 Millionen US$. Gegenüber der Vorperiode legten die Ausfuhren um 23 Prozent zu, so die Daten des Export Promotion Bureau.

Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit hat Bangladesch das Potenzial, sich ein größeres Stück vom globalen Markt für technische Textilien zu sichern. Dieser soll bis 2025 um jährlich 4,2 Prozent auf gut 224 Milliarden US$ zulegen. Um die Exportziele für diese Produktgruppe zu erreichen, müssen die bangladeschischen Unternehmen aber zunächst einmal eine Lieferkettenstruktur für Hochleistungsfasern aufbauen und in Maschinen zur Verarbeitung von technischen Textilien investieren. Dies könnte neue Lieferchancen für deutsche Hersteller eröffnen, da Bangladesch seinen Textilmaschinenbedarf größtenteils über Importe deckt. Die Bezüge aus Deutschland legten 2021 zwar um 60 Prozent auf 71 Millionen US$ zu, lagen damit aber noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 130 Millionen US$.

Kosten für Vorprodukte und Transport steigen

Um weiterhin international wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Bekleidungsunternehmen in den nächsten Jahren die Fertigung weiter automatisieren – insbesondere, wenn sie mit ihren Produkten in höherpreisige Segmente vorstoßen wollen. Die Kosten für Vorprodukte – vor allem Baumwolle – sind seit 2020 kontinuierlich gestiegen und auch für Energie und Textilchemikalien müssen die Hersteller inzwischen deutlich mehr bezahlen. Hinzu kommen die steigenden Logistikkosten: Die Preise für den Transport eines 40-Fuß-Containers nach Europa oder in die USA lagen Mitte 2022 um das Drei- bis Fünffache über dem Niveau vor der Coronakrise, schätzt der Branchenverband BGMEA.

Das drückt auf die Margen, und die Spielräume für Unternehmen, in neue Kapazitäten zu investieren, werden enger. Dennoch befinden sich laut BGMEA Investitionsvorhaben mit einem Volumen von 2 Milliarden US$ in der Projektpipeline. Diese sollen bis Ende 2023 abgeschlossen sein.

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