Wirtschaftsumfeld | China | Klimawandel
Unternehmen sollen Emissionen offenlegen
Bei Environmental Social Governance (ESG) sollen Börsenunternehmen vorangehen. Doch ihre Transparenz lässt zu wünschen übrig. Das hat Folgen für die Wirksamkeit von Green Finance.
08.11.2021
Von Corinne Abele | Shanghai
Gemäß neuer Vorschriften des Börsenregulierungskomittees vom Juni 2021 sollen börsennotierte Unternehmen in ihren Halbjahres- und Jahresberichten Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Berichtszeitraum aufzeigen. Die Vorschriften bleiben Experten zufolge allerdings weit unter internationalem Standard.
Ebenfalls ist die Einhaltung der neuen Vorschriften für die meisten Unternehmen freiwilliger Natur. Lediglich an der Börse notierte „wichtige umweltbelastende Unternehmen“ – sogenannte „key polluting enterprises“ müssen das Gesamtvolumen ihrer emittierten Gase (mit genauer Bezeichnung der Gase), die Installation und den Betrieb von Anlagen zur Emissionsvermeidung sowie die im Berichtszeitraum aufgrund verletzter Umweltschutzauflagen verhängten Verwaltungssanktionen offenlegen, wie China.table berichtete.
Führende chinesische Unternehmen haben seit Präsident Xi Jinpings Ankündigung, bis 2060 Klimaneutralität anzustreben, eigene CO2-Ziele verkündet. Doch der Druck auf die Unternehmen ist bislang nur langsam gestiegenen. Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit die Ziele umgesetzt werden können. Zeitlich ähneln sie denen ihrer internationalen Konkurrenten. So wollen sowohl BASF als auch der große staatliche chinesische Chemieriese Sinopec bis 2050 Karbonneutralität erreichen.
Unternehmen | Installierte Kohlekraftwerksleistung (in Gigawatt) 6) | Anteil an CO2-Emissionen Chinas (in %) | Ziele zur Emissionsreduktion |
---|---|---|---|
China Energy Investment Corporation 2) | 141 5) | 14 5) | Höchststand bis 2025 (in auf Kohle basierten Industriezweigen); Neutralität bis 2055 (in auf Kohle basierten Industriezweigen) |
China Huadian Group 2) 3) | 86 5) | 8 5) | Höchststand bis 2025 |
China Datong Group 2) 3) | 83 5) | 8 5) | Erreichung des Höchststandes vor 2030 |
China Baowu Iron and Steel Group 2) 3) | 96 | 10 | Höchststand bis 2023; 30% Reduzierung bis 2035; Neutralität bis 2050 |
Henan Iron and Steel Group 4) | 47 | 5 | Höchststand bis 2022; ≥ 10% Reduzierung bis 2025; ≥ 30% Reduzierung bis 2030; Neutralität bis 2050 |
Ansteel Group 2) | 39 | 4 | Höchststand bis 2025; 30% Reduzierung bis 2035 |
China Petrochemical Corp. (Sinopec) 2) 3) | k.A. | k.A. | Höchststand bis 2030; Neutralität bis 2050 |
China National Petroleum Corp. (CNPC) 2) 3) | k.A. | k.A. | Höchststand bis 2025; Neutralität bis 2050 |
Wanhua Chemical 2) 3) | k.A. | k.A. | 20% Verringerung der Intensität der CO2-Emissionen bis 2025 |
Umweltdaten der Unternehmen weisen Lücken auf
Experten zufolge verlangen die neuen Vorschriften nicht die genaue Angabe der CO2-Emissionen, sondern lediglich von emittierten Schwefeldioxid- und Stickoxidgasen, Ruß sowie flüchtigen organischen Verbindungen. Diese dienen als Grundlage für die Kategorisierung als „wichtiges umweltverschmutzendes Unternehmen“, die durch das Umweltministerium erfolgt.
Erfassung, Regulierung und Handel von CO2-Emissionen wiederum unterstanden der staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission NDRC. Erst seit 2017 gingen sie schrittweise auf das Umweltministerium über. Dies könnte eine Erklärung sein, warum die verbindliche Erfassung von CO2-Emissionen bislang nicht stattfindet. Nur für den Energiesektor ist sie als Grundlage des zum Juli 2021 gestarteten Emissionshandelssystems ETS vorgeschrieben.
Sicherlich hat die Coronakrise und die dadurch verursachte Konjunkturabschwächung die stringente Umsetzung umweltrelevanten Berichtpflichten verschoben. Ursprünglich sollten sie bereits 2020 für alle börsennotierten Unternehmen gelten. Außerdem kam es im Herbst 2021 zu Stromknappheiten und steigenden, flexibleren Energiepreisen.
Generell weisen die Umweltdaten chinesischer Unternehmen bislang große Unschärfen auf; auch die freiwillig abgegebenen Berichte über die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialkriterien sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung, sogenannte Environmental-Social-Governance(ESG)-Berichte, erreichen bei weitem nicht die Qualität der von anderen internationalen Börsen geforderten Berichte. Insgesamt gaben laut einem Bericht der South China Morning Post im Juni 2021 nur etwa 27 Prozent aller an Chinas Börsen notierten Unternehmen 2020 überhaupt ESG-Berichte ab.
Green Finance in China bislang wenig wirkungsvoll
Vor dem Hintergrund mangelnder und mangelhafter Umweltdaten der Unternehmen verwundert es wenig, dass nach Einschätzung von Analysten Green-Finance-Instrumente bislang kaum eine Steuerungswirkung auf die CO2-Emissionen Chinas hatten. Bislang kennen viele chinesische Unternehmen weder die eigenen noch die CO2-Emissionen ihrer Zulieferer. Der Weg hin zu wirkungsvollen grünen Finanzierungsinstrumenten ist noch weit.
Trotz einer Abnahme herausgegebener grüner Anleihen von rund 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr soll China laut CCDC Research hinter den USA und vor Deutschland auch 2020 der zweitgrößte Markt für grüne Anleihen geblieben sein. Allerdings entspricht rund die Hälfte der ausgegebenen Anleihen nicht den von der Climate Bonds Initiative (CBI) an derartige Anleihen gestellten Ansprüche. Inzwischen sollen in neun Pilotregionen in China verschiedene Instrumente umweltfreundlicher Finanzierung ausprobiert werden. So fokussiert sich beispielsweise Huzhou auf die Einführung eines Karbonintensitätsindikators, der Green Financing auch für kleinere Firmen eröffnen soll.
Fehlende Verknüpfung mit internationalem Emissionshandel
Die Einführung des ETS-Emissionshandels und grünen Finanzierungsinstrumenten zeigen Chinas Willen hier voranzukommen. Doch noch handelt es sich nicht um wirkungsvolle Lenkungsinstrumente. Denn die Grundlagen einer sauberen Erfassung von CO2-Emissionen fehlen noch in weiten Teilen. Die Ausweitung des ETS-Systems auf weitere energieintensive und umweltverschmutzende Industriebranchen – als nächstes sollen die Chemie- sowie die Stahlbranche folgen – ist geplant. Tatsächlich greifen dürfte das ETS erst, wenn Unternehmen wie Behörden ihre Hausaufgaben gemacht haben. Ansonsten dürfte der Preis für CO2-Emissionen weiterhin deutlich unter dem Preisniveau des europäischen ETS bleiben.
Angesichts der Unterschiede ist eine Verknüpfung des chinesischen ETS mit anderen internationalen Emissionshandelssystemen nach Einschätzung von Experten auf absehbare Zeit kaum möglich. Dennoch nähert sich China in bewährter Manier diesem Thema in Form von Pilotprojekten an. So plant die Greater Bay Area um Guangzhou, Shenzhen und Hongkong einen einheitlichen grenzüberschreitenden Karbonemissionshandel in der Region zu etablieren. Hainan wiederum hat Ambitionen, im Rahmen seines Freihandelshafens internationale ETS-Märkte mit dem heimischen zu verbinden.