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Ein Fünftel aller weltweit ausgelieferten Flugzeuge gehen in den nächsten 20 Jahren an chinesische Airlines. Vor allem der stark wachsende Inlandstourismus treibt die Nachfrage.
15.12.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Während die Fluggesellschaften in Europa und Amerika angesichts von Corona befürchten, dass es noch Jahre dauern könnte, bis man das Vorkrisenniveau wieder erreicht, sieht die Lage in China weniger dramatisch beziehungsweise geradezu rosig aus. Die Volksrepublik China hat die Coronapandemie rasch in den Griff bekommen. Seit Sommer 2020 gehen die Menschen weitgehend zur Normalität über. Das Bruttoinlandsprodukt wächst seit dem 2. Quartal 2020 wieder. Damit wird China wohl die einzige große Volkswirtschaft der Welt bleiben, die 2020 mit einem positiven Wachstum abschließt.
Zwar bleiben die Reisebeschränkungen nach China streng, worunter die chinesischen Airlines leiden. Doch der internationale Flugverkehr macht nur einen relativ kleinen Teil ihres Geschäftes aus. Gemessen am Passagieraufkommen lag sein Anteil 2019 laut der Luftfahrtbehörde CAAC (Civil Aviation Admininstration of China) lediglich bei 13 Prozent. In Passagierkilometern gerechnet ergab sich eine Quote von knapp 30 Prozent.
Der inländische Reise- und Flugverkehr hat sich derweil von Corona weitgehend erholt. Bereits im September 2020 erreichte er laut CAAC-Angaben nahezu wieder das Vorkrisenniveau. Da die Chinesen nicht mehr ins Ausland fliegen können, erkunden sie eben verstärkt ihre eigene Heimat. Die chinesischen Airlines reagieren mit entsprechenden Angeboten, etwa mit preiswerten Mehrfachtickets.
Covid-19 wird - so viel kann man heute schon behaupten - für die chinesischen Airlines und Flugzeughersteller ein vorübergehender Geschäftseinbruch bleiben, der keinen nachhaltigen Einfluss auf das langfristige Business hat. Diese Meinung teilt unter anderem Boeing. Der US-Hersteller korrigierte sogar seine langfristige Prognose für den chinesischen Flugzeugmarkt im November 2020 deutlich nach oben.
Für 2020 bis 2039 erwartet Boeing nunmehr 8.600 Maschinenauslieferungen. In der Vorjahresprognose war das Unternehmen noch von 500 Jets weniger ausgegangen. Auf ähnlich hohe Werte kommt gemäß der South China Morning Post (SCMP) das Analysehaus Century Securities aus Shenzhen. Ihm zufolge werden in den kommenden zwei Dekaden 9.000 zivile Luftfahrzeuge in China ausgeliefert. Davon sollen 2.000 auf den neuen Mittelstreckenjet C919 des staatlichen Herstellers COMAC entfallen. Dieser ging in einer früheren Prognose von etwa 9.400 Jet-Auslieferungen zwischen 2019 und 2038 aus.
Flugzeugtyp | Boeing-Prognose | COMAC-Prognose |
---|---|---|
Passagierjets, davon | 8.420 | 9.205 *) |
Regionaljets | 380 | 958 |
Single Aisle | 6.450 | 6.119 |
Widebody (Dual Aisle) | 1.590 | 2.118 |
Frachtmaschinen | 180 | 230 |
Insgesamt | 8.600 | 9.435 |
Das wertmäßige Auftragsvolumen steigt gemäß der neuen Boeing-Studie auf 1,4 Billionen US-Dollar (US$). Auch bei den Dienstleistungen im Umfeld des Flugverkehrs erwartet der US-Hersteller einen stärker als bisher gedachten Bedarf. Sie sollen sich bis 2039 auf über 1,7 Billionen US$ summieren. Den größten Brocken mit nahezu 60 Prozent macht dabei die Position "Dienstleistungen am Boden und Frachtverkehr" aus. "Wartung und Reparatur" kommt auf eine Quote von einem Viertel.
Insgesamt entfallen in den nächsten zwei Dekaden ein Fünftel aller globalen Flugzeugauslieferungen auf die Volksrepublik China. Sie spielt damit beim Neugeschäft mengenmäßig in der gleichen Liga wie Europa und Nordamerika. Die chinesische Flugzeugflotte wird laut Boeing um 4,4 Prozent pro Jahr steigen und bis 2039 auf knapp 9.400 Einheiten anwachsen. COMAC geht sogar von einer jährlichen Zunahme von 5,2 Prozent aus, so dass sich bis 2038 ein Flugzeugbestand von über 10.300 Maschinen ergibt.
Flugzeugtyp | 2019 | 2039 |
---|---|---|
Passagierjets, davon | 3.645 | 8.610 |
Regionaljet | 191 | 300 |
Single Aisle | 2.997 | 6.630 |
Widebody | 457 | 1.680 |
Frachtmaschinen | 173 | 750 |
Insgesamt | 3.818 | 9.360 |
Getrieben wird das Wachstum von einer Vervielfachung der inländischen Flugreisetätigkeit. Sie soll sich gemäß Boeing in den nächsten zwei Dekaden auf 3,5 Milliarden Passagiere verdreifachen. Das kommt einer jährlichen Zunahme von 5,7 Prozent gleich. Diese Vorhersagen decken sich mit Beobachtungen aus anderen Ländern, die wie China ein mittleres Pro-Kopf-Einkommen aufweisen. Dort wächst der einheimische Tourismus zumeist deutlich stärker als die allgemeine Wirtschaft. Nachdem sich die Bevölkerung mit allen wichtigen Konsumgütern eingedeckt hat, will sie mehr von der eigenen Heimat sehen.
Ein wichtiger beschränkender Faktor - aus Sicht der Airlines und Flugzeughersteller - stellt im Falle von China der weitere Ausbau des Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes dar. Bereits jetzt verfügt die Volksrepublik über ein weit ausgebautes System, das einen schnellen, zuverlässigen und vergleichsweise preiswerten Transport ermöglicht. In den nächsten Jahren werden immer mehr - bislang eher abgelegene - Städte und Regionen ans Netz angeschlossen.
Das drückt vor allem die Nachfrage nach Regionaljets. Insbesondere Boeing sieht in dieser Sparte für die nächsten 20 Jahre eher wenig Absatzpotenzial, auch wenn das US-Unternehmen die Anzahl der entsprechenden Auslieferungen in der aktuellen Studie gegenüber der Vorjahresprogose verdreifacht hat. COMAC sieht die Lage wesentlich positiver. Lediglich in dieser Hinsicht gibt es in den Marktanalysen zwischen den beiden Flugzeugherstellern deutliche Unterschiede.