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Wirtschaftsumfeld | China | China-EU-Investitionsabkommen
Das Investitionsabkommen der EU und China erfüllt zwar nicht alle Wünsche, in ihm werden aber erstmals einige Forderungen der Europäer auf internationaler Ebene kodifiziert.
10.02.2021
Von Stefanie Schmitt | Beijing
Nach siebenjährigen Verhandlungen wurde am 30. Dezember 2020 das von der Wirtschaft lang erwartete Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und China - das EU-China Comprehensive Agreement on Investment (CAI) - abgeschlossen. Aus Sicht der EU soll es für europäische Unternehmen zu einem besseren Marktzugang in China und zu gerechteren Wettbewerbsbedingungen führen. Darüber hinaus verpflichte sich China zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards. Umgekehrt erwartet chinesische Unternehmen ein (noch) leichterer Zugang zum EU-Markt, etwa im Bereich erneuerbarer Energien und für chinesische Elektroautos.
Selbst wenn das CAI kein Freihandelsabkommen darstellt (also etwa nicht den Abbau von Zöllen beinhaltet), soll das Abkommen zunächst zu mehr Balance im Außenhandel führen. Beispielsweise kauft die EU fast doppelt so viele Waren aus China, als sie dorthin liefert.
Bei Investitionen liegt das europäische Interesse vor allem auf ähnlich freiem Marktzugang nach China wie umgekehrt in die EU. Die Liste der Hürden für ausländische Unternehmen in China ist lang und reicht von prohibitiven Markteintrittsbeschränkungen oder Joint-Venture-Zwang in manchen Branchen in China über den mangelnden Schutz geistigen Eigentums, die Benachteiligung gegenüber staatlichen Unternehmen und im öffentlichen Beschaffungswesen bis hin zu erzwungenem Technologietransfer.
Die Erwartungen an ein Investitionsabkommen, hier Abhilfe zu schaffen, waren also hoch und in nicht allen Feldern - etwa mit Blick auf die Subventionierung chinesischer Staatsunternehmen - realistisch. Immerhin will China seine Subventionspraxis unter dem Abkommen transparenter machen, doch um eine Reduzierung oder gar Beseitigung einigte man sich in dem Abkommen nicht.
Nun sollen europäische Unternehmen also zum Beispiel erleichterten Marktzugang bei Hybrid- und Elektroautos haben, bei IT-Diensten wie Clouds, im Finanz- und im Gesundheitssektor. So soll künftig in ausgewählten Städten das Betreiben von Kliniken ohne lokalem Joint-Venture-Partner möglich werden.
Sparte | Inhalt der Vereinbarung |
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Verarbeitendes Gewerbe allgemein | China ist umfassende Verpflichtungen mit nur sehr wenigen Beschränkungen eingegangen. Etwa die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen der EU entfällt auf das verarbeitende Gewerbe, zum Beispiel Verkehrsmittel und Telekommunikationsgeräte, Chemikalien, Gesundheitstechnik. Derart weitreichende Marktzugangsverpflichtungen ist China gegenüber keinem anderen Partner eingegangen. |
Automobilbranche | China hat sich bereit erklärt, Joint-Venture-Auflagen abzuschaffen und auslaufen zu lassen. China wird sich zum Marktzugang für alternativ angetriebene Fahrzeuge verpflichten. |
Sparte | Inhalt der Vereinbarung |
Finanzdienstleistungen | China beginnt mit der schrittweisen Liberalisierung der Finanzdienstleistungsbranche, wird diese Öffnung für Investoren aus der EU gewähren und sich verpflichten, diese beizubehalten. Joint-Venture-Auflagen und Obergrenzen für ausländische Beteiligungen für das Bankwesen, den Handel mit Wertpapieren und Versicherungen (einschließlich Rückversicherungen) sowie für die Vermögensverwaltung wurden abgeschafft. |
Gesundheitswesen (private Krankenhäuser) | Den Markt wird China weiter öffnen, indem es Joint-Venture-Auflagen für private Krankenhäuser in wichtigen chinesischen Städten wie Peking, Shanghai, Tianjin, Guangzhou und Shenzhen aufhebt. |
Telekommunikation/Cloud-Dienste | China hat zugestimmt, das Investitionsverbot für Cloud-Dienste aufzuheben. Diese stehen EU-Investoren nun offen, für die Beteiligungen gilt aber eine Obergrenze von 50 Prozent. |
IT-Dienstleistungen | China hat zugestimmt, den Marktzugang für IT-Dienstleistungen zuzulassen – eine deutliche Verbesserung gegenüber der derzeitigen Situation. Darüber hinaus wird China eine Technologieneutralitätsklausel aufnehmen, die gewährleisten würde, dass Obergrenzen für Beteiligungen, die für Telekommunikationsdienstleistungen mit Mehrwert gelten, nicht auf andere online angebotene Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen, Logistik, Medizin usw. angewandt werden. |
Internationaler Seeverkehr | China wird Investitionen in einschlägige landseitige Hilfstätigkeiten zulassen und es EU-Unternehmen so ermöglichen, uneingeschränkt in Frachtumschlag, Containerdepots und -stellplätze, Seeverkehrsagenturen usw. zu investieren. Dadurch wird es EU-Unternehmen möglich, umfassende multimodale und durchgehende Verkehrsdienstleistungen zu organisieren, einschließlich der inländischen Teilstrecke des internationalen Seeverkehrs. |
Dienstleistungen im Bereich des Luftverkehrs: | Das umfassende Investitionsabkommen befasst sich zwar nicht mit Verkehrsrechten, da sie Gegenstand gesonderter Luftverkehrsabkommen sind, doch wird sich China in den Schlüsselbereichen computergesteuerte Buchungssysteme, Bodenabfertigung sowie Verkaufs- und Vermarktungsdienstleistungen öffnen. China hat auch seine Mindestkapitalanforderung für Miet-/Leasingdienstleistungen für Luftfahrzeuge ohne Besatzung aufgehoben, was über das GATS hinausgeht. |
Dienstleistungen für Unternehmen | China wird Joint-Venture-Auflagen in den Bereichen Immobiliendienstleistungen, Miet- und Leasingdienstleistungen, Reparatur und Wartung für Verkehr, Werbung, Marktforschung, Managementberatung und Übersetzungsdienstleistungen usw. abschaffen. |
Umweltdienstleistungen | China wird Joint-Venture-Auflagen im Bereich Umweltdienstleistungen wie Abwasser, Lärmminderung, Entsorgung fester Abfälle, Abgasreinigung, Natur- und Landschaftsschutz, Sanitärversorgung und andere Umweltdienstleistungen aufheben. |
Bau | China wird die Projektbeschränkungen, die derzeit in seinen GATS-Verpflichtungen vorgesehen sind, aufheben. |
Sparte | Inhalt der Vereinbarung |
Forschung und Entwicklung (biologische Ressourcen) | China hat sich bisher nicht für ausländische Investitionen in biologische Ressourcen im Forschungs- und Entwicklungsbereich geöffnet. Das Land hat sich bereit erklärt, keine neuen Beschränkungen einzuführen und bei einer möglichen künftigen Aufhebung der derzeitigen Beschränkungen in diesem Bereich der EU Zugang zu gewähren. |
Beschäftigte von EU-Investoren | Führungs- und Fachkräfte aus EU-Unternehmen dürfen bis zu drei Jahre - ohne Einschränkungen wie Arbeitsmarktprüfungen oder -quoten - in chinesischen Tochterunternehmen arbeiten. Vertreter von EU-Investoren können vor einer Investition zu Besuchszwecken frei einreisen. |
Viele der angekündigten Öffnungsschritte sind jedoch nicht neu. Die Liberalisierung des Finanzsektors oder die schrittweise Aufhebung des Joint-Venture-Zwangs im Automobilbau beispielsweise hatte China bereits eingeleitet. Trotzdem gilt es als positiv, dass China sich im CAI erstmals international verpflichtet, diese Öffnungsschritte umzusetzen. Dies schaffe mehr Rechtssicherheit.
Angesichts des bisher bekannten Textes (der genaue Wortlaut muss noch von beiden Seiten ausgearbeitet und juristisch überprüft werden) sind die Reaktionen aus Wirtschaft und Verbänden allerdings nur verhalten positiv. Kritikern fehlen etwa ein Zeitplan für die Umsetzung der gemachten Zusagen und auch die Möglichkeiten, diese einzuklagen.
Manch einer erinnert sich an die Euphorie um Chinas Beitritt in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001. Bis heute ist die Enttäuschung über die schleppende oder fehlende Umsetzung der WTO-Regelungen spürbar. So ist China nach wie vor nicht Mitglied des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA), was 2001 für „so bald wie möglich“ zugesagt wurde.
Darüber hinaus wurden existenzielle Punkte wie der freie Datenfluss komplett ausgeklammert. So blieb das neue chinesische Cybersecurity-Law ausgespart, welches den Transfer von Daten ins Ausland verbietet beziehungsweise stark reglementiert. Gleiches gilt für öffentliche Beschaffung und Investitionsschutz.
Dagegen betonen Befürworter, dass zum Thema Standards ein wichtiger Schritt getan werden konnte. Europäische Firmen erhielten mehr Zugang zur chinesischen Normungsbildung und damit bessere Möglichkeiten, bei deren Gestaltung mitzuwirken. Dies wäre nicht nur in China selbst, sondern mittlerweile zunehmend in Drittstaaten von großer Relevanz.
Umstritten sind die Auswirkungen auf Umwelt- und Sozialstandards. „Mit diesem Abkommen geht China zum ersten Mal eine auf Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung gestützte, wertebasierte Investitionsbeziehung ein. So verpflichtet sich China, keine Arbeits- und Umweltschutzstandards zu senken, seine internationalen Verpflichtungen einzuhalten und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu fördern. Außerdem will China das Pariser Klimaschutzabkommen sowie von ihm ratifizierte Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) wirksam umzusetzen und an der Ratifizierung der IAO-Übereinkommen zur Zwangsarbeit arbeiten“, schreibt die Bundesregierung.
Nicht nur der politische Think Tank Merics analysiert dies als "nur vage". Damit könnte der Bereich der Sozialstandards zu einer der Klippen werden, an denen ein Scheitern des Abkommens im Zuge der erforderlichen Annahme und Ratifizierung durch das EU-Parlament möglich ist. Denn gerade in Menschrechtsfragen klaffen die Ansichten der Politiker in Beijing und vielen EU-Parlamentariern weit auseinander.
Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur VR China im Europaparlament, meint, die EU setze zu stark auf das Prinzip Hoffnung. Letztlich bleibt das Investitionsabkommen aber ein Konstrukt der Realpolitik. „Selbst wenn noch Jahre verhandelt worden wäre, mehr war einfach nicht drin“, heißt es. Doch sind die Verhandlungen damit nicht zu Ende: beide Seiten vereinbarten, die Verhandlungen über den Investitionsschutz und über die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten innerhalb von zwei Jahren nach Unterzeichnung des Abkommens abzuschließen.