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Wirtschaftsumfeld | Chile | Freihandelsabkommen

Gute Chancen für modernisiertes EU-Chile-Assoziierungsabkommen

Das Abkommen könnte frühestens Ende 2023 in Kraft treten. Die neue chilenische Regierung hofft auf schnelle Unterzeichnung. Ein Risiko birgt die verfassungsgebende Versammlung.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Im November 2021 war die modernisierte Fassung des chilenisch-europäischen Assoziierungsabkommens auf technischer Ebene verhandelt worden. In Kraft getreten ist das Abkommen aber noch nicht. Während die chilenische Seite die Einigung bereits publizierte, hat die Europäische Union (EU) diesen Schritt noch nicht vollzogen. Angesichts der politischen Veränderungen in Chile stellt sich für Firmen die Frage: Wie geht es weiter mit der Modernisierung des Assoziierungsabkommens?

Zwar stehen die Unternehmen nicht im Regen. Denn das Abkommen von 2003 ist – wie das gesamte Netz chilenischer Abkommen – gültig und geht weit über ein einfaches bilaterales Freihandelsabkommen hinaus: Die meisten Produkte aus der EU können zollfrei nach Chile eingeführt werden, sofern die im Abkommen festgelegten Voraussetzungen wie Ursprungsregeln oder eine direkte Beförderung erfüllt sind. Darüber hinaus umfasst es den Abbau von Handelsschranken und garantiert den Schutz geistigen Eigentums.

Mehr Raum für Umwelt- und Klimaschutz

Kommt die Modernisierung in ihrer derzeitigen Fassung, dann umfasst sie ein anspruchsvolles Paket mit den nachfolgenden Punkten:

  • weitere Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten,
  • besseren Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen und zu öffentlichen Diensten,
  • noch stärkeren Schutz des intellektuellen Eigentums, einschließlich den für viele EU-Produzenten wichtigen Schutz geografischer Herkunftsbezeichnungen,
  • zusätzlichen Abbau nichttarifärer Handelsbarrieren,
  • zeitgemäße Vorgaben zum Investitionsschutz wie ein Investitionsgericht (Investment Court System).

Neu aufgenommen wurden die Bereiche Online-Handel und -Dienste. Ein Novum bei EU-Assoziierungsabkommen sind die Kapitel über Handel, geschlechtliche Gleichstellung und nachhaltige Ernährungssysteme.

Bestimmungen zu Umweltstandards spielen in allen Bereichen eine prominente Rolle. Explizit genannt ist die Umsetzung des Pariser Abkommens zum Klimaschutz. Dies gilt nicht zuletzt für das wichtige Kapitel zu Energie und Rohstoffen. Auf beiden Seiten ruhen die Hoffnungen auf einer stärkeren Zusammenarbeit bei den Herausforderungen des Klimawandels im Sinne des EU Green Deal und der chilenischen Nationalen Wasserstoffstrategie.

Chile rückt für deutsche und europäische Unternehmen zunehmend in den Blick als Lieferant von grünem Wasserstoff, aber auch für Lithium. In diesem Zusammenhang verbietet das Abkommen Ex- und Importmonopole für Energie und Rohstoffe. Von kleineren Ausnahmen abgesehen (etwa für Lithium) müssen außerdem die Preise für Rohstoffe gleich sein, unabhängig davon, ob sie für den Export bestimmt sind oder im Land weiterverarbeitet werden.

Neue chilenische Regierung bewertet viele Punkte positiv

Aus der EU-Delegation heißt es, man wolle in den kommenden Wochen mit den neuen Entscheidungsträgern Kontakt aufnehmen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Tatsächlich könnte die neue chilenische Regierung in einzelnen Punkten nachverhandeln wollen. Doch trotz einer generell kritischen Haltung gegenüber Freihandelsabkommen befürworten dem Vernehmen nach Präsident Gabriel Boric und sein Staatssekretär für Außenwirtschaftsbeziehungen José Miguel das neue Abkommen. Ende März 2022 bekräftigte die neue Außenministerin Antonia Urrejola, sie hoffe auf eine schnelle Unterzeichnung.

Neben den Kapiteln zum Umwelt- und Arbeitsschutz begrüßt die Politik die Neuregelung im Investitionsschutz. Sobald die nationalen Parlamente der EU diesen Teil ratifiziert haben und das Abkommen in Kraft tritt, wird es das bislang bestehende bilaterale Investitionsabkommen ersetzen. An die Stelle des bisherigen Streitschlichtungsverfahrens zwischen Investor und Staat würde ein ständig besetztes Investitionsgericht treten mit unabhängigen Richtern, welche von chilenischer und EU-Seite berufen werden.

Chile sucht Gegengewicht zu China

Zudem dürfte die neue chilenische Regierung im modernisierten Assoziierungsabkommen ein Instrument sehen, sich wirtschaftlich und sozial der EU anzunähern, um so die wachsende Präsenz Chinas abzufedern. Für Chile ist die EU viertwichtigster Handelspartner, bestandsmäßig wichtigster Investor sowie drittwichtigste Destination für seine Investitionen. Doch die Bedeutung der EU ist rückläufig: Im Jahr 2020 hatte sie noch den dritten Platz unter Chiles bedeutendsten Handelspartnern inne, nach China und den USA, aber vor den Mercosur-Staaten. Doch 2021 wurde die EU von letzteren auf den vierten Platz verdrängt.

Des Weiteren kamen in den letzten Jahren erheblich mehr Investitionen aus China als aus der EU nach Chile. Der Fokus lag auf Bergbau, Landwirtschaft und Infrastruktur. Beispielsweise versorgt das Staatsunternehmen China State Grid seit seiner kompletten Übernahme von Sempra Energy Millionen chilenischer Haushalte mit Strom.

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Verfassungsprozess könnte Abkommen noch kippen

Sofern einzelne Kapitel nicht wieder aufgeschnürt werden und in der EU die notwendigen Formalien abgeschlossen sind (wie die Übersetzung des Textes in alle Mitgliedssprachen), könnte das Abkommen frühestens Ende 2023 in Kraft treten. Bei Änderungen dauert es, je nach Umfang, länger. In beiden Fällen wäre dies aber nach der für September 2022 angesetzten Volksabstimmung über die neue chilenische Verfassung. Dabei könnten gerade die Umwälzungen, die in der verfassungsgebenden Versammlung derzeit diskutiert werden, gravierende Folgen für das Assoziierungsabkommen haben. Denn von dort sind auch Forderungen nach Verstaatlichungen im Rohstoffsektor zu hören. Inwieweit diese Ideen jedoch letztlich Verfassungsrang erhalten, ist genauso offen wie die Frage, ob der ausgearbeitete Verfassungsentwurf die notwendige einfache Mehrheit erhält. Allerdings herrscht Wahlpflicht. Damit werden erstmals viele Menschen zur Wahlurne gehen, deren Abstimmungsverhalten nur schwer abschätzbar ist.

Trotzdem besteht Hoffnung. Derzeit wird beispielsweise eine Delegation aus Spanien erwartet, die unter den Vorzeichen auf das neue Abkommen um chilenische Investitionen in Spanien wirbt.

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