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Branchenbericht Brasilien Nahrungsmittel, Getränke

Pflanzen-Steaks aus Brasilien?

Die brasilianische Nahrungsmittelindustrie profitiert von dem Wachstum der Viehwirtschaft. Doch auch bei veganen Produkten will sie ganz vorne dabei sein. 

Von Gloria Rose | São Paulo

Brasilien will die Wertschöpfung im Land erhöhen und zunehmend verarbeitete Nahrungsmittel statt landwirtschaftlicher Rohstoffe exportieren. Das wachstumsstarke Agribusiness fährt in diesem Jahr Rekordergebnisse ein. Diese Entwicklungen beflügeln die Nahrungsmittelindustrie, die bereits heute 58 Prozent der im Land erzeugten Agrarproduktion verarbeitet und der wichtigste Zweig der verarbeitenden Industrie ist. 

Um weiter zu wachsen, müssen die Erzeugnisse attraktiv für die Kunden sein, darunter auf wichtigen Absatzmärkten im Westen, wo Nachhaltigkeit und Gesundheit von Nahrungsmitteln eine immer wichtigere Rolle spielen. Hinzu kommen die UN-Nachhaltigkeitsziele sowie konkrete Gesetze wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und das EU-Pendant. Entsprechend investieren die in Brasilien vertretenen multinationalen Unternehmen und große lokale Exporteure, um die immer höheren Anforderungen an die Produktion zu erfüllen.

Für den großen Inlandsmarkt und den Export nach China, Afrika und den Nahen Osten spielt der Nachhaltigkeitsaspekt dagegen noch kaum eine Rolle. Anreize für Investitionen in die Rückverfolgung von Lieferketten bieten aber auch neue Vorgaben des Bankenverbands Febraban und die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Finanzierung.

Umsatz mit verarbeiteten Nahrungsmitteln in Brasilien (Marktanteil in Prozent)

Sparte

Marktanteil 2022

Fleischprodukte

26,6

Verarbeitung von Getreide, Kaffee und Tee 

16,9

Molkereiprodukte

16,0

Öle und Fette

8,5

Verschiedenes (Snacks, Eis, Gewürze etc.)

8,2

Weizenprodukte

8,0

Obst- und Gemüsezubereitungen

6,0

Tiefkühlkost und Fertiggerichte

4,1

Schokolade, Kakao und Süßwaren

3,1

Zucker

2,6

Insgesamt

100,0

Quelle: Associação Brasileira da Indústria de Alimentos (ABIA) 2022

Fleischproduktion wächst von Jahr zu Jahr

Brasiliens Nahrungsmittelindustrie erwirtschaftet nahezu die Hälfte ihres Umsatzes mit tierischen Nahrungsmitteln. In diesem Jahr erwartet die Versorgungsbehörde CONAB einen Anstieg der Fleischproduktion um 4 Prozent auf 29,6 Millionen Tonnen. Über 30 Prozent der Erzeugnisse geht in den Export. Das mit Abstand wichtigste Abnehmerland ist China. Angetrieben wird das Wachstum 2023 auch von der Erholung des Binnenmarkts.

Im vergangenen Jahr schränkten die Brasilianer den Rindfleischkonsum wegen der hohen Preise auf ein für brasilianische Verhältnisse sehr niedriges Niveau von 26 Kilogramm pro Person ein. Aber auch aus gesundheitlichen Gründen stellen die Menschen ihre Ernährung um, zeigt eine Erhebung der Denkfabrik The Good Food Institute (GFI). Zwei Drittel der Bevölkerung greift der Studie zufolge bereits auf Fleisch- und Milchersatz aus pflanzlichem Eiweiß zurück.

Und so brechen selbst in einem Land, das mehr Rinder als Einwohner zählt, allmählich neue Zeiten an. Weltweit werden preiswertere Alternativen mit besserer Klimabilanz nach und nach Fleischwaren und Milcherzeugnisse ersetzen. Marktbeobachter gehen auf globaler Ebene in den kommenden Jahren von einem zweistelligen Wachstum pflanzenbasierter Nahrungsmittel aus.

Produktion und Export tierischer Nahrungsmittel (Veränderung in Prozent)

Produktion 2022

Veränderung 2022/21

Export 2022

Veränderung 2022/21

Rindfleisch (in Mio. Tonnen)

8,0

6,9

2,3

25,5

Schweinefleisch (in Mio. Tonnen)

5,2

5,5

1,1

-1,5

Hühnerfleisch (in Mio. Tonnen)

12,9

1,9

4,8

4,6

Eier (Produktion in Mrd. Dutzend, Export in Tausend Tonnen)

4,1

1,2

9,5

-16,5

Milchäquivalent (in Mrd. Litern)

23,9

-5,0

1,3

-12,1

Quelle: IBGE 2023; Abrafrigo 2023; ABPA 2023; Sindleite 2023

Pflanzenbasierte Ersatzprodukte gewinnen an Boden

Die gigantischen Fleischkonzerne Brasiliens JBS, Marfrig und BRF erkennen den Trend und setzen auf den Zukunftsmarkt. JBS entwickelt und vermarktet pflanzenbasierte Produkte unter dem Markennamen Incrível und ging mehrere Partnerschaften mit großen Restaurantketten ein, darunter Bob's, Subway, Outback und Habib's. Marfrig gründete 2020 gemeinsam mit dem US-Konzern ADM das Start-up PlantPlus Foods, das im Mai 2023 auch eine Partnerschaft mit BRF einging. BRF wird Fleischersatz-Produkte der Marke Sadia zukünftig unter dem Namen PlantPlus Foods anbieten, darunter drei klimaneutrale Nahrungsmittel.

Auch multinationale Konzerne setzen auf den Trend. So erweitert Nestlé sein veganes Portfolio in Brasilien. Im Jahr 2021 brachten die Schweizer zwölf neue Produkte auf den Markt. Im vergangenen Jahr kam ein weiteres Produkt dazu: typisch brasilianische Kondensmilch aus pflanzlichen Proteinen.

Außerdem lockt der Wachstumsmarkt FoodTechs an. Besonders erfolgreich mit pflanzenbasiertem Fleisch ist Fazenda Futuro. Gestützt durch relativ niedrige Produktionskosten in Brasilien nimmt das Start-up den Wettbewerb mit etablierten Marken in den USA und auf Märkten in Europa auf. Hohe Kapitaleinlagen sowie die Partnerschaft mit Popstar Anitta unterstützen Fazenda Futuro bei der Eroberung der Auslandsmärkte.

Beleaf, ein weiteres erfolgreiches Start-up mit einer großen Auswahl veganer Fertiggerichte, nachhaltiger Verpackung und Lieferservice expandiert in die Metropolregionen Belo Horizonte und Curitiba. Foodz will seinen Umsatz 2023 verdreifachen. Nude und Leatt stellen Milchersatzgetränke her. Leatt ging eine Partnerschaft für nachhaltige Verpackungen mit TetraPak ein. Weitere aufkommende vegane FoodTechs sind Nomoo, VidaVeg, Typcal (vormals: 100 Foods) und TheNew.

Um den Sektor besser zu regulieren, will Brasiliens Gesundheitsaufsicht ANVISA 2023 Richtlinien für Fleisch- und Milchersatz aus pflanzlichem Eiweiß beschließen. Laut dem Marktforschungsinstitut Innova Database wurden in den vergangenen fünf Jahren 3.675 Produkte für den brasilianischen Markt zugelassen. Zwischen 2015 und 2020 legte der Absatz pflanzenbasierter Ersatzprodukte in Brasilien um 70 Prozent zu. In dem aktuellen Fünf-Jahres-Zyklus soll der Gesamtumsatz von 83 Millionen auf 132 Millionen US-Dollar ansteigen, schätzt das Marktforschungsinstitut Euromonitor.

Gesundheit im Blick

Nicht nur der Trend zu veganen Produkten bewegt brasilianische Gründer. Das dynamische Start-up-Ökosystem konzentriert sich auch auf den Markt für organische Nahrungsmittel und andere Gesundheitstrends. Brasilien zählt zu den Top-10-Märkten für gesunde Nahrungsmittel. Das Marktsegment wächst seit Jahren zweistellig. Zu den erfolgreichen Foodtechs mit Fokus auf Gesundheit und Nachhaltigkeit zählen Liv Up, Raízs, Mais Mu und BeGreen.

Zudem investieren viele Konzerne in die Neuformulierung industrieller Rezepte und gesündere Produkte, da die Gesundheitsaufsicht die Auflagen verschärft hat. Bis Oktober 2022 mussten die Hersteller eine neue Auszeichnung anbringen, die Verbraucher gut sichtbar vor einem hohen Zucker-, Fett- und Salzgehalt warnt. Gestützt wird die Entwicklung mit dem Verbot von Transfettsäuren ab 2023 und Vereinbarungen mit einzelnen Großkonzernen zur Verringerung des Zucker- und Salzgehalts in Lebensmitteln.

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