Mehr zu:
ChinaE-Commerce / Groß- Einzelhandel / Konsumgüter / Coronavirus
Branchen
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Branchen | China | E-Commerce
Während der traditionelle Einzelhandel das Gesamtjahr 2020 mit einem dicken Umsatzminus abschließen dürfte, freut sich die Online-Sparte über zweistellige Wachstumsraten.
13.10.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Chinas Einzelhandelsumsatz wuchs 2019 laut Angaben des nationalen Statistikamtes nominal um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für chinesische Verhältnisse war das ein eher bescheidenes Ergebnis, das zudem durch den boomenden E-Commerce zustande kam. Während der traditionelle Offline-Einzelhandel nach Berechnungen von Germany Trade & Invest nur ein Wachstum von 5 Prozent erzielte, kam die Online-Sparte auf ein Plus von rund einem Fünftel.
Insgesamt summierte sich der online getätigte Einzelhandelsumsatz 2019 auf gut 1,5 Billionen US-Dollar (US$). Betrachtet man nur den Umsatz mit Waren, ergab sich für die Online-Sparte ein Wert von 1,2 Billionen US$. Gemessen am gesamten Einzelhandelsgeschäft (mit Konsumwaren) in Höhe von knapp 6 Billionen US$ kam dies einem Anteil von 21 Prozent gleich. Für den Zeitraum Januar bis August 2020 ergab sich sogar eine entsprechende Rate von fast 25 Prozent.
Die Coronakrise hat dem Online-Handel zudem eine Sonderkonjunktur beschert. Der E-Commerce konnte zahlreiche zusätzliche Kunden gewinnen, zu denen vor allem wenig technikaffine und ältere Menschen zählten. Sie dürften nun erfahren haben, wie praktisch und einfach das Einkaufen via Internet sein kann. Auch nachdem China im Frühjahr/Sommer 2020 im Inneren weitgehend zum Alltag zurückkehrte, blieben viele bei der Stange.
Insbesondere im Bereich Nahrungsmittel hat es sich endgültig durchgesetzt, die Waren auch im Internet zu bestellen. Der gewöhnliche Gang zum traditionellen Lebensmittelmarkt gehört nicht mehr unbedingt zur Routine. Schließlich wird angenommen, dass das neuartige Virus auf so einem Markt mit teilweise fragwürdigen hygienischen Bedingungen ausbrach.
Offizielle Statistiken unterstreichen diesen Trend. Die monatlichen Umsätze des gesamten Einzelhandels hatten ab Mai 2020 fast wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Doch der große Nachholeffekt blieb aus, sodass sich für die ersten acht Monate 2020 immer noch ein Umsatzrückgang von nahezu 9 Prozent gegenüber der Vorjahrsperiode ergab. Der Offline-Einzelhandel (gesamter Einzelhandel abzüglich der Online-Sparte) fuhr in diesem Zeitraum sogar ein Minus von 15 Prozent ein. Unter dem Strich bedeutet dies, dass viele kleinere Geschäfte aufgeben müssen oder von größeren Wettbewerbern übernommen werden. Immer mehr Einzelhändler verfolgen zudem eine hybride Strategie: Sie bieten ihre Produkte sowohl im Laden als auch im Internet an. Dort scheinen die Bäume – zumindest in einigen Bereichen – weiterhin in den Himmel zu wachsen.
Der Umsatz mit Online-Waren legte zwischen Januar und August 2020 hingegen um knapp 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. In der Sparte Nahrungsmittel lag das Wachstum sogar bei satten 35 Prozent. Bei Bekleidung stellte sich hingegen nur ein Plus von 1 Prozent ein. In den einzelnen Kategorien kann es also durchaus recht unterschiedliche Entwicklungen geben.
Viele Online-Anbieter von Nahrungsmitteln haben ihre Kapazitäten daher kräftig aufgestockt. Dabei müssen sie insbesondere in die Logistik investieren, um eine ununterbrochene Kühlkette und eine besonders schnelle Belieferung zu ermöglichen. Chinesische Kunden sind ohnehin schon äußerst anspruchsvoll. Im Lebensmittelbereich ist diese Haltung nochmals stärker ausgeprägt.
Platzhirsch im Geschäft mit dem Endkunden (Business-to-Consumer; B2C) ist der chinesische Konzern Alibaba mit seiner Plattform TMall. Auf Rang zwei folgt JD.com. Die beiden Branchenführer brachten es im 1. Quartal 2020 laut dem China Internet Report 2020 der South China Morning Post auf einen kumulierten Marktanteil von 88 Prozent. Sie kaufen oft kleinere, durchaus erfolgreiche Wettbewerber auf und können dadurch ihre Position halten.
Nicht nur das klassische B2C-Geschäft boomt, sondern auch der elektronische Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Firmen (Business-to-Business; B2B) und Verbrauchern (Consumer-to-Consumer; C2C). Das Gesamtvolumen des Online-Handels bezifferte South China Morning Post für 2019 auf 5 Billionen US$. Für 2022 geht die renommierte Hongkonger Zeitung von einem Wert von 6,8 Billionen US$ aus.
Der grenzüberschreitende E-Commerce summierte sich 2019 laut der Untersuchung auf 1,5 Milliarden US$ und soll 2020 auf 1,8 Milliarden US$ steigen. Alibaba hat in dieser Sparte durch den Aufkauf von Kaola (NetEase), dem zweitgrößten Anbieter, seinen Marktanteil im September 2019 auf 56 Prozent ausgebaut. Die nächstgrößeren Konkurrenten sind die zu JD.com gehörende Plattform Haitun Global (12 Prozent) sowie Vip.com (10 Prozent).
Was bedeutet das für deutsche Anbieter von Konsumgütern, aber auch von Waren und Dienstleistungen sowie für den Unternehmenssektor? Sicherlich reicht es nicht, wenn man seine Produkte einfach auf einer der großen E-Commerce-Plattformen anbietet. Da sie mitunter Hunderttausende von Artikeln führen, geht das eigene Produkt schnell unter. Daher ist eine gezielt ausgerichtete Marketingstrategie besonders wichtig. In zahlreichen Sektoren kann der Vertrauensvorschuss für Produkte made in Germany durchaus eine wichtige Rolle spielen. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass der Online-Absatzkanal dem eigenen Markenimage gerecht wird. Weiterführende Informationen finden Sie in der Publikation "Vertrieb und Handelsvertretersuche – China".