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Wirtschaftsumfeld | China | Industriepolitik

Erfolg bei Lingang-Sonderzone hat seinen Preis

China pumpt Milliarden in Wirtschaftszonen, wie sich am Beispiel der Lingang Special Area zeigt. Mit viel staatlicher Kraftanstrengung entstehen in Shanghai neue Branchencluster. 

Von Corinne Abele | Shanghai

Auch deutsche Unternehmen haben sich in China in speziell geförderten Industrie- und Wirtschaftszonen niedergelassen – die Lingang Special Area in Shanghai zählt zu den modernsten ihrer Art. Erst im August 2019 gegründet, ist sie ausgestattet mit Top-IT-Infrastruktur, einem nahezu vollautomatisierten Hafen mit Freihandelszone und einigen nationalen Forschungslaboren. Den wirtschaftlichen Erfolg der Zone lässt sich Shanghai einiges kosten. Allerdings machen die Null-Covid-Politik, restriktive Reisemöglichkeiten und steigende geopolitische Spannungen Investoren vor Ort zu schaffen.

Stadtnaher Hightechpark

Auf dem fast 120 Quadratkilometer großen Gebiet versucht Shanghai, sich nicht nur als Finanz- und Dienstleistungszentrum, sondern auch als ein wettbewerbsfähiger Standort einer modernen, "grünen", tech-orientierten Industrie zu positionieren. 

Entwicklungsziele der Lingang Special Area für Spitzentechnologien 2021 bis 2025

Bereiche

Zielvorgaben bis 2025

Industrieinvestitionen

33 Milliarden Euro*

Anzahl Fachkräfte in der Chipindustrie, künstlicher Intelligenz und Biomedizin

Vervierfachen

Bruttoindustrieproduktion

36 Milliarden Euro*

Hightech-Unternehmen

1.000 neue Unternehmen

* Umrechnung zum Devisenkurs 2021: 1 EUR = 7,61864 Renminbi Yuan (RMB)Quelle: 14. Fünfjahresplan Lingangs für die Entwicklung von Spitzentechnologien (2021 bis 2025)

Nach drei Jahren Probelauf kann die Zone durchaus Erfolge vermelden. So stieg ihr Beitrag zum industriellen Produktionswert Shanghais von knapp 2,6 Prozent im Jahr 2019 auf 6,6 Prozent im Jahr 2021 und umgerechnet etwa 34 Milliarden Euro. Insgesamt haben sich bis Sommer 2022 64.000 Unternehmen neu registriert. Die Zahl ausländischer Firmen stieg bis Juli 2022 auf 2.600.  

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Tesla als Aushängeschild

International bekannt wurde die Lingang Special Area durch den Bau der ersten Fabrik von Tesla außerhalb der USA. Kurz nach der Aufhebung des Joint-Venture-Zwangs für die Produktion von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb unterschrieb Tesla im Juli 2018 eine Kooperationsvereinbarung mit der Stadtregierung. Die "Gigafabrik" ist ein vollständiges Tochterunternehmen und dürfte 2022 circa 1 Million Tesla-Modelle produzieren – trotz zeitweise stillstehender Bänder während des Lockdowns der Stadt im Frühjahr 2022.

Den Bau finanziert der US-amerikanische Elektroautobauer unter anderem mit Krediten chinesischer Geschäftsbanken; ebenfalls hat sich das Unternehmen als "High and New Technology Enterprise" qualifiziert und erhält damit einen reduzierten Unternehmenssteuersatz von 15 Prozent – wie übrigens viele chinesische und ausländische Firmen in der Zone. Darunter befinden sich ebenfalls einige deutsche.

Auch deutsche Unternehmen vertreten

In unmittelbarer Nähe von Tesla entsteht das weltweit größte Elektronikwerk des ehemals deutschen Kfz-Zulieferers Hella (inzwischen vom französischen Kfz-Zulieferer Faurecia gekauft). Bereits 2006 hat sich Lenze Drive Systems in Lingang niedergelassen; Marohn TKE (zuvor Marohn ThyssenKrupp) produziert dort und Siemens-Gameza baut Flügel und Generatoren für Windkraftanlagen. Ebenfalls in Lingang wurde 2019 das Fraunhofer Project Center for Smart Manufacturing gegründet, eine Kooperation zwischen dem Fraunhofer IPA und der Jiaotong-Universität. Inzwischen arbeiten am Zentrum 20 Personen, doch erst Anfang 2023 sollen auch wieder zwei Kollegen aus Deutschland vor Ort sein.

Die andauernde Null-Covid-Politik, restriktive Geschäftsreisemöglichkeiten (die nun teilweise gelockert werden sollen) und steigende geopolitische Spannungen verringern jedoch Chinas Standortattraktivität. Auch für Chinas Tech-Firmen haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Im August 2022 hat Shanghai daher zusätzlich 23 neue Förderpolitiken für das Gebiet erlassen. Sie konzentrieren sich vor allem auf strategisch wichtige aufstrebende Branchen: High-End-Produktion, Wasserstoffversorgung, Chipherstellung, Biomedizin, Künstliche Intelligenz sowie grenzüberschreitender Datentransfer.

Zudem versucht Lingang seine Rolle zum Austesten aussichtsreicher Technologien und Branchen zu stärken. Aufbauend auf der sehr guten digitalen Infrastruktur können im Rahmen von Pilotprojekten (unter anderem von Baidu) auf 549 Kilometer Straßenlänge autonom fahrende Fahrzeuge getestet werden. Neue Pilotprojekte entstehen im Bereich Wasserstoff.

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Erfolge kommen nicht ohne Preisschild

Bis 2025 soll unter anderem die städtische Schnellzugverbindung Lianggang Express Line zum Flughafen Pudong fertig werden und verschlingt gewaltige Investitionen. Allein für 2021 sah das Budget der Verwaltung der Lingang Special Area umgerechnet rund 2,3 Milliarden Euro für Infrastruktur- und Bauvorhaben vor, darunter allein knapp über 58 Millionen Euro für den Bereich Smart City. 

Tatsächlich sind die haushaltstechnisch ausgewiesenen Beträge nur ein Teil der staatlichen Gesamtausgaben. Auch die Shanghai Lingang Development Group (kurz: Lingang Group) finanziert kräftig mit. An ihr hält die Shanghai State-owned Assets Supervision and Administration Commission (Shanghai SASAC), die über Verkauf oder Zusammenschluss entscheidende Aufsichtsbehörde der Shanghaier Staatsunternehmen, einen Anteil von 74,96 Prozent; die restlichen rund 25 Prozent befinden sich in den Händen von vier Staatsfirmen.

Die Lingang Group, ein typisches Beispiel für die in Chinas Regionen üblichen staatlichen Zweckgesellschaften (sogenannte Special Purpose Vehicles), fördert unter anderem Spezialprojekte und Zukunftsbranchen in der Special Area. So gründete sie im Dezember 2021 die Shanghai Lingang Hydrogen Industrial Development Co. Ltd., um die Integration der Wasserstoff-Wertschöpfungskette sowie deren kommerzielle Anwendungen im Energie-, Transport- und Gebäudesektor voranzutreiben. Ende August 2022 gab Shanghai den Aufbau eines Pipelinenetzes für Wasserstoff sowie den Aufbau einer nationalen Handelsplattform für (grünen) Wasserstoff in der Wirtschaftszone bekannt.

Steuererleichterungen, Fördermaßnahmen und branchen- beziehungsweise projektbezogene Subventionen sind Teil des Gesamtpakets, mit denen China und seine Regionen versuchen, in wichtigen Zukunftsbranchen Industriecluster aufzubauen. Angesichts hoher Steuerausfälle und Ausgaben für Kontrollmaßnahmen und PCR-Tests im Rahmen der Null-Covid-Politik sind die Kassen jedoch vielerorts jedoch leer, die Verschuldung hoch. Shanghai ist keine Ausnahme. Inwieweit sich dies künftig auch auf die Lingang Special Area auswirken wird, bleibt abzuwarten. Sie ist und bleibt ein Vorzeigeprojekt.

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