Branchen | Dänemark | Medizintechnik
Marktentwicklungen und -trends
Eine Wiederbesinnung auf lokale Kapazitäten wird für neue Nachfrage sorgen. Insgesamt bleibt sich das dänische Gesundheitssystem in der Effizienzmaximierung aber treu.
24.01.2022
Von Michał Woźniak | Stockholm
Mit laut Eurostat über 31 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben platzierte sich Dänemark 2019 nur im Mittelfeld der Europäischen Union (EU). Wird allerdings die Einwohnerzahl berücksichtigt, gab außer Luxemburg kein anderes Land so viel für das Wohlergehen seiner Bürger aus. Aus öffentlichen Mitteln werden über 83 Prozent der Kosten gedeckt, weitere 14 Prozent kommen direkt aus den Portemonnaies der Einwohner (out-of-pocket expenses). Die verbliebenen drei Prozent werden von privaten Krankenversicherungen übernommen. Das Interesse an privaten Krankenversicherungsangeboten nimmt zwar stätig zu - zwischen 2010 und 2019 wuchsen die entsprechenden Ausgaben mit 84 Prozent mehr als dreieinhalbmal so schnell, wie die Gesundheitsausgaben insgesamt - spielt aber weiterhin nur eine untergeordnete Rolle.
Ähnlich gestalten sich laut Eurostat auch die Eigentümerverhältnisse bei Gesundheitseinrichtungen. Zwar wurde demnach 2019 etwa jedes 16 Krankenhausbett von privaten Akteuren gestellt. Kommerzielle Anbieter verfügten aber nur über 315 der knapp 15.100 Krankenhausbetten. Entsprechend sind es auch die öffentlichen Stellen, die die Entwicklung der Nachfrage nach Medizintechnik am stärksten beeinträchtigen.
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2020 in Mio.) | 5,8 |
Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.) | 0,3 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2020) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 15,1 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 20,1 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2020 in Jahren) | 81,5 |
Durchschnittseinkommen (monatlich; brutto in Euro; 2020) | 3.955 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2020 in Euro) | 5.121 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019 in %) | 8,3 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2018) | 419 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2018) | 72 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2019) | 261 |
Innovativ, aber nicht immer modern
Gemäß der politischen Zielsetzung, die auf Effizienz und Vorsorge ausgerichtet ist, investieren sie frühzeitig in moderne Technik. Entsprechend zählt Dänemark im europäischen Vergleich zu den Spitzenreitern bei Diagnosetechnik: Ob Computertomografie, PET-Scanner, Gammakameras oder Geräte zur Strahlentherapie - pro Kopf ist kein oder kaum ein anderes Land besser ausgestattet. Allerdings kam der Early Adopter bisher nur bedingt mit der Erneuerung der Lösungen nach, womit sich hier ein potenzieller Markt eröffnet.
Ein Teil des Nachholbedarfs wird oder wurde bereits durch die Konzentration auf Großkrankenhäuser abgedeckt. Dem Effizienzzwang Rechnung tragend investierte das Land in Regionale Großeinrichtungen mit hohen dreistelligen Bettenzahlen, die als eine Art Gesundheitshubs dienen und den Bedarf großflächig abdecken sollten. Während die Arbeiten an bis zu 1 Milliarde Euro teuren Vorhaben, wie dem Universitätskrankenhaus in Odense, einer ähnlichen Einrichtung in Köge oder des Krankenhauses Nordseeland, noch andauern, vollzog die Regierung Ende 2021 eine Strategiewende.
Gesundheitsdienste gehen in die Gemeinden
Im Rahmen des Plans "Näher dran II" (Tættere på II – sundhed, uddannelse og lokal udvikling), der zum landesweiten Chancenausgleich und der Steigerung der Attraktivität kleinerer Gemeinden beitragen soll, ist der Bau von bis zu 20 lokaler Krankenhäuser, die Ergänzung des Einsatzfahrzeugparks um bis zu 10 neue Autos sowie eine Erweiterung des Netzes an Hausarztpraxen geplant. Gesundheitsminister Magnus Heunicke umreißt die Ziele folgendermaßen: "In den letzten 20 Jahren hat sich das dänische Gesundheitssystem auf unsere großen Krankenhäuser konzentriert. Jetzt gilt es, den lokalen Gesundheitsdienst zu stärken, damit mehr Menschen im Alltag von Gesundheitsdiensten profitieren können und alle Dänen einen regulären Arzt bekommen sowie im Bedarfsfall auf schnelle Hilfe zählen können".
Projekt | Investitionssumme | Anmerkung |
---|---|---|
Modernisierung Notfallkrankenhaus Nyköbing Falster, Neubau beinhaltet neue Operationsräume und CT-Scanner | 90,4 | geplante Fertigstellung 2028 |
Neue Krankenhausapotheke und Wäscherei, Universitätskrankenhaus Aarhus | 67,3 | Baustart Mai 2021; geplante Fertigstellung 2023; Bauunternehmen: Hoffmann AS |
Steno Diabetes Center, Universitätskrankenhaus Köge | k.A. | Das Unternehmen C.C. Contractor AS hat im Juli 2021 den Bauauftrag erhalten; geplante Fertigstellung 2023; Ingenieur: Sweco |
Neuer Behandlungsbau, Regionalkrankenhaus Nordjütland Hjörring | 35,6 | Geplante Fertigstellung 2026 |
Gesundheitszentrum, Nyborg | 10,2 | Angebote mussten bis 21.10.2021 eingereicht werden; Auswahl läuft |
Medizintechnische Ausrüstung für die frühzeitige Aufspürung von kritischen Krankheiten (TOKS), Aarhus | k.A. | Angebote mussten bis 15.10.2021 eingereicht werden; Auswahl läuft |
Die Regionen müssen sich um die Projekte bewerben. Für die lokalen Krankenhäuser wurden bereits 13 Standorte vorgegeben. Wie umfangreich ihr Dienstleistungsangebot ausfallen wird, soll Anfang 2022 festgelegt werden. Allerdings zielt die Regierung eher auf einen Basisumfang, der die Bedürfnisse chronisch Kranker beziehungsweise einfache Blut- und Bilddiagnose abdecken soll. In der zweiten Jahreshälfte 2022 sollen die genauen Antragskriterien bekanntgegeben werden. Über die Zuteilung der etwa 540 Millionen Euro für Neubauten, Modernisierungsarbeiten, technische Ausstattung und IT-Investitionen soll spätestens Anfang 2023 entschieden werden.
Corona begünstigt neues Denken, nicht unbedingt neue Ausgaben
Die neuen "kleinen Krankenhäuser" werden sicherlich auch in Sondersituationen helfen können. Trotz der hohen Gesundheitsausgaben verfolgt Dänemark - wie seine skandinavischen Nachbarn - nämlich eher die Politik hoher Effizienz bei kleinen Kapazitäten. Traditionell ist die Auslastung in der Grippesaison sehr hoch, im Sommer wesentlich geringer. Die Pandemie und der damit verbundene Streik der Krankenpflegefachkräfte, der zur Kündigung eines tariflichen Überstundenabkommens führte, hat die Lage zusätzlich verschärft.
Experten weisen allerdings darauf hin, dass ein Kapazitätsausbau teuer, in Normalsituationen aber der täglichen Leistungsqualität kaum zutragend wäre. Die Aufschiebung nicht akuter Eingriffe sei im Einzelfall ein Ärgernis, systematisch aber kaum ein Problem. "Wenn wir uns die aufgeschobenen Operationen aus früheren Pandemiewellen ansehen stellt sich heraus, dass das Gesundheitssystem tatsächlich in der Lage ist, den Rückstand aufzuholen", unterstrich Kjeld Møller Pedersen, Professor für Gesundheitsökonomie und -politik an der Universität von Süddänemark, im Gespräch mit der Tageszeitung Berlingske.
Professor Jakob Kjellberg vom Dänischen Zentrum für Sozialwissenschaftliche Forschung VIVE sieht ferner andere Möglichkeiten, die Auslastungshochs zu umschiffen: "Wir haben bereits ein unglaublich flexibles Gesundheitssystem. Aber wir müssen uns überlegen, ob es nicht noch flexibler werden kann". Ihm nach sollten bestimmte Aufgaben nur im Sommer ausgeführt werden, damit in Krisensituationen wie dem Grippehoch im Winter "alle Mann an Deck" sein können. "Dann kann es durchaus Sinn ergeben, mehr Geld auszugeben", fügt er hinzu.
Bessere Koordination und mehr Mittel
Die Regierung dürfte eine Mischung aus besserer Planung und mehr Geld implementieren. Im Sinne des erstgenannten sollen 2022 Gesundheitscluster geschaffen werden. An jedem der landesweit 21 Notfallkrankenhäuser angesiedelt, sollen die aus Politik-, Kommunenvertretern und Gesundheitspersonal zusammengesetzten Strukturen für einheitlichere Prozesse und Qualität in der Gesundheitsvorsorge sorgen. Die über ihnen angesiedelten Gesundheitskooperationskomitees - eines in jeder der fünf dänischen Regionen - sollen deren Arbeit koordinieren und Zielrichtungen für die jeweilige Region setzen.
Seit Anfang 2020 hat die Regierung bereits mehrere Tranchen an Zusatzmitteln für die regionale Gesundheitsvorsorge zur Verfügung gestellt. Zuletzt wurden im Dezember 2021 über 130 Millionen Euro bewilligt, die für "zeitlich begrenzte Maßnahmen während der Wintermonate im Krankenhauswesen verwendet werden sollen, die dazu beitragen können, die Tätigkeit in der Zukunft zu stärken und zu unterstützen, das Gesundheitspersonal zu halten und das Krankenhaussystem zu erhalten". Die Regionen haben bereits im Sommer des Vorjahres neue Schwerpunkte gesetzt. Demnach sollen die Bereiche Rehabilitation und chronische Krankheiten, die Vorsorge bei lebensbedrohlichen Krankheiten, wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie eine größere Aufmerksamkeit auf die Lebensqualität, einschließlich des psychischen Wohlergehens und die Langzeitfolgen eine COVID-19-Erkrankung, stärker in den Fokus rücken.