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Wirtschaftsumfeld | China | Digitale Geschäftspraxis
Ulf Dressler, Leiter des Bereichs Unternehmenskommunikation für Asien beim Spezialchemiekonzern Lanxess, macht Mut für digitale Pionierarbeit.
05.03.2021
Von Corinne Abele | Shanghai
GTAI: Herr Dressler, Lanxess hat als ein Pionier im B2B-Bereich einen eigenen „Lanxess Virtual Day“ für den APAC-Raum auf die Beine gestellt. Wie kam es dazu?
Dressler: Ausgangspunkt war die Absage der für uns wichtigen Industriemesse ChinaPlas im April 2020 in Shanghai. Damals begann sich Chinas Wirtschaft erst zaghaft von den Covid-19-Auswirkungen zu erholen. Wir wollten nicht bis zur nächsten Messe 2021 warten, sondern selbst etwas digital machen. Direkt nach Absage der Messe im Mai haben wir erste Ideen entwickelt; das Event fand dann Mitte September 2020 statt. Innerhalb von ein paar Monaten haben wir alles neu konzipiert – es war das erste seiner Art. Aber genau deshalb wollten wir das Projektmanagement nicht in Agenturhände geben: Gerade am Anfang muss man selbst die Kontrolle behalten. Und schließlich wollen wir auch selbst lernen und unsere eigenen Erfahrungen machen.
GTAI: Aus der ursprünglichen Idee eines virtuellen Messestands wurde schließlich ein viertägiges digitales Event „Lanxess Virtual Day in APAC“ mit technischen Webinaren sowie einem Pressetag. Wie ist dieses Format entstanden?
Dressler: Tatsächlich dachten wir am Anfang hauptsächlich an einen virtuellen Messestand. Den haben wir dann auch mit Hilfe einer Agentur umgesetzt, und er wurde über vier Tage 1.600mal besucht. Einige Kunden haben wir virtuell speziell durch die verschiedenen Angebote des Stands geführt. Aber für die acht Geschäftseinheiten von Lanxess, die sich dann am digitalen Event beteiligten, waren vor allem die technischen Webinare wichtig. Dafür haben wir Inhalte und Redner aus Deutschland, Amerika, China, Japan und ASEAN aufgeboten. Im Mittelpunkt stand immer der direkte Mehrwert - sowohl für Bestands- als auch für potenziell neue Kunden. Am Ende haben wir innerhalb von drei Tagen 56 Webinare in englischer, chinesischer und japanischer Sprache abgehalten.
GTAI: Wie war die Resonanz?
Dressler: Wir hatten für die technischen Webinare über 3.500 Teilnehmer, darunter gut ein Drittel Bestandskunden und etwas über ein Drittel potenzielle Neukunden. Für unsere Produkte ist das ein Super-Ergebnis. Auch der vorgeschaltete Pressetag mit On- und Offline-Events, mit Liveübertragung in chinesischer und englischer Sprache, fand eine gute Resonanz in den Medien.
GTAI: Welche Rolle spielt Werbung für ein derartiges digitales Event?
Dressler: So ein digitales Event muss von allen, besonders von den beteiligten Geschäftseinheiten direkt beworben werden. Wir haben Ihnen die entsprechenden Materialien zur Verfügung gestellt und sie auf ihre Kunden angesetzt. Die Kommunikationsabteilung allein kann nicht alle Leute erreichen.
So ein digitales Event ist keine Messe. Die Teilnehmer kommen nicht automatisch.
Wir haben im Vorfeld Unmengen von Emails verschickt, über LinkedIn Werbung gemacht, unsere in China gehostete Landing Page in WeChat kompatiblem Format aufgesetzt und über unseren Official Account verschickt. Auch mit KOL (Key Opinion Leader) haben wir zusammengearbeitet. Unsere Landing Page verzeichnete allein 15.000 Views, die Event-Agenda wurde 4.000 Mal angeklickt und unsere Broschüren knapp 800 Mal heruntergeladen. Nochmal: Für ein B2B-Unternehmen ist das sensationell.
GTAI: Der „Lanxess Virtual Day“ hat den ganzen APAC-Raum adressiert, mit Schwerpunkten in China, Japan und ASEAN. Bekanntlich steckt der Teufel im Detail, häufig im technischen Detail. Was gilt es zu beachten?
Dressler: Uns war vor allem wichtig, es nicht zu komplex zu machen und den Zugang für alle Teilnehmer sicherzustellen. So muss zum Beispiel der Registriervorgang einfach und schnell sein – ohne zu viele Kundendaten abzufragen. Sonst registrieren sich die Leute nicht.
Die technischen Lösungen müssen regional kompatibel sein oder angepasst werden.
Auch sind regional unterschiedliche und jeweils passende technische Lösungen gefragt; ein modularer Ansatz bietet sich an. Für unsere Kunden im ganzen APAC-Raum haben wir Webex-Events eingesetzt. In China kann man jedoch die App beispielsweise auf den neuen Huawei-Mobiltelefonen nicht herunterladen. Daher prüfen wir gerade Alternativen wie die deutsche Webinar- und Meeting-Software Edudip.
GTAI: Der „Virtual Day“ war das erste digitale Projekt dieser Art von Lanxess. Was würden Sie wieder so machen - und was ganz anders?
Dressler: Grundsätzlich sind wir den richtigen Weg gegangen. Aber zeitweise drei Webinare parallel mit jeweils 45 Minuten und 15 Minuten Pause abzuhalten – das ist zu eng, für Teilnehmer und Teilnehmerinnen wie für den Organisator. Da darf keiner krank werden. Künftig werden wir mehr Zeit dazwischen einplanen.
Potenzielle Fehler antizipieren – und so vermeiden
Gleichzeitig muss die eingesetzte Technik bewährt sein und schlank bleiben, sonst wird es schnell zu komplex. Die Webinare sind ja Live-Events. Wenn die Technik zusammenbricht, warten alle. Obwohl wir uns durch Covid-19 seit einem Jahr virtuell bewegen, ist der Umgang mit den digitalen Tools noch lange keine Selbstverständlichkeit. Alle Vortragenden im Unternehmen müssen vorab geschult und gebrieft werden. Gleichzeitig ist für einen fehlerfreien Ablauf die interne Abstimmung zwischen den beteiligten Geschäftsbereichen sowie IT und Unternehmenskommunikation grundlegend.
Für mich war das bislang eines meiner intensivsten Projekte – und das, obwohl ich in Quarantäne saß. Mein Team hat das super gemacht. Wir haben gelernt, dass wir so ein Event inhouse mit gängigen Webinar- und Event-Lösungen stemmen können; nur den virtuellen Messestand haben wir bei einer Agentur in Auftrag gegeben. Derzeit planen wir ähnliche Veranstaltungen auch in Europa und weiteren Regionen.
GTAI: Herr Dressler, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Corinne Abele, Germany Trade & Invest Shanghai.