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Branchenbericht EU Gesundheitswesen

EU-Gesundheitspolitik erklärt: Akteure, Agenturen, Programme

Robert Gampfer ist Gesundheitsexperte bei der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland. Im Gespräch erläutert er die Grundzüge der aktuellen EU-Gesundheitspolitik.

Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

Herr Gampfer, wie ist die EU-Gesundheitspolitik institutionell aufgestellt?

Es gibt auf der einen Seite die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides aus Zypern und auf der anderen Seite die Generaldirektion Gesundheit (DG SANTE). Das eine ist die politische Ebene, das andere die technische Ebene. Die DG SANTE macht nicht nur Gesundheitspolitik im engeren Sinn, sondern kümmert sich auch um die Themen Ernährungssicherheit, Tiergesundheit und das Ernährungssystem insgesamt.

Erfolgt dort auch die operationelle Umsetzung der Programme?

In der Tat hat die EU eine neue Exekutivagentur gegründet, um das aktuelle EU-Gesundheitsprogramm EU4Health umzusetzen: das ist die HaDEA, die Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales. Sie verwaltet die Fördermittel, setzt die Gesundheitsstrategie praktisch um und überwacht, dass die Gelder vernünftig ausgegeben werden. Die Website der HaDEA bietet Unternehmen einen sehr guten Überblick über aktuelle Programme, Förderaufrufe und Veranstaltungen.

Was bedeutet EU4Health?

Im Kern ist EU4Health der Teil im EU-Haushalt, der konkret und direkt für Gesundheitspolitik vorgesehen ist. Das aktuelle EU4Health-Programm ist deutlich besser ausgestattet als die drei vorherigen Programme, gleichwohl das Budget im Vergleich zu anderen Budgetposten immer noch nicht groß ist. Anders als bei den Vorgängerprogrammen gibt es eine größere thematische Unterfütterung. Die Coronakrise hatte darauf einen deutlichen Einfluss.

Was sind denn die wichtigsten inhaltlichen Ziele von EU4Health?

Gesundheitspolitik ist eine nationalstaatliche Kompetenz. Als Gegenbeispiel ist etwa die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik eine sogenannte geteilte Kompetenz. Deswegen kann die Kommission in diesem Bereich viel weitreichendere Gesetzesvorschläge machen, wie das auch mit dem Green Deal erfolgt ist. Bei EU4Health konzentrieren wir uns darauf, wie man bei akuten Gesundheitskrisen grenzüberschreitende Gegenmaßnahmen in der ganzen EU koordiniert. Weitere Schwerpunkte sind die Krebsbekämpfung, Antibiotikaresistenzen und die Zulassung von Arzneimitteln auf europäischer Ebene.

Können exportorientierte Unternehmen direkt von den EU4Health-Mitteln profitieren?

Forschungsprojekte werden über das Programm Horizon Europe unterstützt. Dahin fließen auch Gelder aus dem EU4Health-Topf. Forschungskonsortien können sich dafür bewerben, an denen ja häufig privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind. Zum größten Teil gehen die EU4Heath-Mittel in die Mitgliedsstaaten, um dort die staatlichen Gesundheitsdienste zu fördern. Das Ziel ist, die Gesundheitssysteme stabiler und zuverlässiger zu machen. Die Mitgliedsstaaten können daraus nationale Ausschreibungen oder privatwirtschaftliche Förderinstrumente ableiten. Das hat den Effekt, dass nationale Gesundheitssysteme mehr investieren, auch in Qualität und Innovation. Dadurch kann sich die Nachfrage nach Medizintechnik, Arzneimitteln und Therapeutika verbessern.

Gilt das auch für die Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF)?

Auch dadurch wird es zu einer Belebung der Nachfrage kommen. Die ARF-Mittel stocken die wesentlich größeren Regionalfördertöpfe auf. Ziel ist es, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen der EU herzustellen. Und dazu gehört auch das Ziel, die Gesundheitsinfrastruktur gerade in ländlichen Bereichen auszubauen. Durch die ARF-Mittel wird sich in den kommenden Jahren die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen verstärken, die dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Was bezweckt die EU mit der Gründung der neuen EU-Agentur HERA?

HERA steht für Health Emergency Preparedness and Response Authority. Das soll die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen werden. Es sollen etwa strategische Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufgebaut werden. Die EU soll nicht wieder einige Monate benötigen, um eine Impfstoffproduktion hochzufahren. Es geht auch darum, frühzeitig Informationen und Daten auszutauschen, wenn eine ähnliche Pandemiesituation wieder eintritt.

Gibt es weitere Meilensteine in der EU-Gesundheitspolitik, die wir im Blick behalten sollten?

Die Gründung von HERA ist definitiv ein wichtiger Schritt. Bis 2027 sollen HERA immerhin sechs Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Damit kann einiges erreicht werden. Außerdem gilt es die Umsetzung der Arzneimittelstrategie zu beobachten, die im Herbst 2020 veröffentlicht wurde. Dazu gehören auch die allgemeinen Arzneimittelvorschriften. Insgesamt bleibt es vor allem interessant, wie die Mitgliedsstaaten über die gesamte Förderperiode die doch recht üppigen Mittel konkret einsetzen.

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