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In der EU wird bald ein Verbot oder eine Abgabe auf Einwegplastik eingeführt. Noch ist unklar, ob die bulgarische Regierung die Belastung an die Industrie weitergibt.
23.03.2021
Von Dominik Vorhölter | Bonn
Die Hersteller von Kunststoffverpackungen profitierten von der Corona-Pandemie. Die Nachfrage nach Verpackungen für Lebensmittel, Kosmetik-, Hygiene- und Medizinprodukte ist 2020 gegenüber dem Vorjahr um rund 30 Prozent gestiegen. Zudem kam den Herstellern von Kunststoffverpackungen der im Sommer 2020 gefallene Ölpreis zugute, der Rohstoffe günstiger machte.
Doch das wird sich in der Zukunft ändern: Die bulgarische Regierung muss spätestens zum Juli 2021 das Verbot für Einwegplastik einführen. Dabei handelt es sich um die neue EU-weite Kunststoffprodukte-Richtlinie, die einmalig verwendbare Kunststoffartikel verbietet. "Das Verbot stellt die Branche gerade während der Corona-Pandemie vor eine große Herausforderung", sagt Tsvetanka Todorova, Vorsitzende des bulgarischen Branchenverbandes "Polymers". Sie meint, keiner könne garantieren, ob die neuen recyclebaren Stoffe genauso hygienisch seien wie die bewährten Produkte.
Die EU hat die Verordnung mit der Kunststoffprodukte-Richtlinie geregelt, die am 2. Juli 2019 in Kraft getreten ist. Sie verbietet Verpackungen aus Kunststoff und aus sogenannten oxo-abbaubaren Kunststoffen, die als "kompostierbare Verpackungen" gelten. Die Verordnung erfasst folgende Produkte:
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Zusätzlich bedroht die Plastikabgabe das Geschäft einiger bulgarischer Verpackungshersteller. Sie befürchten, dass die Regierung die Belastung in Höhe von 80 Cent pro Kilogramm nicht recycelbaren Plastikmülls an sie weiterreicht. Die Steuer ist eine Abgabe, mit der die EU einen Teil der Corona-Wiederaufbaufonds finanzieren will. Davon behält der Staat 20 Cent und führt 60 Cent an die EU ab, heißt es in einem Beschluss des Europäischen Rates vom 17. Juli 2020. Die Plastikabgabe soll ab Januar 2021 von den Mitgliedstaaten an die EU abgeführt werden, laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag vom 17. September 2020.
Ob die bulgarische Regierung dies so umsetzt, ist derzeit noch unklar und wird voraussichtlich erst nach der Parlamentswahl entschieden, die am 4. April 2021 stattfindet. "Wir warten derzeit auf konkrete Maßnahmen unserer Regierung zur Umsetzung der europäischen Richtlinie in die bulgarische Gesetzgebung", sagt Todorova. Bulgarien erreicht eine Recyclingquote beim Kunststoffabfällen von 42 Prozent und liegt damit knapp über dem EU-Durchschnitt.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sieht sich die Branche nach Alternativen zu Kunststoffverpackungen um. Beispielsweise testet das bulgarische Start-up Lam’on eine fast vollständig biologisch abbaubare Maisfolie für Lebensmittelverpackungen. Etablierte Hersteller investieren, um mit den neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Der bulgarische Produzent von Folien für die Lebensmittelbranche, ATE Plast, baut derweil seine Kapazitäten aus und erweitert für 5,1 Millionen Euro die Produktion.
Die Lebensmittelindustrie greift schon jetzt vermehrt zu Pappverpackungen. Im Lebensmitteleinzelhandel stieg im vergangenen Jahr zudem der Absatz von langlebigen Lebensmitteln wie Reis, Bohnen, Linsen und Mehl, die vielfach in Papiertüten verkauft werden. "Die höhere Nachfrage der Lebensmittelindustrie und der Pharma- und Kosmetikindustrie bescherte uns ein Wachstum von 20 Prozent", sagt Stanislav Razpopov, Geschäftsführer des Verpackungsherstellers Dunapack - Rodina. Außerdem stieg die Nachfrage nach Pappe und Kartons für den Onlinehandel an. In der Automobil- und Möbelindustrie ist die Nachfrage nach Verpackungen 2020 gegenüber dem Vorjahr um bis zu 50 Prozent eingebrochen.
In der bulgarischen Verpackungsindustrie sind über 1.600 Unternehmen tätig. Die meisten sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit einem Umsatz von durchschnittlich 3 Milliarden Lew pro Jahr. Sie beschäftigen rund 25.000 Mitarbeiter.