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Wirtschaftsumfeld | China | Lieferketten

Stromknappheit in China verschärft globale Lieferengpässe

Zunächst fehlten Vorprodukte und Container, nun wird auch noch Strom knapp. Einkaufsbüros brauchen viel Geduld. Möglicherweise liegt höhere Gewalt vor.

Von Roland Rohde | Hongkong

Im September 2021 kam es aufgrund von Kohleknappheit und der härteren Durchsetzung von Emissionsvorgaben zu umfangreichen Stromrationierungen. Rund die Hälfte aller chinesischen Provinzen war davon betroffen. Bilder von ins Dunkel gehüllten Straßen kursierten im Internet. Während private Haushalte noch weitgehend verschont blieben, wurde das verarbeitende Gewerbe hart getroffen. 

Laut einer Umfrage der Deutsche Auslandshandelskammer AHK China sind zum Stand Ende September immer mehr Provinzen betroffen. Die Stromknappheiten hätten teilweise erhebliche Auswirkungen auf vor Ort produzierende deutsche Unternehmen. Während einige mehrere Stunden ohne Strom blieben, mussten andere bereits ihre Produktion für mehrere Tage drosseln.

China hatte im Frühjahr und Sommer 2021 viele Kohlegruben schließen lassen. Zugleich hatte man den Kohleimport aus Australien verboten. Damit sollte "Down Under" für sein unbotmäßiges Verhalten bestraft werden. Schließlich ist China nun selbst mit den negativen Folgen konfrontiert. Der Energieträger Kohle hatte 2020 einen Anteil von 57 Prozent am chinesischen Gesamtenergieverbrauch.

Die Schließung von Bergwerken und das Importverbot für australische Kohle verschlimmern die Lage am Strommarkt.

Strompreise in Guangdong steigen um 25 Prozent

In Guangdong, der Exportprovinz Chinas, berichteten Fabriken von zeitweisen Stromrationierungen an bis zu sechs Tagen in der Woche. So etwas hatte es seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gegeben. Die Provinzregierung erhöhte daraufhin zum 1. Oktober 2021 die Elektrizitätspreise (zu Spitzenzeiten) für den gewerblichen Sektor um 25 Prozent. Es wird erwartet, dass andere Regionen nachziehen.

Ganz neu ist das Phänomen in Südchina aber nicht. Viele Firmen kennen es von früher und verfügen über Dieselgeneratoren. Doch das ist eine teure und umweltbelastende Alternative, die sich zudem nur für Mittelständler anbietet. Energieintensive Großbetriebe müssen direkt mit den Behörden verhandeln. Sie bekommen aktuell die Vorgaben, ihre Produktion herunterzufahren. Kolportiert werden Reduktionen um 30 Prozent bis zum Jahresende. Eine rasche Besserung zeichnet sich damit nicht ab.

Die Stromknappheit dürfte mindestens bis Ende 2021 anhalten.

Es gibt anscheinend kein Einlenken von Behördenseiten, da diese wiederum die Emissionsziele einhalten müssen. Das Primat der Wirtschaftspolitik gilt in China nicht mehr. Ebenso ist es ungewiss, ob das Importverbot für australische Kohle aufgehoben wird. Wohl aber bemüht man sich, neue Lieferanten zu gewinnen.

Produzenten müssen teils Aufträge ablehnen

Für ausländische Sourcing-Büros kommt die Situation einer mittleren Katastrophe gleich. Sie berichten, dass es bei den ohnehin schon bestehenden Lieferengpässen nochmals eine deutliche Verschlechterung gegeben habe. Selbst langjährige Partner, mit denen man bislang vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, vertrösten demnach zunehmend Anfragen. Die chinesischen Produzenten wiederum sollen inzwischen sogar Aufträge ablehnen.

Zu den Lieferverzögerungen gesellt sich infolge der seit längerem geschlossenen Grenzen das Problem der Warenqualitätskontrolle. Darunter leiden vor allem mittelständische Einkäufer, die kein Personal vor Ort haben. Sie müssen entsprechende Expertise einkaufen. Doch Testunternehmen wie die verschiedenen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) können sich vor Aufträgen kaum retten. Auch hier gibt es wenig Hoffnung auf baldige Abhilfe. Vor Mitte 2022 sind keine großen Reiseerleichterungen zu erwarten.

Zumindest in ihrem Ausmaß sind die Stromrationierungen außergewöhnlich und unvorhersehbar.

Außerdem bleibt die Frage, inwieweit die Stromrationierungen unter rechtlichen Gesichtspunkten als "Force majeure" zu betrachten sind. Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig beantworten. Wohl sind sie in ihrem Ausmaß außergewöhnlich und unvorhersehbar. Wichtig ist auch, ob im Liefervertrag der Terminus "Höhere Gewalt" näher definiert wurde.

Lieferkettenproblematik in China zum Stand Anfang Oktober 2021 im Überblick

Problem

Ursache 

Dauer*)

Knappheit an Vorprodukten

Unternehmen füllen ihre Lager gleichzeitig auf bzw. bauen Notreserven aus (starker prozyklischer Effekt)

Bis ins Jahr 2022 hinein. Zum Teil (Halbleiter) bis 2023

Knappheit an Kohle

Schließung von unfallträchtigen Bergwerken; Importverbot für australische Kohle; Drosselung lokaler Kohleproduktion

Bis mindestens Ende 2021

Stromrationierungen

Regierung setzt Emissionsziele durch; Knappheit an und steigende Preise von Kohle; hohe Auslastung und damit hoher Strombedarf der Fabriken 

Bis mindestens Ende 2021

Transportstörungen

Generell: Mangel an Leercontainern; Lokal: Schließung von Transportinfrastruktur wegen Covid-19

Bis Mitte 2022

Unternehmen lehnen Aufträge ab

Zu viele zusätzliche Aufträge, da Fabriken in Südostasien still stehen; Cashflow-Probleme; eingeschränkte Transportkapazitäten

Bis mindestens Ende 2021

Keine Warenqualitätskontrolle vor Ort möglich

Schließung der Grenzen infolge der Null-Covid-Politik; Dienstleister für die Qualitätskontrolle sind voll ausgebucht

Bis mindestens Mitte 2022

Vertragswidrige Lieferverzögerung oder Nichtlieferung

"Höhere Gewalt" in Form von unvorhersehbaren und außergewöhnlichen Covid-19-Lockdowns und Stromrationierungen

Bei nicht-gütlicher Einigung langer Rechtsstreit möglich

*) ungefähre SchätzungQuelle: Presse- und Unternehmensberichte (zusammengestellt von Germany Trade & Invest)

Zwar verlagern Unternehmen bereits seit rund zehn Jahren Fertigungsschritte von China nach Südostasien. Trotzdem bleibt die Volksrepublik in sehr vielen Güterkategorien der mit Abstand größte Hersteller und Exporteur der Welt. Im Zuge der Coronapandemie konnte das Reich der Mitte seine Vormachtstellung sogar ausbauen. So fehlen seit Ende 2020 die entsprechenden Transportkapazitäten. Außerdem sind die Frachtraten geradezu explodiert. Sie sind laut Logistikexperten um den Faktor vier bis fünf gestiegen und lagen im Herbst 2021 im fünfstelligen US-Dollar-Bereich.

Auch in Südostasien gibt es Lieferprobleme

Zudem grassierte in vielen Ländern Südostasiens 2021 - immer noch oder schon wieder - das SARS-CoV-2-Virus. In Vietnam etwa führten neue Ausbrüche im Herbst zur Stilllegung vieler Textilfabriken. Anbieter wie Nike oder Adidas, die im großen Stil in dem südostasiatischen Land einkaufen beziehungsweise im Auftrag produzieren lassen, fürchten bereits ernsthaft um das Weihnachtsgeschäft. Und die Lieferengpässe Vietnams könnten zum Jahresende noch zunehmen.

Da Süd- und Südostasien als Lieferant teils ausfiel, bestellten die Einkaufsbüros mehr Waren in China.

In China herrscht jedoch in Sachen Corona seit dem Sommer 2020 weitgehend Normalität. Daher orderten die internationalen Sourcing-Büros mehr Waren in der Volksrepublik. Das Exportgeschäft boomt seit Ende 2020 geradezu. Produktionsstörungen gab es kaum noch. Lediglich im Sommer 2021 machte die zeit- und teilweise Sperrung von Containerhäfen und Airports infolge lokaler Covid-19-Ausbrüche den Logistikern das Leben schwer.

Doch nun kämpfen immer mehr chinesische Firmen mit Problemen bei der Beschaffung von Rohstoffen, Vorprodukten und Kapitalgütern. So gibt es Lieferengpässe bei Kunststoffen, Metallen, Holz oder Halbleitern. Wie ein in der südlichen Provinz Guangdong produzierendes Getränkeunternehmen im Herbst 2021 berichtete, fehlt sogar CO₂ zur Herstellung von Sprudel.

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