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Wirtschaftsumfeld | China | Stromknappheit und Lieferengpässe

Energiekrise führt zu Lieferengpässen bei wichtigen Produkten

Bis die Stromversorgung wieder reibungslos läuft, könnten Monate vergehen. Das dürfte Lieferengpässe bei wichtigen kritischen Produkten in China und weltweit verschärfen.

Von Corinne Abele | Shanghai

Chinas Energieversorgung stottert gewaltig – und dies wohl noch eine ganze Weile. Europäische Unternehmen in China richten sich daher auf längerfristige Energie- und Stromrationierungen bis ins nächste Jahr 2022 ein. Bereits seit Sommer 2021 arbeiten einige immer wieder mit Dieselgeneratoren; entsprechende Anschaffungen zahlen sich nun aus. Dabei treffen Stromabschaltungen und -rationierungen gleichermaßen staatliche, private wie ausländische Unternehmen; nur wenige Provinzen blieben bislang verschont. Dies machten die Stellungnahmen regionaler Vertreter der Europäischen Handelskammer in China (EUCCC) auf einer Pressekonferenz am 12. Oktober 2021 deutlich.

Magnesium wird knapp

Auch der Weltmarkt ist bereits betroffen, denn die Stromknappheit in China verschärft die weltweiten Lieferengpässe. So sind Knappheit und Preisanstieg von Magnesium zu einem Großteil auf eine Anweisung der Stadt Yulin in der Provinz Shaanxi vom 13. September 2021 zurückzuführen. Präsident Xi Jinping war noch zu Besuch in der Stadt, als Unternehmen in energieintensiven Bereichen (wie der Magnesiumproduktion) aufgefordert wurden, den Betrieb einzuschränken oder zeitweise komplett einzustellen.

In der Folge mussten laut lokalen Pressemeldungen an die 50 Magnesiumwerke in Yulin ihre Produktion drosseln oder temporär einstellen. Globale Auswirkungen blieben nicht aus, die Preise gingen durch die Decke: Denn Yulin stellt 50 bis 60 Prozent der Magnesiumproduktion Chinas, das wiederum knapp über 61 Prozent der weltweiten Magnesiumexporte liefert. Die Europäische Union bezog 2020 sogar 91 Prozent ihrer Magnesiumimporte aus China, Deutschland rund 55 Prozent. Allerdings dürfte auch ein Teil des aus den Niederlanden bezogenen Magnesiums letztlich chinesischen Ursprungs sein.

Anfang Oktober 2021 schlug die Wirtschaftsvereinigung Metalle Alarm: Sollten die Engpässe weiter anhalten, drohten im Dezember Bänder in der Automobilindustrie in Europa und Deutschland stillzustehen. Magnesium wird vor allem zur Verstärkung von Aluminium benötigt, wie es im Automobilbau (aber auch in der Luftfahrt) eingesetzt wird. Aluminium-Futures erreichen mittlerweile Höchstwerte. Denn zum einen wurden Aluminiumschmelzen in verschiedenen Regionen Chinas angewiesen, ihre Produktion zu reduzieren, zum anderen drosseln auch Aluminiumschmelzen in anderen Weltteilen wie Europa freiwillig ihren Betrieb, um hohe Verluste durch den Energiepreisanstieg zu begrenzen. 

Bei weiteren Produkten drohen Engpässe 

Die Energiekrise Chinas könnte weitere Schockwellen auf dem Weltmarkt auslösen, zieht man die Bedeutung des Landes als Lieferant von Rohstoffen, Komponenten und beispielsweise IKT-Produkten in Betracht. So bezieht Deutschland zwei Drittel der Smartphones, ein Fünftel der Halbleiter und ein Drittel der Stromrichter aus China. 

Abhängigkeit von China bei kritischen Produkten (Anteil Chinas am Weltexport und am deutschen Import 2020, in Prozent)

HS-Position

Warenbezeichnung

Anteil am Export weltweit

Anteil am deutschen Import

Alle Waren

15,1

11,5

8540, 8541, 8542

Halbleiter

16,8

18,9

8504.40

Stromrichter

33,2

32,5

3206.11

Titandioxid

32,4

8,9

8104

Magnesium

61,4

54,9

8517.12

Smartphones

52,3

64,8

Quelle: Comtrade, Berechnungen von Germany Trade & Invest

In China richten sich viele europäische Unternehmen auf anhaltende Versorgungsstörungen bis ins nächste Jahr ein und setzen auf Flexibilisierung und Diversifizierung ihrer inländischen Lieferketten. Manche Firmen eruieren ebenfalls Möglichkeiten, Lieferausfälle im Inland gegebenenfalls durch Importe zu ersetzen. Bei den derzeitigen Engpässen und Preisanstiegen in der globalen Logistik dürfte dies jedoch die Ausnahme sein.

Energiekrise hat vielfältige Ursachen

Einerseits ist der Engpass am für China zentralen Energieträger Kohle verantwortlich, da alte Kohleminen und Bahnstrecken durch regionale Überschwemmungen (temporär) stillgelegt und unterbrochen wurden sowie der Import von australischer Kohle verboten wurde. Andererseits stehen Provinzen mit hohem Energieverbrauch und CO2-Ausstoß unter gewaltigem Druck der Zentralregierung, Emissionsvorgaben erfüllen zu müssen, und rationieren daher die Stromversorgung der Industrie. Doch trotz wachsender Engpässe scheint die Regierung an der „Double-Control-Politik“ festhalten zu wollen, demnach sowohl der Energieverbrauch als auch die Energieintensität reduziert werden sollen. Gleichzeitig treibt der explodierende Kohlepreis immer mehr Kraftwerke in tiefrote Zahlen. Daran dürfte auch die am 12. Oktober 2021 verkündete, aber nach wie vor unzureichende Teilflexibilisierung des Kohlestrompreises für kommerzielle und gewerbliche Nutzer so schnell nichts ändern. Einige Kraftwerke haben ihre Stromproduktion gedrosselt und dürften dies auch weiterhin tun.  

Zielerreichung bei Energieintensität und -verbrauch in verschiedenen chinesischen Provinzen im 1. Halbjahr 2021

Warnstufe

Provinzen

Oberste Warnstufe für Energieintensität

Qinghai, Ningxia, Guangxi, Guangdong, Fujian, Yunnan, Jiangsu, Xinjiang, Shaanxi

Oberste Warnstufe für Energieverbrauch

Qinghai, Ningxia, Guangxi, Guangdong, Fujian, Yunnan, Jiangsu, Hubei

Zielvorgaben für Energieintensität und -verbrauch erreicht

Shanghai, Chongqing, Beijing, Tianjin, Hunan, Shandong, Jilin, Hainan, Hebei, Innere Mongolei

Quelle: Mitteilung der National Development and Reform Commission (NDRC) vom 12.08.21

Unternehmen fordern mehr Planbarkeit

Von Stromrationierung und sogar kompletten Stromausfällen besonders betroffen sind nach Darstellung der EUCCC-Vertreter die wirtschaftlich starken Provinzen Jiangsu, Hubei, Hebei, aber auch die durch Schwerindustrie geprägte Nordostprovinz Liaoning oder das exportorientierte Guangdong. Die Benachrichtigungen würden jeweils kurzfristig, teilweise mitten in der Nacht, häufig mit nur wenigen Stunden Vorlauf vor der nächsten Arbeitsschicht erfolgen. Ausgearbeitete Pläne und damit eine gewisse Planbarkeit für betroffene Firmen waren bislang nur für eine Industriezone in Jiangsu bekannt. „Wir benötigen dringend marktbasierte Lösungsansätze und Planbarkeit“ betonte daher EUCCC-Präsident Jörg Wuttke. Ebenfalls fordert er ein differenzierteres Vorgehen sowohl nach Sektoren als auch nach bereits mehr oder weniger energiesparend wirtschaftenden Unternehmen in den einzelnen Branchen.

Planbarkeit forderte auch Massimo Bagnasco als EUCCC-Vertreter der rund 200 Firmen in Sichuan im Westen Chinas. Noch ist Sichuan von Stromrationierungen nicht betroffen, was vor allem an der Bedeutung der Wasserkraft in der Region liegt. Im 1. Halbjahr 2021 stellte sie knapp 73 Prozent der dortigen Stromproduktion. Auch Betriebe in Shanghai sind bislang von Stromausfällen verschont geblieben. Und am Innovationsstandort Shenzhen sind bislang nur in Ausnahmefällen Stromrationierungen bekannt. Von Lieferengpässen werden die Firmen dort dennoch nicht verschont bleiben. Denn die Lieferketten innerhalb Chinas sind intensiv – vor allem zwischen Shanghai und den umliegenden Provinzen Jiangsu und Zhejiang oder in der Greater Bay Area um Shenzhen.

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