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Wirtschaftsumfeld | Belgien | Außenhandel

Belgiens Außenhandel erholt sich 2021 kräftig

Der Warenaustausch profitiert von der besseren Konjunktur im Inland und auch in den Nachbarländern, denn Belgien ist eine wichtige Logistikdrehscheibe für ganz Nordwesteuropa.

Von Torsten Pauly | Berlin

Der belgische Industrieaufschwung lässt die Ein- und Ausfuhren stark steigen. Im März und April 2021 war der Produktionstrend im verarbeitenden Gewerbe deutlich besser als im langjährigen Durchschnitt. Auch die Auftragseingänge aus dem In- und Ausland haben zuletzt stark angezogen und lagen nach Daten der Belgischen Nationalbank im April 2021 deutlich über dem langjährigen Mittel.

Das Föderale Planungsbüro, ein öffentliches Analyseinstitut, erwartet, dass Belgiens reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2021 um 4,1 Prozent steigt. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen sollen um 4,7 Prozent und die Importe sogar um 4,9 Prozent zulegen.

Coronapandemie hat 2020 zu starkem Einbruch geführt

Seit März 2020 hat Belgien das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zur Eindämmung der Coronainfektionen wiederholt sehr stark herunterfahren müssen. Zudem sind die ausländischen Auftragsbestellungen wegen der weltweiten Rezession eingebrochen und Lieferketten zeitweise zum Erliegen gekommen. All dies hat dazu geführt, dass Belgiens Ausfuhr 2020 nominal um 7,9 Prozent und die Einfuhr um 9,8 Prozent gesunken ist. Preisbereinigt ist das belgische BIP 2020 um 6,3 Prozent zurückgegangen.

Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie war der belgische Außenhandel viele Jahre stark gestiegen. Dies lag an der anhaltend guten Konjunktur im Inland und bei vielen Handelspartnern. So waren die Ex- und Importe 2019 um 30 beziehungsweise 29 Prozent höher als 2010. Das Plus in der Handelsbilanz war im selben Zeitraum sogar um 38 Prozent gestiegen.

Außenhandel Belgiens (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

2020

Veränderung 2020/2019

Veränderung 2019/2010

Importe

346.849

-9,8

29,4

Exporte

367.547

-7,9

29,8

Handelsbilanzsaldo

20.697

20,2

38,2

Quelle: Eurostat 2021

Seehäfen fertigen Transit auch für Deutschland ab

Belgien ist eine sehr offene Volkswirtschaft. Die Wareneinfuhr hat dort 2020 etwa 77 Prozent des BIP ausgemacht. Diese Rate ist zweieinhalbmal so hoch wie in Deutschland (31 Prozent). Die belgische Güterausfuhr hat 2020 sogar 82 Prozent des BIP entsprochen (Deutschland: 36 Prozent). Allerdings hat Belgien auch sehr viele Reexporte, da das Land ein bedeutendes europäisches Logistikdrehkreuz ist. Insgesamt jedoch trägt ein hoher struktureller Ausfuhrüberschuss seit Jahren stark zum belgischen Wohlstand bei. Dieses Plus hat 2020 etwa 4,6 Prozent des BIP erreicht.

Belgiens Seehäfen verladen sehr viele Waren für Deutschland und andere Märkte der Europäischen Union (EU). Allein der Umschlag in Europas zweitgrößtem Hafen Antwerpen war 2020 mit 231 Millionen Tonnen höher als in Hamburg und Bremen zusammen. Im Jahr 2017 hat Antwerpen 30 Prozent seines Güterdurchlaufs für deutsche Kunden abgewickelt. Das dortige Hafenareal beherbergt auch Europas größtes Chemiecluster. Ein wichtiger Industriestandort ist auch der Hafen von Gent. Dort unterhält unter anderem Volvo eine Fertigung. Zeebrugge fertigt den meisten RoRo-Verkehr ab. Die Betreibergesellschaften von Antwerpen und Zeebrugge bereiten eine Fusion vor.

Da die Nordseehäfen alle in Flandern liegen, läuft Belgiens Außenhandel vor allem über diese Region. Im Jahr 2020 hat Flandern 80 Prozent aller Ein- und Ausfuhren abgewickelt. Der Rest entfiel zum Großteil auf Wallonien und kaum auf die Hauptstadtregion Brüssel.

Brexit bleibt Herausforderung

Einer der wichtigsten belgischen Handelspartner und Absatzmärkte ist das Vereinigte Königreich. Dieses hat 2020 etwa 4 Prozent aller Importe geliefert und 7,6 Prozent aller Exporte abgenommen. Der Anfang 2021 vollzogene britische Austritt aus dem Binnenmarkt der EU verzögert und verteuert den Handel jedoch durch Grenzabfertigungen und einen höheren Verwaltungsaufwand.

Zwar zeigen sich die belgischen Häfen auf die Brexit-Herausforderungen gut vorbereitet. Dennoch beeinträchtigt der Austritt die Wirtschaft. Eine Umfrage unter flämischen Unternehmen, die mit dem Vereinigten Königreich Handel treiben, ergab im April 2021, dass diese im Schnitt 6 Prozent weniger umsetzen. Eine Studie der Katholischen Universität Löwen hat 2019 geschätzt, dass ein britischer Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und aus der Zollunion die belgische Wirtschaftsleistung um bis zu 2,4 Prozent schmälern kann. Dies ist die EU-weit dritthöchste Auswirkung nach Irland und Malta.

Belgiens wichtigster Handelspartner ist seit Jahren Deutschland, gefolgt von den anderen beiden Nachbarländern Niederlande und Frankreich. Bedeutend sind neben dem Vereinigten Königreich auch die USA, China und Italien. Dabei erzielt Belgien mit Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Italien strukturelle Exportüberschüsse während die Handelsbilanz mit den Niederlanden, China und den USA negativ ist.

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Bedarf an High-Tech-Importen kommt deutschen Herstellern entgegen

Belgiens Chemie-, Pharma- und Raffinerieindustrie hat 2019 zusammen 34,6 Prozent der gesamten Produktion im verarbeitenden Gewerbe erbracht. Besonders hohe Anteile hatten ferner die Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung (18,9 Prozent) und der Fahrzeugbau (7,2 Prozent). Produkte dieser Branchen haben 2020 auch 58,2 Prozent aller Exporte ausgemacht.

Wichtigste belgische Exportwaren (Anteile 2020 in Prozent)

Segment (SITC-Position)

weltweit

nach Deutschland

Chemische Erzeugnisse (5)

35,1

34,2

Kfz (78)

12,3

13,4

Nahrungsmittel, lebende Tiere, Getränke (0, 1)

10,8

8,1

Maschinen (71, 72, 73, 74)

6,7

4,1

Erdöl, Erdölprodukte (33)

5,4

4,1

Elektronik (75, 76, 776)

4,7

4,1

Sonstige

25,0

32,0

Quelle: Eurostat 2021

Die starke Konzentration der Produktion bringt es mit sich, dass Belgien bei vielen anderen Erzeugnisse, darunter High-Tech-Waren, auf Einfuhren angewiesen ist. Zudem importieren die führenden belgischen Industriezweige viele Vorprodukte. Diese Einfuhrstruktur kommt deutschen Anbietern stark entgegen. Im Jahr 2020 haben chemische Erzeugnisse, Kfz, Maschinen und Elektronik 57,2 Prozent aller deutschen Lieferungen nach Belgien ausgemacht.

Wichtigste belgische Importwaren (Anteile 2020 in Prozent)

Segment (SITC-Position)

weltweit

aus Deutschland

Chemische Erzeugnisse (5)

27,9

24,4

Kfz (78)

12,4

19,0

Nahrungsmittel, lebende Tiere, Getränke (0, 1)

8,8

6,8

Maschinen (71, 72, 73, 74)

6,8

8,9

Erdöl, Erdölprodukte (33)

6,8

2,1

Elektronik (75, 76, 776)

5,8

4,9

Sonstige

31,5

33,9

Quelle: Eurostat 2021


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