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Liefer- und Logistikkette wird nochmals störanfälliger

Russlands Krieg gegen die Ukraine und Corona-Lockdowns in China behindern den chinesischen und internationalen Bahn- und Luftverkehr. Die Situation dürfte sich weiter zuspitzen.

Von Roland Rohde | Hongkong

Die Beschaffung aus China, dem mit weitem Abstand größten Hersteller vieler Konsum- und Investitionsgüter, gestaltet sich immer schwieriger. Die ohnehin schon störanfälligen weltweiten Lieferketten geraten weiter unter Druck. Das Problem ist teilweise hausgemacht: Die Volksrepublik verfolgt eine strikte Null-Covid-Politik. Selbst bei kleineren Ausbrüchen setzt sie auf Lockdowns ganzer Metropolen, wie zuletzt Shanghai. Zwar hat die Zentralregierung versprochen, man wolle die Maßnahmen punktgenauer vornehmen, um den wirtschaftlichen Schaden gering zu halten. Doch in der Realität ist davon eher wenig zu spüren.

Corona führt zu Einschränkungen auf Verkehrsrouten in China  

Seit dem Jahresbeginn 2022 hat sich die Pandemielage rapide verschlechtert, auch wenn die Ansteckungszahlen für westliche Verhältnisse äußerst gering blieben. Es herrscht große Angst vor einem Ausbruch im Stile Hongkongs. In der Sonderverwaltungsregion (SVR) lag die Sieben-Tage-Inzidenz Anfang März laut Zahlen des Centre for Health Protection bei über 3.000. Die Todesrate war laut Our World Data die mit Abstand höchste der Welt. Eine derartige Welle könnte das chinesische Gesundheitssystem nicht meistern; schon im höher entwickelten Hongkong ist es partiell kollabiert.

Wenn sich in China die Pandemie ähnlich wie in Hongkong entwickelt, käme es wohl zu enormen Störungen der globalen Lieferketten.

Daher setzt Beijing auf eine nochmals striktere Einhaltung der Null-Covid-Politik. In mehreren Städten kam es im März 2022 zu umfangreichen Einschränkungen. Zahlreiche Zug- und Busverbindungen wurden gestrichen. Besonders stark war der Nordosten des Landes betroffen. Dort mussten viele Fabriken schließen, was zu Lieferengpässen in anderen Landesteilen führte. In der Hightech-Metropole Shenzhen kam es zu einem kompletten Lockdown. Auch in Shanghai durften viele Bewohner ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Airlines wurden angewiesen, die beiden Flughäfen der Stadt nicht mehr anzusteuern, sondern Airports in den benachbarten Metropolen zu nutzen.

Airlines müssen wegen Ukraine-Russland-Konflikt Flugrouten umplanen

Für die Fluggesellschaften sind dies schlechte Nachrichten in einer ohnehin schon schwierigen Zeit, denn seit nunmehr zwei Jahren gibt es praktisch keinen Passagierverkehr mehr zwischen China und dem Rest der Welt. Der Frachtsparte ging es noch recht gut. Doch nun nehmen auch hier pandemiebedingt Störungen und Engpässe zu. Hinzu kommen die Auswirkungen des Ukraine-Russland-Konflikts. So müssen die bisherigen (über russischen Luftraum laufenden) Flugrouten umgeplant sowie neue Überflugrechte ausgehandelt werden. Zugleich treiben die gestiegenen Rohölpreise die Frachtraten weiter in die Höhe.

Flugverkehr in China im Überblick

Indikator

2019

2020

2021

Veränderung 2021/191

Passagiersparte

Aufkommen (in Mio.), davon

659,9

417,8

440,6

-33,2

  inländisch2

574,6

407,2

438,5

-23,7

  international

85,3

10,5

2,1

-97,5

Auslastungsquote (in %)

83,2

71,9

72,4

-10,83

Frachtsparte

Aufkommen (in Mio. t), davon

7,5

6,8

7,3

-2,8

  inländisch2

4,9

4,4

4,5

-8,8

  international

2,6

2,2

2,9

8,1

Auslastungsquote (in %)

71,6

66,2

66,9

-4,73

Starts und Landungen (in Mio.)

11,7

9,0

9,8

-16,1

1) auf Basis der ungerundeten Werte; 2) ohne Taiwan, Hongkong, Macau; 3) ProzentpunkteQuelle: Zivile Luftaufsichtsbehörde (CAAC)

Ein weiterer Leidtragender des Ukraine-Kriegs ist der Bahngüterverkehr zwischen China und Europa. Seit über zehn Jahren gibt es direkte Verbindungen nach Duisburg, Hamburg oder Nürnberg. Im Zuge der Coronapandemie und der weltweiten Engpässe an Transportkapazitäten hatten die Strecken enorm an Beliebtheit gewonnen. Sie waren 2020 und 2021 praktisch voll ausgelastet. Das ändert sich jetzt rasant. Noch fahren laut chinesischen Angaben im März 2022 die Züge. Doch immer mehr Kunden springen ab.

Firmen meiden Bahntransport zwischen China und Europa

Viele Unternehmen und Frachtführer meiden aus Angst vor Störungen und Sanktionsverstößen die Strecke. Der Logistikriese Maersk kündigte am 4. März einen entsprechenden Stopp an. Die russische Tageszeitung Vedomosti berichtete, dass chinesische Verlader damit begonnen haben, den Transit von Waren durch Russland in die Europäische Union auszusetzen. Grund sei die Furcht der Frachteigentümer und Exportversicherer um ihre Waren, die bei Verhängung weiterer Sanktionen kurzfristig konfisziert werden könnten.

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Der Bahnverkehr spielt für den chinesischen Außenhandel aber eine untergeordnete Rolle. Er war 2021 laut Angaben der chinesischen Staatsbahn wertmäßig betrachtet nur für gut 1 Prozent des internationalen Warenaustausches verantwortlich. Insgesamt müssen "lediglich" 1,5 Millionen Container von der Schiene auf den Seeweg ausweichen. So viele werden im Shanghaier Hafen in weniger als zwei Wochen umgeschlagen. Allerdings fällt damit ein interessantes Nischenangebot weg. Unternehmen, denen der Schiffsverkehr zu langsam und der Lufttransport zu teuer waren, fanden hier eine gangbare Alternative.

Im Containerverkehr ist die Lage - noch - relativ entspannt

Auch im Containerverkehr ist wieder mit mehr Störungen zu rechnen. Die Häfen in der Volksrepublik können nämlich ebenfalls von Lockdowns betroffen sein. Im Spätsommer 2021 hatte es schon einmal eine zeitweise Schließung der Containerterminals in Shenzhen gegeben. Es kam zu enormen Rückstaus, die sich erst nach vielen Wochen wieder auflösten. Die Folgen waren weltweit zu spüren. In Zeiten angespannter Lieferketten macht sich jeder Engpass stark bemerkbar.

Trotz Russlands Kriegs gegen die Ukraine und der chinesischen Coronakrise sind die Seefrachtraten ab Shanghai in der ersten Märzhälfte 2022 gesunken.

Bei den Frachtraten spürt man von den Lockdowns indes noch nicht viel. In den ersten beiden Märzwochen gaben sie nach Angaben von Drewry sogar deutlich nach. Auf der Strecke Shanghai-Rotterdam sowie Shanghai-New York lagen die Kassakurse aber am 17. März 2022 immer noch bei gut 12.000 US-Dollar. Sie waren damit noch Welten vom Vorpandemieniveau entfernt.

Weiterer Stresstest für Lieferketten steht bevor

Insgesamt bleiben die Lieferketten und Transportwege also sehr teurer und störanfällig. Frühere Hoffnung, ab dem Frühjahr 2022 könnte es zu Entlastungen kommen, haben sich nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil müssen Unternehmen damit rechnen, dass sich die Pandemielage in China weiter zuspitzt und Lieferketten an ihre Grenzen stoßen. Angesichts der ansteckenden Untervarianten von Omikron werden entweder die bewährten Eindämmungsmaßnahmen nicht ausreichend effektiv sein oder sie müssen derart ausgeweitet werden, dass es zu einem teilweisen Stillstand des wirtschaftlichen Lebens kommt.

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