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Wirtschaftsumfeld | Chile | Freihandelsabkommen

Chiles Handels- und Wirtschaftsabkommen auf dem Prüfstand

Chile gehört zu den offensten Volkswirtschaften der Welt. Doch gegenwärtig werden politisch die Weichen neu gestellt. Einige Wirtschaftsvereinbarungen könnten revidiert werden.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Chile ist international eingebunden in ein Netzwerk von Handels- und Wirtschaftsabkommen. Diese erleichtern ausländischen Firmen den Zugang zum chilenischen Markt und ebnen umgekehrt chilenischen Firmen den Weg ins Ausland. Allerdings wird auf politischer Ebene derzeit darüber diskutiert, inwieweit das Land seine seit den 1990er-Jahren aktiv betriebene Freihandels- und offene Investitionspolitik fortsetzt.

Bislang verläuft der Austausch mit Gütern, Diensten und Investitionen in Richtung Chile zumeist reibungslos. Nicht grundlos belegt der Andenstaat beim jährlichen Services Trade Restrictiveness Index (STRI) der OECD 2022 mit Tschechien und Japan die Spitzenplätze. "Die Firmen schätzen an Chile die geringen Investitionsbarrieren speziell im Energie- und Rohstoffsektor, die transparenten öffentlichen Ausschreibungen und die politische Verlässlichkeit", so Cornelia Sonnenberg, Geschäftsführerin der AHK Chile.

Doch am 11. März 2022 trat mit Gabriel Boric ein linksgerichteter Präsident sein Amt an. Er hatte im Wahlkampf unter anderem angekündigt, die bestehenden Freihandelsabkommen einer Revision zu unterziehen. Allerdings hatte sich Boric schon gegen Ende des Wahlkampfs mit gemäßigten Äußerungen auf die Mitte zubewegt. Offenbar hat der Außenhandelsanteil der chilenischen Volkswirtschaft von über 50 Prozent sein Gewicht. Abgesehen davon sind der neuen Regierung angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Senat und Parlament radikale Schnitte kaum möglich.

Deutlich unberechenbarer sind dagegen die Umwälzungen, die aktuell in der verfassungsgebenden Versammlung diskutiert werden. In den Debatten sind etwa Forderungen nach Verstaatlichungen im Rohstoffsektor zu hören. Die Ausbeutung von Rohstoffen durch private Konzerne, speziell solche mit ausländischer Beteiligung, mache nur wenige reich und führe in Chile zu Umweltschäden, heißt es dort.

Chile fuhr mit Politik der offenen Grenzen bisher gut

Kritiker halten dagegen, das Land weise mit seiner bisherigen liberalen Politik große Erfolge in der Armutsbekämpfung vor, wie etwa Weltbankzahlen belegen. Des Weiteren profitieren von den Abkommen nicht allein ausländische Firmen in Chile. Laut chilenischem Außenministerium wächst der Handel zwischen Chile und Ländern, mit denen Chile Handelsabkommen unterhält, deutlich stärker als der Handel mit Ländern ohne Abkommen. Die entsprechenden Exporte stiegen allein 2021 um 34 (mit Abkommen) gegenüber 15 Prozent (ohne Abkommen).

Abgesehen von Chiles Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) oder in der OECD unterhält das Land 30 Handelsabkommen.

Übersicht über die wichtigsten Handelsabkommen Chiles 2022

Kategorie

Länder und Ländergruppen

18 Freihandelsabkommen

Kanada, USA, Mexiko, Zentralamerika (Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua), Panama, Peru, Kolumbien, Uruguay, Argentinien, China, Hongkong (SVR), Korea (Rep.), Malaysia, Vietnam, Thailand, EFTA (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz), Türkei, Australien

5 wirtschaftliche Assoziierungsabkommen

Europäische Union (für alle 27 Mitgliedsstaaten); Japan; Indonesien; P-4 (Neuseeland, Singapur, Brunei Darussalam), Großbritannien

5 wirtschaftliche Kooperationsabkommen

Bolivien, Kuba, Ecuador, Venezuela, Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela)

1 Teilbereichsabkommen

Indien

1 Handelsprotokoll

Pazifische Allianz (Kolumbien, Peru, Mexiko)

Schwebend bzw. ausverhandelt oder unterzeichnet, aber noch nicht in Kraft

Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) mit Australien, Brunei, Kanada, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam;

Modernisierte Fassung des EU-Chile Assoziierungsabkommens

Quelle: SICE-Foreign Trade Information System 2022; International Trade Administration U.S. Department of Commerce 2022; Ministerio de Relaciones Exteriores de Chile 2022

Zollsätze fast immer auf Grundlage einer Präferenz

Generell gilt in Chile ein einheitlicher Zollsatz von sechs Prozent auf alle Produkte - mit wenigen Ausnahmen, die anhand der Zolltarifnummern beim chilenischen Zoll abzuklären sind. Darüber hinaus greift für die meisten Güter, die Chile erreichen, eine im Rahmen dieser Abkommen (siehe Tabelle) vereinbarte Präferenz. Nach Angaben des chilenischen Außenministeriums kamen 2021 ganze 96 Prozent der chilenischen Importe aus Ländern, mit denen Chile zumindest ein Freihandelsabkommen unterhält. Für Chiles Exporte lag die Rate bei 95 Prozent.

Bedeutung präferenzieller Importe und Exporte für Chiles Außenhandel 2021 (Anteile in Prozent)

Chiles Importe

Chiles Exporte

Gesamt

100

100

 davon Anteil präferierter Warenströme

96

95

  darunter:

    China

29,5

38,3

    USA

17,2

16,4

    Mercosur

16,0

6,2

    EU

13,0

8,6

Quelle: Ministerio de Relaciones Exteriores de Chile 2022

Rekordinvestitionen aus dem Ausland

Auch als Investitionsstandort ist Chile gefragt: 2021 erreichten die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) mit knapp 16,8 Milliarden US-Dollar (US$) den höchsten Wert seit 2015, so die chilenische Zentralbank. Gegenüber dem sehr schwachen Coronajahr war dies ein Plus von 95 Prozent. Doch auch Vergleich zu den letzten fünf Jahren lagen die FDI 2021 um satte 62 Prozent höher als der Durchschnitt. Weltweit seien die Direktinvestitionen 2021 lediglich zwischen 10 und 15 Prozent gewachsen, schätzte die UNCTAD. Mit diesen Werten rangiert das flächenmäßig verhältnismäßig kleine Chile in Südamerika hinter Schwergewicht Brasilien an zweiter Stelle.

Das Gros der Mittel floss laut InvestChile in den Energiesektor mit knapp 13 Milliarden US$ (aufgeteilt in 53 Einzelprojekte). Die Bereiche Global Services and Technology sowie Bergbau und Bergbauzulieferungen folgten mit fast sechs Milliarden beziehungsweise fünf Milliarden US$. Besondere Anziehungskraft übt der zukunftsträchtige Bereich grüne Energie aus. Dies würde nicht zuletzt durch die Grüne Wasserstoff-Strategie der Regierung unterstützt, so InvestChile.

Die ausländischen Direktinvestitionen verteilten sich 2021 allerdings auf lediglich vier Länder: Mit knapp acht Milliarden US$ der Investitionen kam 2021 knapp die Hälfte aus China (darunter auch ein Werk von Sinovac zur Herstellung von Corona-Impfstoffen). Darüber hinaus spielten die USA mit fünf Milliarden und Kanada mit drei Milliarden US$ eine Rolle. Bemerkenswert war der Anstieg Brasiliens um satte 187 Prozent auf 1,5 Milliarden US$. Damit holt China kräftig auf – während hingegen beim Bestand nach wie vor die USA, Kanada und Spanien vorne liegen.

Umwelt und Soziales werden wichtiger

Vor diesem Hintergrund gilt es als wahrscheinlicher, dass die chilenische Politik nur einzelne Punkte der bisher betriebenen Außenwirtschaftspolitik auf den Prüfstand stellt. In Zukunft dürfte zum Beispiel mehr auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards geachtet werden. Gute Chancen bestehen für die Annahme der modernisierten Fassung des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union (EU) und Chile. Im besten Fall könnten bestimmte Teile des Abkommens sogar noch 2023 vorläufig angewendet werden. 

Dass das gesamte Netzwerk an Abkommen gekippt wird, halten Beobachter indessen für unwahrscheinlich. Ähnliches trifft auf die auszuarbeitende Verfassung zu. Welche Ideen letztlich Verfassungsrang erhalten, ist genauso offen wie die Frage, ob der ausgearbeitete Verfassungsentwurf in dem für Herbst angesetzten Referendum angenommen wird. Beobachter halten aber radikale Lösungen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse für eher unwahrscheinlich.

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