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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsumfeld | EU | Konnektivität
Ansätze für mehr Konnektivität zwischen Europa und Asien gibt es viele. Damit sich daraus Geschäftschancen für Unternehmen ergeben, müssen sie konkreter ausgestaltet werden.
18.01.2021
Von Martin Walter | Bonn
Am 15. November 2020 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von 13 asiatischen Ländern sowie von Australien und Neuseeland medienwirksam den Vertrag zur weltweit größten Freihandelszone der Welt (Regional Comprehensive Economic Partnership – RCEP). Sie umfasst rund ein Drittel der Weltbevölkerung, der Weltwirtschaftsleistung und des Welthandels.
Damit wird der asiatisch-pazifische Raum noch wichtiger für die Geschäfte und Investitionen deutscher und europäischer Unternehmen. Ein sicherer Zugang zu diesen Märkten ist deshalb auch vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise durch Corona und deren Überwindung von enormer Bedeutung. Als strategischen Ansatz verabschiedete die Europäische Union (EU) schon im September 2018 ihre EU-Asien Konnektivitätsstrategie.
Konnektivität ist ein sehr umfassender und vager Begriff. Eine einheitliche Definition gibt es noch nicht. Für die einen ist er ähnlich wie Globalisierung, für andere ist er gleichbedeutend mit regionaler Integration oder wird einfach nur als Transportinfrastruktur verstanden. Daher wird das europäische Papier auch eher als Versuch gewertet, den „European way to connectivity“ als nachhaltigen, umfassenden und regelbasierten Ansatz zu beschreiben.
Die EU-Definition von Konnektivität hat ihre Wurzeln in der Arbeit der Asien-Europa-Treffen (ASEM). Es handelt sich dabei um eine informelle Plattform für Dialog und Zusammenarbeit zwischen Asien und Europa, welcher 52 Länder sowie die EU und der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) angehören. Für die zuständige ASEM Pathfinder Group for Connectivity (APGC) soll der Begriff alle drei ASEM-Säulen (Sicherheit, Wirtschaft, Soziales/Kultur) sowie "harte Konnektivität" (Infrastrukturprojekte) und auch "weiche Konnektivität" (people-to-people oder digitale Konnektivität) abdecken. Das gilt für alle Land-, See-, Luft-, Cyber- und Bildungsverbindungen sowie für Zollzusammenarbeit und Handelserleichterungen.
Ferner wurde die EU-Strategie auch als Reaktion auf die neue Seidenstraße gesehen, welche China als Belt and Road Initiative (BRI) seit 2013 vorantreibt. Die BRI ist nicht nur auf Europa ausgerichtet, sondern investiert auch auf anderen Kontinenten. In Afrika beispielsweise werden darüber Flughäfen, Eisenbahnlinien, Pipelines und Häfen gebaut. Über 100 Staaten sollen schon am Seidenstraßenprojekt beteiligt sein.
Eine Koordinierung der EU-Asien Konnektivitätsstrategie mit der chinesischen BRI gibt es nicht. Beide Seiten betonen zwar die Wichtigkeit einer interregionalen Konnektivität für mehr Wachstum und Wohlstand, sind sich aber nicht sicher, ob sie sich dabei als Partner oder als Konkurrenten betrachten.
Die EU-Asien Konnektivitätsstrategie sieht den Ausbau von Verkehrsverbindungen, Energie- und Digitalnetzen sowie Verbindungen zwischen Menschen vor. Darüber hinaus sollen Konnektivitätspartnerschaften mit Ländern und Organisationen in Asien geschlossen und eine nachhaltige Finanzierung gefördert werden. Die Strategie erkennt eine erhebliche Investitionslücke im Bereich Konnektivität an. Pro Jahr werden schätzungsweise 1,3 Billionen Euro für Infrastrukturinvestitionen in Asien benötigt. Daher soll die Zusammenarbeit mit privaten Investoren und multilateralen Entwicklungsbanken wie beispielsweise der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) gestärkt werden. Für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) hat die EU Maßnahmen vorgeschlagen, die über den Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung plus (EFSD+) für mehr Investitionen in Konnektivität außerhalb Europas sorgen sollen.
Neben der EU-Asien Konnektivitätsstrategie hat die EU bilaterale Freihandelsabkommen (FTAs) mit Südkorea, Singapur, Vietnam und Japan geschlossen. Laufende Verhandlungen gibt es mit Indien, Indonesien, Malaysia, den Philippinen und Thailand. Ferner existiert seit 2019 eine bilaterale Konnektivitätspartnerschaft mit Japan.
Bereits seit 2015 gib es eine EU-China Connectivity Plattform, die jedoch wenig konkrete Projekte vorzuweisen hat. Durch die zunehmende Aushöhlung der internationalen Handelsordnung und protektionistische Maßnahmen gibt es auch gegenläufige Tendenzen der Abschottung. Das wird zunehmend bei der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zur Sicherstellung der technologischen Souveränität verschiedener Wirtschaftsräume sichtbar.
Ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Asien war Ende 2020 die Grundsatzvereinbarung eines Investitionsabkommens der EU mit China. „Der Wert des EU-China-Abkommens über Investitionen zeigt sich erst in der Umsetzung“, merkt Rolf Langhammer, Außenhandelsexperte am Institut für Weltwirtschaft, an. Ziel des Abkommens ist es, einen beiderseitigen und garantierten Marktzugang festzuschreiben. Dazu müssen in China und der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten. Deshalb sind beispielweise die Individualrechte von Arbeitnehmern und die Absage an Zwangsarbeit für die EU bei dem Abkommen mit China wichtige Aspekte. China hat sich verpflichtet, in diesem Bereich Anstrengungen zu unternehmen. Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, muss es noch vom EU-Parlament ratifiziert werden.
Durch einen verbesserten Marktzugang zum asiatischen Wirtschaftsraum und durch mehr Investitionen in Konnektivität bieten sich Geschäftschancen. Um diese auch zu nutzen, muss der europäische Ansatz zu Konnektivität jedoch strategischer ausgestaltet und besser mit anderen Initiativen verzahnt werden.
Unternehmen könnten dann durch die gezielte Förderung von Investitionen den Weg in Nischenmärkte finden, in denen die EU einen komparativen Vorteil hat. Dazu gehören beispielsweise grüne Technologie, Telemedizin, Automatisierung sowie Bildungsmobilität und digitaler Handel.