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Branchen | Brasilien | Arzneimittel, Diagnostika

Intensiver Wettbewerb bewegt die Marktstruktur

Niedrige Gewinnmargen veranlassen multinationale Konzerne zu Kooperationen. Die brasilianischen Hersteller investieren.

Von Gloria Rose | São Paulo

Seit Beginn der Coronapandemie stimuliert der Konsum von Grippemedikamenten sowie Arzneimitteln zur Intubation oder zur vermeintlichen Vorbeugung gegen Covid wie Ivermectin, Chloroquin und Hydroxychloroquin den Verkauf. Auch Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Vitaminpräparate haben nach wie vor Hochkonjunktur.

Wachstumstrend setzt sich fort

Insgesamt stieg der Einzelhandelsumsatz 2021 in US-Dollar (US$) gerechnet um knapp 9 Prozent und in der Landeswährung Real (R$) um über 14 Prozent. Besonders intensiv legten verschreibungsfreie Arzneimittel (Over The Counter - OTC) und der Onlinevertrieb zu. Das Marktforschungsinstitut IQVIA erwartet für 2021 und für 2022 jeweils eine zweistellige Steigerung des Umsatzes in brasilianischen Real. Eine aktuelle Übersicht über Lage und Aussichten bietet die Aufzeichnung eines GTAI-Vortrags für den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

Etwa 60 Prozent des Umsatzes erzielt Brasiliens Pharmaindustrie im Einzelhandel über Apotheken und den stark zunehmenden E-Commerce. Weitere 30 Prozent der Verkäufe gehen auf die Rechnung des öffentlichen Gesundheitswesens Sistéma Único de Saúde (SUS) und der Rest an die privaten Gesundheitseinrichtungen. 

Laut IQVIA ist Brasilien der achtgrößte Markt weltweit, hinter den USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich. Die wachsende und rasch alternde Bevölkerung und die Zunahme chronischer Krankheiten verursachen einen weiterhin stark steigenden Medikamentenbedarf. Bei jährlichen Wachstumsraten von 5 Prozent bis 8 Prozent erwartet IQVIA, dass das Land in naher Zukunft den fünften Rang einnehmen wird.

Pharmaverkauf in Brasilien (Veränderung in Prozent)

Indikator *)

2019

2020

2021

Veränderung 2021/2020

Umsatz Medikamente insgesamt (Mrd. US$)

17,5

15,0

16,4

9,0

Absatzmenge Medikamente insgesamt (in Mio. Einheiten)

4.356

4.719

4.946

4,8

Umsatz Generika (Mrd. US$)

2,5

2,3

2,6

17,4

Absatzmenge Generika (in Mio. Einheiten)

1.482

1.645

1.749

6,3

*) basierend auf den Einkäufen von Apotheken und DrogerienQuelle: Sindusfarma/IQVIA 2022

Generikamarkt gewinnt an Bedeutung

Eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs von Mai 2021 verkürzte die Patentlaufzeit in Brasilien. Direkt betroffen waren 3.435 Patente und Gebrauchsmuster für Pharmazeutika. Aber auch aufgrund der gesunkenen Kaufkraft erwartet PróGenéricos ein beschleunigtes Marktwachstum der Nachahmerpräparate. Der Herstellerverband vertritt 16 Fabrikanten, die etwa 90 Prozent des Generikaabsatzes stellen, darunter der deutsche Hersteller Fresenius Kabi und Brasiliens Marktführer EMS. Die Marke der Gruppe NC Farma konnte den Umsatz mit Generika 2021 um 19 Prozent steigern. Aber auch Neo Química setzt zunehmend auf Generika. Bis zum Jahr 2023 will die Marke von Hauptkonkurrent Hypera Pharma 17 neue Produkte auf den Markt bringen. 

Größte Arzneimittelproduzenten in Brasilien (Umsatz in Millionen US-Dollar, Einheiten in Tausend und Veränderung in Prozent)

Unternehmen

Umsatz 2021

Verkauf in Einheiten

Veränderung der Verkäufe in Einheiten

EMS

1.892

357,4

4,2

Eurofarma

1.799

230,7

6,9

Cimed

1.224

371,2

1,5

Aché

1.187

203,2

10,5

Neo Química

1.131

416,9

6,4

Sanofi

723

167,5

2,9

Medley

705

173,0

-3,3

Sandoz

593

71,8

-1,5

Teuto

556

193,2

5,6

Novo Nordisk

556

k.A.

k.A.

1) umgerechnet über den Durchschnittswechselkurs: 1 US$ = 5,39 R$; Quelle: IQVIA 2022

Hohe Importabhängigkeit bei Wirkstoffen

Das Außenhandelsdefizit des Sektors verdoppelte sich in der Coronakrise und erreichte im vergangenen Jahr nahezu 10 Milliarden US$. Lieferengpässe gefährdeten zwischenzeitig die Versorgung. Obwohl Brasilien zu den Top-Ten-Märkten weltweit gehört und zwei Drittel der Arzneimittel vor Ort produziert werden, importieren die Hersteller über 90 Prozent aller zugrundeliegenden Wirkstoffe und Vorprodukte. Drei Viertel der Einfuhren stammen aus China und Indien. Laut dem Verband der Wirkstoffproduzenten Abiquifi werden lediglich 124 pharmazeutische Wirkstoffe vor Ort produziert, davon nur 15 gefördert durch öffentlich-private Produktionspartnerschaften. Die hohe Importabhängigkeit rückte ins Augenmerk der Politik. Die Regierung erließ den Zoll auf einige Wirk- und Impfstoffe, um Preissteigerungen entgegenzuwirken. Konkrete Maßnahmen, um die lokale Produktion von Wirkstoffen zu stimulieren, blieben aus. Dennoch kommen erste Projekte voran.

Lokale Industrie übernimmt die Produktion

Zur Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus ging das Institut Butantan eine Partnerschaft mit dem chinesischen Konzern Sinovac ein, die auch den Technologietransfer zur Wirkstoffproduktion vorsieht. Eine ähnliche Partnerschaft schloss die Stiftung Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) mit AstraZeneca. Das Fiocruz-Institut Bio-Manguinhos nahm bereits im Juni 2021 die Wirkstoffproduktion auf. Hingegen startet Butantan den Betrieb der neuen Produktionsanlage erst im 1. Quartal 2023.

Unter der Leitung von Fiocruz entsteht in Santa Cruz (Rio de Janeiro) der größte und modernste Produktionskomplex für Vakzine und Biopharmazeutika in Lateinamerika. Für den Complexo Industrial de Biotecnologia em Saúde (Cibs) soll das Baukonsortium rund 1 Milliarde US$ aufwenden. Darüber hinaus erweitern die brasilianischen Fabrikanten Blau, Cristália und Blanver Farmoquimica die Wirkstoffproduktion im Land. Blanver ging eine Partnerschaft mit der französischen Gruppe Pierre Fabre ein. Ähnlich agieren auch andere multinationale Konzerne. Der indische Hersteller Biocon schloss eine Kooperation mit Libbs Farmacêutica. Derweil produziert União Química nach Übernahme der Arzneimittelfabrik in Cancioneiro (São Paulo) für Bayer.

Die Verteuerung von Produktion und Transport wird aufgrund von Preisgrenzen und hohem Marktwettbewerb nicht unmittelbar an die Verbraucher weitergegeben. Niedrigere Gewinnmargen im hart umkämpften Generikamarkt motivieren nationale Hersteller zu Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E). Die 13 Laboratorien, die über den Verband Grupo FarmaBrasil zusammengeschlossen sind, steigerten ihre Investitionsausgaben im Jahr 2021 auf über 185 Millionen US$. Neben den Großkonzernen Hypera Pharma und EMS investieren auch Blau und Cristália sowie Eurofarma, Biolab, Prati-Donaduzzi und Aché in F&E. Zudem kündigten Hypera Pharma sowie Cimed, Eurofarma, Cristália und Blau Investitionen in neue Produktionsanlagen an.

Unsicherer Rechtsrahmen belastet den Sektor

Bis Ende April 2022 sollten eigentlich alle Arzneimittel serialisiert sein und über ein Track-and-Trace-System entlang der gesamten Lieferkette zurückverfolgt werden. Doch das Gesetz 14.338/2022 vom 11. Mai 2022 schaffte eine neue Rechtsgrundlage, die Brasiliens Gesundheitsaufsicht Anvisa voraussichtlich erst 2023 umsetzen kann. Neben den neuen Vorgaben zur Fälschungssicherheit muss der Sektor auch eine Rücknahmelogistik umsetzen, die im Dezember 2020 in Kraft trat.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkungen

Germany Trade & Invest

Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

AHK Brasilien

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

Ministério da Saúde (MS)

Brasilianisches Gesundheitsministerium

Agencia Nacional de Vigilância Sanitária (Anvisa)

Gesundheitsaufsichtsbehörde

Interfarma

Verband der Pharmaindustrie und -forschung

Sindusfarma

Branchenverband

Abiquifi

Verband der Wirkstoffproduzenten

FCE Pharma

Fachmesse in São Paulo, 07. bis 09.06.2022 

Panorama Farmaceutico

Informationsportal zum Sektor

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