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Branchen | China | Maschinenbau

Die Coronakrise verändert den Wettbewerb in China

Der deutsche Maschinenbau in China müsse trotz Coronakrise handeln, erklärt Claudia Barkowsky, Leiterin des Beijinger Büros des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Von Corinne Abele | Shanghai

Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., 60528 Frankfurt, 04.07.2016 (c) Team Uwe Nölke | Fotografie & Film für Menschen & Unternehmen, D-61476 Kronberg, Brunnenweg 21, T +49 6173 321413, look@team-uwe-noelke.de, www.team-uwe-noelke.de Claudia Barkowsky - Geschäftsführerin des VDMA Verbindungsbüro China, Beijing Representative Office | © Uwe Noelke

GTAI: Frau Barkowsky, nach dem Covid-Schock im 1. Quartal 2020 sind die Auftragsbücher deutscher Maschinenbauer in China wieder voll. Grund für Optimismus?

Barkowsky: Gemäß unserer Frühjahrsumfrage im April 2021 unter unseren hier in China vertretenen Mitgliedsfirmen ist die Stimmung hervorragend.

„Die allgemeine Geschäftssituation ist mit der der Boomjahre 2017/18 vergleichbar."

Rund 64 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben eine hohe Kapazitätsauslastung an – in dieser Messgröße das beste Ergebnis seit Beginn der Umfrage 2016.

Allerdings gibt es auch ein paar Wehmutstropfen. Dazu zählen die steigenden Kosten und natürlich die immer deutlicher werdenden Lieferengpässe. Durch auch in China aufflammende Ausbrüche der Covid-19-Delta-Variante hat sich die Situation weiter zugespitzt. Besserung sehe ich erst mal nicht. Die Wirtschaftskonjunktur hat sich im 3. Quartal etwas abgekühlt, was bei vollen Auftragsbüchern und hoher Kapazitätsauslastung allerdings nicht weiter dramatisch ist. Manch einer kann endlich etwas durchatmen. Im 4. Quartal könnte das Geschäft wieder anziehen.

GTAI: Was bedeuten die anhaltenden Einreiserestriktionen Chinas für deutsche Maschinenbauer vor Ort?

Barkowsky: Zu meiner eigenen Überraschung sprachen in unserer Frühjahrsumfrage “nur“ 23 Prozent der Befragten von “erheblichem Schaden“ aufgrund der Reiserestriktionen. Dennoch hat damit fast jedes vierte Unternehmen beträchtliche Probleme. Es können keine Servicetechniker und Ingenieure geschickt werden, um Maschinen in Betrieb zu nehmen oder Abnahmen zu machen. Dies führt natürlich zu signifikanten Nachteilen beim Kunden und kann nur zum Teil durch virtuelle Tools kompensiert werden.

Auch haben wir vermehrt Anfragen des Managements in Deutschland, das sich vor Ort ein Bild von der aktuellen Dynamik machen möchte, bevor es wichtige Entscheidungen trifft. Aufgrund der Reiserestriktionen werden diese nicht gefällt oder auf unbestimmt verschoben.

GTAI: Geraten deutsche Maschinenbauer durch Covid-19 im chinesischen Markt ins Hintertreffen?

Barkowsky: Wir reden jetzt schon von Lieferengpässen und Wartezeiten von sechs bis neun Monaten. Dabei ist die Lokalisierung von Lieferketten schon relativ weit.

„Wenn jetzt keine Investitionsentscheidungen getroffen werden, kann das zu weiteren Engpässen führen. Dann geht der Kunde zur inländischen Konkurrenz, die lieferfähig ist und risikobereiter."

Baut sie dann auch noch Kapazitäten auf, während wir coronabedingt zurückhaltend agieren, dann kann das für uns mittelfristig den Verlust von Marktanteilen bedeuten."

GTAI: Reiserestriktionen und die neue Einkommenssteuer ab 1. Januar 2022 machen die Beschäftigung entsendeter Kräfte schwieriger und teurer. Wird auch das Spitzenmanagement deutscher Maschinenbauer künftig chinesischer werden?

Barkowsky: Ich habe nicht den Eindruck. Bereits jetzt liegt das Management vor Ort häufig in Händen chinesischer Kollegen – viele mit einer langen Verbundenheit mit Deutschland und gegebenenfalls dem Unternehmen; einige haben sogar einen deutschen Pass. Sie haben den Vorteil, die Entwicklungen vor Ort stärker mit einer lokalen Wahrnehmung zu verfolgen. Aber die Kommunikation mit dem Headquarter in Deutschland dürfte künftig noch schwieriger werden.

GTAI: Jüngst hat ein interner Erlass des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) an staatliche Krankenhäuser, Unternehmen und andere staatliche Institutionen in der Presse für Furore gesorgt. Er formuliert für 315 Produkte Lokalisierungsanforderungen zwischen 25 und 100 Prozent – darunter auch optische Instrumente und Prüfmaschinen. Ist der deutsche Maschinenbau auch betroffen?

Barkowsky: Das Dokument kennen wir, aber die aufgeführten Produkte sind für uns mit wenigen Ausnahmen nicht so relevant. Aber den generellen Trend dahinter spüren wir auch: Bevorzugung lokaler Marken und fehlender Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen. So hat das eine oder andere in den staatlichen Bahnsektor liefernde Unternehmen nach unserem Wissen bereits Signale vom Kunden erhalten, künftig mit weniger Lieferchancen rechnen zu müssen – auch für Komponenten.

Wenn die Kundschaft staatlich geprägt ist, muss man immer damit rechnen, nicht zum Zuge zu kommen. Teilweise wird auch der Druck erhöht, ein Joint Venture zu gründen.

„Es ist daher umso wichtiger, sein Kundenportfolio nach unterschiedlichen Branchen, aber auch nach Staats- und Privatunternehmen zu diversifizieren. Damit können deutsche Maschinenbauer Spielraum gewinnen und ein besseres Risikomanagement betreiben."

Auch hören wir immer mal wieder von VDMA-Mitgliedern, die von Ausschreibungen ausgeschlossen werden – eine chinesische Marke kann da hilfreich sein. So bemüht sich das eine oder andere Mitgliedsunternehmen um Übernahme eines Wettbewerbers im mittleren Preissegment unter Beibehaltung der lokalen Marke. Andere Firmen beabsichtigen durch Zukauf ihr Portfolio zu ergänzen. Geeignete Übernahmekandidaten sind jedoch schwierig zu finden.

GTAI: China hat laut VDMA Deutschland 2020 als Exportweltmeister im Maschinenbau abgelöst. Die chinesische Konkurrenz sorgt für Marktanteilsverluste in Drittländern. Wie sieht es in China aus?

Barkowsky: Gemäß unserer jüngsten Umfrage erwarten 81 Prozent der Umfrageteilnehmer künftig weitere erhebliche Wettbewerbssteigerungen der chinesischen Konkurrenz. Schon heute ist eine chinesische Maschine absolut einsatzfähig – und unter Verzicht einiger Applikationen und mit einigen Qualitätsabstrichen kostengünstiger. Wir müssen den Anforderungen unserer Kunden im Markt besser genügen. Auch der chinesische Kunde möchte am liebsten Spitzentechnologie erwerben, kommt aber auch schnell mit Argumenten, die das wieder relativieren. Zum Teil geht es auch um das Gesamtpaket mit Service, Kundenbetreuung oder Komplettlösungen. Hier lohnt sich der genaue Blick auf die chinesische Konkurrenz - Maschinen als Dienstleistung. Auch bei Komponentenanbietern geht es zunehmend hin zu Komplettlösungen.

Das Interview führte Corinne Abele, Shanghai.


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