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Der Warenhandel befand sich im Juni 2020 wieder auf Erholungskurs. China wird für den deutschen Export immer wichtiger und könnte die USA 2020 als Hauptabnehmer ablösen.
27.07.2020
Von Katharina Viklenko | Bonn
Wie das nationale Statistikamt vergangene Woche mitteilte, verzeichnete das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 2. Quartal 2020 ein Wachstum von 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Auch die vorläufigen Zahlen zum Außenhandel im Juni 2020 sorgten für Erstaunen: Laut Angaben des chinesischen Zolls lagen die Im- und Exporte der größten Handelsnation erstmals seit dem Ausbruch der Coronakrise wieder im positiven Bereich. Demnach betrug das Plus bei Importen 2,7 Prozent, während die Exporte um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zulegten. Experten waren zuvor von weiteren Rückgängen der Handelszahlen wie in den Vormonaten ausgegangen.
Betrachtet man die akkumulierten Zahlen für das 1. Halbjahr 2020 deuten die Zeichen auf eine kontinuierliche Erholung des chinesischen Außenhandels hin. Der Gesamthandel zog kontinuierlich an. Hatten chinesische Exporte zwischen Januar und Februar noch ein Minus von knapp 17 Prozent verzeichnet, war es in den ersten sechs Monaten nur noch ein Rückgang von etwa 6 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Das Reich der Mitte wurde zuerst von der Coronakrise getroffen und scheint diese nun auch als Erstes zu überwinden.
Kopfschmerzen bereitet indes noch der schwächelnde Binnenkonsum, der die Entwicklung der Einfuhren auch im 1. Halbjahr 2020 mit einem Minus von rund 7 Prozent nachhaltig prägt. Viele Verbraucher halten sich aufgrund der derzeit unsicheren wirtschaftlichen Lage bei Käufen von langlebigen Gütern zurück. Während der Gesamthandel eine kontinuierlich verbessernde Entwicklung verzeichnete, gingen die Importe insbesondere im April und Mai 2020 deutlich zurück, als die Europäische Union (EU) und USA Lockdowns verfügten. Andersherum führte dies auch zu einer sinkenden Nachfrage aus dem Ausland.
Jan.-Febr. 2020 | 1. Quartal 2020 | Jan.-April 2020 | Jan.-Mai 2020 | 1. Hj. 2020 | |
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Importe weltweit, davon | -4,0 | -3,0 | -6,0 | -8,2 | -7,1 |
EU (27) | -11,4 | -2,0 | -8,9 | -11,8 | -9,6 |
Deutschland | -15,8 | -11,1 | -12,5 | -14,8 | -12,8 |
USA | 2,5 | -3,7 | -5,9 | -7,6 | -4,8 |
Exporte weltweit, davon | -17,1 | -13,4 | -9,0 | -7,7 | -6,2 |
EU (27) | -18,4 | -17,1 | -9,1 | -4,1 | -1,5 |
Deutschland | -24,1 | -20,1 | -10,0 | -2,2 | 0,4 |
USA | -27,7 | -25,2 | -18,2 | -14,3 | -11,1 |
Die Erholung des Außenhandels im 1. Halbjahr 2020 gestaltete sich je nach Zielland beziehungsweise Herkunftsregion unterschiedlich. Vor allem der Warenverkehr mit den asiatischen Nachbarländern stellte sich als besonders robust heraus. Die ASEAN-Staaten wiesen insgesamt betrachtet zwar eine stagnierende Entwicklung bei chinesischen Exporten auf. Während Thailand (+8,9 Prozent), Vietnam (+6,5 Prozent) und Singapur (+6,3 Prozent) besonders positiv auffielen, verzeichneten die vom Coronavirus stark getroffenen Länder Indonesien (-11,3 Prozent) und Philippinen (-10,9 Prozent) negative Werte. In der EU entwickelten sich die chinesischen Ausfuhren nach Frankreich (+3,2 Prozent), Deutschland (+0,4 Prozent) und Niederlande (+0,5 Prozent) positiv.
Bei Chinas Importen konnten wiederum die ASEAN-Länder (+5,0 Prozent), darunter besonders Vietnam (+27,5 Prozent) und Indonesien (+8,8 Prozent) punkten. Bei so guten Werten konnten europäische Staaten nicht mithalten. Frankreich (-21,8 Prozent), Italien (-12,9 Prozent) und Deutschland (-12,8 Prozent) kamen bei chinesischen Einfuhren im 1. Halbjahr 2020 allesamt auf zweistellige Minusraten. Eine positive Ausnahme bildet Taiwan: Sowohl bei chinesischen Im- als auch Exporten kam die Insel in den ersten sechs Monaten 2020 auf positive Wachstumsraten von fast 8 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.
Der Handel mit den Vereinigten Staaten stand schon vor der Coronakrise unter Druck. Chinesische Einfuhren aus den USA gingen 2019 um rund ein Fünftel (-20,9 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr zurück. Im gleichen Zeitraum nahmen die Lieferungen aus dem Reich der Mitte um 12,5 Prozent ab. Die Importe aus den USA scheinen sich im 1. Halbjahr 2020 (-4,8 Prozent) besser zu entwickeln als die Exporte, die im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein zweistelliges Minus von 11,1 Prozent aufwiesen.
Interessant ist außerdem die Entwicklung des US-Handelsdefizits mit China. Ungleichgewichte im Handel waren eine der Ursachen für die Entflammung des Handelskonfliktes zwischen den beiden Ländern. Schon im Verlauf von 2019 war das amerikanische Defizit im Warenhandel mit der Volksrepublik stetig zurückgegangen. Der bisherige Höhepunkt wurde im 4. Quartal 2019 mit einem Minus von fast 30 Prozent und im 1. Quartal 2020 mit einer Abnahme von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erreicht. Dieser Trend dürfte sich 2020 fortsetzen.
Auswirkungen des Mitte Januar 2020 unterzeichneten "Phase Eins"-Abkommens auf die Weltwirtschaft sind bislang noch unbestimmt. In jüngster Zeit mehren sich zudem politische Spannungen in Sachen Handel, Umgang Chinas mit der Coronapandemie sowie das verabschiedete chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong. Spionagevorwürfe und Anordnungen zur Schließung diplomatischer Vertretungen könnten den bilateralen Warenhandel zukünftig in Mitleidenschaft ziehen.
Mitten im Coronajahr 2020 könnte das Reich der Mitte zum Exportzielland Nummer eins für die deutsche Wirtschaft werden. So lautet zumindest die Schlussfolgerung des Instituts der deutschen Wirtschaft in seinem im Juli 2020 veröffentlichten Kurzbericht. Die Erholung der deutschen Ausfuhren fiel je nach Zielland unterschiedlich aus. Während die Vereinigten Staaten mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen haben, ist die chinesische Wirtschaft bereits auf dem Weg der Erholung. In Anbetracht der unterschiedlichen Krisenverläufe wird China im 2. Halbjahr 2020 für die deutsche Exportwirtschaft an Bedeutung gewinnen und könnte die USA als bisherigen Spitzenreiter ablösen.
Dass es sich um keine temporäre Verschiebung im Ranking der wichtigsten deutschen Exportländer handelt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Zwar verlangsamte sich Chinas Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren, blieb im internationalen Vergleich aber hoch. Zudem verringerte sich der Abstand im deutschen Außenhandel zu den USA stetig. Die Coronakrise beschleunigt somit lediglich einen Prozess, der sich bereits seit mehreren Jahren abzeichnet.