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Wirtschaftsumfeld | Costa Rica | Standortanalyse

Costa Rica ragt heraus

Grünes Image, gute Bildung, hohe Standards: Damit wirbt Costa Rica erfolgreich um ausländische Investoren. Was deutsche Unternehmen über das Land wissen sollten.

Von Sofia Hempel | Bonn

Um die über 200-Millionen-US-Dollar teure Ansiedlung eines deutschen Unternehmens haben sich mehrere Länder Lateinamerikas bemüht. Der Zuschlag ging an ein kleines Land in Mittelamerika: Costa Rica. Die Rede ist von Bayer und dem Bau seiner bislang größten Produktionsstätte für Langzeitverhütungsmittel. Diese entsteht gerade in der Sondersteuerzone Coyol nahe der costa-ricanischen Hauptstadt San José und soll 2024 in Betrieb gehen.

Warum Bayer wieder in Costa Rica investiert

Bayer ist in dem mittelamerikanischen Land seit 40 Jahren aktiv und betreibt drei Werke sowie ein Servicecenter. Dass der Chemiekonzern erneut dort investiert, liegt in erster Linie an dem guten Fachkräfteangebot, verrät Marcela Chacón Castro, Leiterin der Abteilung öffentliche Angelegenheiten, Wissenschaft und Nachhaltigkeit: "Das Bildungsniveau in Costa Rica ist höher als in anderen Ländern der Region." 

Auch Nachhaltigkeit war ein entscheidender Standortfaktor. "Seit über 60 Jahren setzt das Land öffentliche Maßnahmen für den Schutz des Klimas und der Umwelt um", so die Bayer-Sprecherin. Zwar würden manche Genehmigungsprozesse deshalb länger dauern. Unternehmen könnten in Costa Rica ihrer Verantwortung aber dafür besser gerecht werden als anderswo auf der Welt. 

Nicht zuletzt haben die Rahmenbedingungen für wissensintensive Branchen den Konzern überzeugt: "In Costa Rica gibt es einen entwickelten Hub für Biowissenschaften und Firmen aus verschiedenen Disziplinen, mit denen wir zusammenarbeiten können, darunter aus den Bereichen Digitale Technologien, Künstliche Intelligenz und Cloud-Computing."

"Costa Rica hat eine sehr strenge Umweltpolitik. Manche Genehmigungsprozesse können deshalb kompliziert und lang sein." – Marcela Chacón Castro, Bayer

Bester Standort für Greenfield-Investitionen

Die jüngste Bayer-Investition reiht sich in insgesamt 103 Projekte ein, die die nationale Investitionsförderagentur CINDE im Jahr 2021 verzeichnete. Während andernorts ausländische Direktinvestitionen wegen der Coronapandemie eingebrochen sind, feierte CINDE das zweite Rekordjahr in Folge. Besonders auffällig: Fast jedes dritte Vorhaben ist eine Neuansiedlung.

Kein anderes Land schafft es, mehr Neuinvestitionen ins Land zu holen. Beim Greenfield Performance Index 2021 des Magazins fDi Intelligence belegt Costa Rica den ersten Platz unter 84 untersuchten Ländern. Der Index setzt Investitionen ins Verhältnis zur Wirtschaftsgröße und hat bei Costa Rica ergeben, dass es elfmal mehr Investitionen angezogen hat als man es von einer Volkswirtschaft dieser Größe erwarten würde.

Was Costa Rica besonders macht
  • Fachkräfte: In Costa Rica gibt es ein Gesetz zur dualen Ausbildung, was einzigartig in der Region ist.


  • Life-Science-Cluster: Medizintechnik ist wichtigstes Exportprodukt des LandesÜber 70 multinationale Unternehmen forschen und produzieren in Costa Rica. Ferner besitzt das Land ein gut entwickeltes Cluster für Biowissenschaften. 


  • Sozialstaat: Die Bevölkerung hat Zugang zu öffentlicher Gesundheitsversorgung, sozialer Absicherung und kostenloser Bildung. Costa Rica gehört zu den stabilsten Demokratien in der Region. Die Menschen zählen laut World Happiness Report zu den glücklichsten in Lateinamerika.


  • Ambitionierte Umweltpolitik: Bis spätestens 2050 will Costa Rica klimaneutral werden. Bereits heute produziert das Land seinen Strom fast vollständig aus regenerativen Quellen. Um Emissionen im Verkehr und der Landwirtschaft zu senken, setzt Costa Rica auch auf grünen Wasserstoff.


  • Logistik: Für Import-  und Exportgeschäfte ist der neu gebaute Containerhafen Moín der wichtigste Hafen in Zentralamerika, da er der einzige Tiefseehafen der Karibik ist. 

Insbesondere Unternehmen aus der Life-Science-Branche zieht es nach Costa Rica. Über 70 multinationale Konzerne forschen und produzieren laut CINDE in dem mittelamerikanischen Land, darunter einige deutsche Hersteller wie Freudenberg, Admedes und Heraeus. Die meisten lassen sich in Sondersteuerzonen nieder. Die größte des Landes ist Coyol, gefolgt von La Lima. Dort und in den 15 anderen Freizonen profitieren Unternehmen von steuerlichen Vorteilen, wenn sie für den Export fertigen. Ferner haben Investitionen in spezialisierte Shared-Service-Center stark zugelegt. Konzerne wie Bayer, Evonik, Microsoft und Bacardi wickeln über Costa Rica Teile ihrer unternehmensinternen Dienstleistungen ab, beispielsweise Buchhaltung, Finanzen oder den technischen Support.

Duale Ausbildung eingeführt

Das geht nur mit entsprechend gut ausgebildetem Personal. Und Bildung wird in Costa Rica großgeschrieben: Im Jahr 2019 gab der Staat 6,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die primäre, sekundäre und tertiäre Ausbildung seiner Bevölkerung aus (Deutschland zum Vergleich: 3,7 Prozent). Nur Norwegen investierte unter den OECD-Mitgliedsstaaten noch mehr, so die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 

Auf dem Arbeitsmarkt merken Unternehmen das beispielweise an den guten Fremdsprachenkenntnissen. "Costa Rica hat die höchste Anzahl an zweisprachigen Arbeitnehmenden in ganz Lateinamerika", erklärt Dr. Christian Schauer, Geschäftsführer der Deutsch-Costaricanischen Industrie- und Handelskammer (AHK). Deshalb könnten Firmen von dort aus nicht nur in Lateinamerika tätig werden, sondern weltweit.

"Costa Rica hat außerdem 2019/2020 als erstes mittelamerikanisches Land ein Gesetz zur dualen Ausbildung verabschiedet. Soweit ich weiß, ist es sogar das erste Land in ganz Lateinamerika", so der AHK-Chef. Die Investitionsförderagentur CINDE unterstützt Unternehmen dabei, angehende Mitarbeitende auszubilden. "Wenn ein Betrieb beispielsweise in eineinhalb Jahren mit der Produktion starten möchte, organisiert CINDE gemeinsam mit staatlichen Bildungseinrichtungen entsprechende Kurse."

Lieferkettengesetz macht Nachhaltigkeit zum wichtigen Thema

Costa Rica bietet mit hohen sozialen und ökologischen Standards ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Seit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes 2021 kommen deutsche Unternehmen an diesem Thema nicht mehr vorbei. "Wer in Costa Rica produzieren will, kann sicher sein, dass die Rechtsprechung Deutschlands und der Europäischen Union zur unternehmerischen Verantwortung eingehalten wird", so der AHK-Geschäftsführer. 

Das hat seinen Preis, denn die hohen arbeits- und sozialrechtlichen Standards machen Costa Rica zu einem vergleichsweise teuren Standort. "Arbeitskosten und Verwaltungsaufwand sind vergleichbar mit denen in Europa. Wer denkt, hier sei alles locker und günstig, liegt falsch", erläutert Dr. Schauer. Unternehmen sollten wegen der strengen Umweltpolitik zudem den Aufwand für Genehmigungen nicht unterschätzen.

Unterstützung bei der Ansiedlung

Die wichtigsten Anlaufstellen für deutsche Unternehmen sind die Deutsch-Costaricanische Industrie- und Handelskammer (AHK), die Deutsche Botschaft und die Investitionsförderagentur CINDE. Tipp: Die Schwesterorganisation von CINDE, Procomer, hilft Firmen, neue Märkte von Costa Rica aus zu erschließen.

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