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Rechtsbericht | Finnland | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Neben einer Vielzahl arbeitsrechtlicher Gesetze gelten in Finnland auch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen sowie individuelle Arbeitsverträge als Rechtsgrundlage. 

Von Anna-Kaisa Wilhelm (AHK Finnland) | Helsinki

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick

Vergütung: Grundsätzlich freie Vereinbarungen möglich; in den meisten Branchen allerdings tarifvertraglich Mindestlöhne vorgesehen.

Mindestlohn: Mindestlöhne setzen sich zusammen aus mehreren Faktoren, die an Kriterien wie Art der Tätigkeit, Qualifikation und Erfahrung des Arbeitnehmers und dergleichen anknüpfen.

Arbeitsstunden pro Woche: Gemäß Arbeitszeitgesetz regelmäßig höchstens 40 Stunden. Oft ist tarifvertraglich eine Arbeitszeitverkürzung auf 36 bis 37 Stunden vereinbart. Die Arbeitszeitverkürzung wird in der Regel umgesetzt, indem Arbeitnehmern bei einer 40-Stunden-Woche zusätzlich 12,5 freie Tage pro Jahr (finnisch: pekkaspäivät) gewährt werden.

Zulässige Überstunden: Gemäß dem finnischen Arbeitszeitgesetz darf die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers einschließlich Mehr- und Überstunden über einen Zeitraum von vier Monaten durchschnittlich 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten. Im Tarifvertrag ist jedoch vereinbart, die Ausgleichsperiode auf sechs Monate zu verlängern. Aus technischen oder organisatorischen Gründen kann die Ausgleichsperiode auf maximal 12 Monate verlängert werden. Überstunden sind mit einem Zuschlag auszugleichen, der für die ersten zwei Überstunden 50 Prozent des Stundenlohns beträgt, für jede weitere Stunde 100 Prozent.

Gesetzliche Feiertage/freie Werktage: Feiertage sind Neujahr (1.1.), der Dreikönigstag (6.1.), Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai, Christi Himmelfahrt, Mittsommer (immer ein Samstag um den 21.6.), Allerheiligen (erster Samstag im November), der Unabhängigkeitstag (6.12.) und Weihnachten (25./26.12.); gemäß den Tarifverträgen beziehungsweise betrieblicher Praxis sind in der Regel Heiligabend und der Freitag vor Mittsommer ebenfalls frei.

Bezahlte Urlaubstage: Am Anfang des Arbeitsverhältnisses werden in der Regel zwei Tage Urlaubsanspruch pro Monat erworben, danach 2,5 Tage. Zu beachten ist, dass der Urlaub im Voraus gesammelt werden muss, was dazu führt, dass Arbeitnehmer im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses weniger, im Extremfall gar keinen Urlaub haben. Werktage sind alle Wochentage außer Sonntag. Der volle gesetzliche Urlaubsanspruch von 30 Tagen entspricht daher fünf Wochen Urlaub.

Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Als eine zusätzliche Leistung wird in Finnland vielen Arbeitnehmern sogenanntes Urlaubsgeld gezahlt. Die Zahlung beruht in der Regel auf einer freiwilligen Entscheidung des Arbeitgebers, einer individualvertraglichen Vereinbarung oder einer tarifvertraglichen Regelung. Insbesondere im Falle einer jahrelangen Gewährung des Urlaubsgeldes kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Zahlung des Urlaubsgeldes erwachsen. Falls der Arbeitsvertrag keinem Tarifvertrag unterliegt und keine diesbezügliche Vereinbarung getroffen worden ist, ist der Arbeitgeber zur Zahlung eines Urlaubsgeldes nicht verpflichtet. Das Urlaubsgeld beträgt in der Regel, wenn es gezahlt wird, 50 % vom Jahresurlaubsentgelt.   

Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Erkrankt ein unter 10 Jahre altes Kind des Mitarbeiters oder ein regelmäßig in seinem Haushalt lebendes Kind bis zu diesem Alter, und sind beide Elternteile berufstätig, hat der Mitarbeiter das Recht zur Pflege des Kindes pro Krankheitsfall für einen Zeitraum von höchstens vier Arbeitstagen. Der Arbeitgeber ist nicht zu der Gehaltsfortzahlung verpflichtet. Normalerweise wird es jedoch so in den Tarifverträgen definiert.
Die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall ist in der Regel tarifvertraglich geregelt. Dadurch gibt es eine längere Gehaltsfortzahlungspflicht als gesetzlich. Die Dauer (von zwei bis acht Wochen) hängt normalerweise von ununterbrochener Firmenzugehörigkeit ab. Den gesetzlichen Bestimmungen zufolge hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall bis zum Ende des neunten Arbeitstages nach dem Tag der Erkrankung.
Jahrestage von Arbeitnehmern und Anlässe im Zusammenhang mit Familie und nahen Verwandten können tarifvertraglich als bezahlte freie Tage geregelt werden.

Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Sofern das Arbeitsverhältnis mindestens einen Monat besteht, ist der Arbeitgeber während der ersten zehn Tage zur Lohnfortzahlung in voller Höhe verpflichtet. Danach übernimmt die Sozialversicherung die Lohnfortzahlung. Tarifvertraglich ist in aller Regel eine längere Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber vorgesehen.

Probezeit: Maximal sechs Monate; bei befristeten Arbeitsverträgen jedoch höchstens die Hälfte der Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Quelle: Deutsch-Finnische Handelskammer (AHK Finnland)

Rechtsgrundlagen

Grundlage des finnischen Arbeitsrechts sind eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Gesetze, die teilweise der Umsetzung von EU-Richtlinien dienen. Daneben treten in der Praxis äußerst relevante tarifvertragliche Regelungen sowie Entscheidungen der Arbeitsgerichte. Die verschiedenen Vorschriften aus Gesetzen und Tarifnormen zielen - wie stets im Arbeitsrecht - darauf ab, für Arbeitnehmer ungünstige individuelle vertragliche Regelungen einzugrenzen.

In der Hierarchie nimmt das Gesetz mit seinen stellenweise zwingenden Bestimmungen den höchsten Stellenwert ein, gefolgt (in dieser Reihenfolge) von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und schließlich dem individuellen Arbeitsvertrag.

Neben Tarifabkommen, die nur für die Mitglieder des jeweiligen Arbeitgeberverbandes beziehungsweise der Gewerkschaft gelten, gibt es in Finnland eine Vielzahl von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Über die Allgemeinverbindlichkeit entscheidet ein staatlicher Ausschuss. Ist ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden, ist er unabhängig davon verbindlich, ob Arbeitgeber beziehungsweise Arbeitnehmer in Kollektivverbänden organisiert sind. Solche Tarifverträge gelten in weiten Teilen auch für nach Finnland entsandte Arbeitnehmer.

Individualarbeitsrechtliche Streitfälle werden vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen. Das Arbeitsgericht ist grundsätzlich nur für kollektivarbeitsrechtliche Fragen zuständig; entsprechend können dort nur Tarifparteien klagen.

Vertragsabschluss 

Ein finnischer Arbeitsvertrag regelt prinzipiell die gleichen Fragestellungen wie ein Arbeitsvertrag in Deutschland und dient der Festlegung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien (Arbeitsleistung, Entgelt, Arbeitszeit und Ähnliches). Die meisten Verträge werden schriftlich abgeschlossen, mündliche Vereinbarungen oder solche per E-Mail sind aber ebenso möglich. Der Arbeitgeber ist allerdings in jedem Fall verpflichtet, verschiedene Angaben wie zum Beispiel die vereinbarten Arbeitsinhalte, Namen und Adresse des Arbeitgebers, Art der Anstellung sowie die Arbeitszeit in schriftlicher Form mitzuteilen.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Für den Arbeitnehmer besteht die zentrale Hauptpflicht in der Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung und für den Arbeitgeber in der Zahlung der vereinbarten Vergütung. Die Vergütung ist entweder im Vertrag festgelegt oder ergibt sich aus einem Tarifvertrag.

Vertragsbeendigung 

Grundsätzlich ist eine einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsvertrages zwischen den Vertragsparteien jederzeit möglich. Im Falle von Kündigungen müssen detaillierte gesetzliche Vorschriften beachtet werden. Kündigt der Arbeitgeber, müssen betriebs- oder personenbedingte Gründe vorliegen. Die Fristen sind meistens vertraglich oder tariflich geregelt und haben dann Vorrang vor gesetzlich geregelten Fristen. Maximal kann eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vereinbart werden. Die Laufzeit der Fristen beginnt meistens ab dem tatsächlichen Eingabedatum und nur selten zu Monats- oder Quartalsende.

Gesetzlich vorgeschriebene Fristen sind je nach Betriebszugehörigkeit gestaffelt und reichen für den Arbeitgeber von zwei Wochen bis zu sechs Monaten. Der Arbeitnehmer kann seinen Vertrag laut Gesetz in den ersten fünf Jahren der Betriebszugehörigkeit mit zweiwöchiger, danach mit einmonatiger Frist kündigen.

Betriebsbedingte Kündigungen sind an Bedingungen gebunden. Hierzu gehört der Nachweis durch den Arbeitgeber, dass die Menge der Arbeit erheblich und dauerhaft zurückgegangen ist. Außerdem ist Voraussetzung, dass der Arbeitgeber alternative Arbeitsplätze im gleichen Unternehmen oder interne Umschulungen erwogen und angeboten hat. Der Kündigungsschutz ist nicht an die Größe eines Unternehmens gebunden. Abfindungsregelungen bei betriebsbedingten Kündigungen sind nicht gesetzlich institutionalisiert.

Auch Kündigungen, die formellen Vorschriften nicht genügen oder für die es keinen Kündigungsgrund gibt, beenden das Arbeitsverhältnis in Finnland auf wirksame Weise. Eine Klage des gekündigten Arbeitnehmers kann daher nicht auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich auf Entschädigung zielen. Die Höhe der Entschädigung liegt bei rechtswidrigen Kündigungen in der Regel zwischen drei und 24 Monatsgehältern.

Werden befristete Verträge abgeschlossen, so bedarf die Befristung stets eines sachlichen Grundes. Ist ein solcher nicht gegeben, ist die Befristung unwirksam und das Arbeitsverhältnis gilt als nicht befristet. Die Anzahl aufeinanderfolgender Befristungen ist grundsätzlich - anders als in Deutschland - nicht beschränkt, doch wird es für den Arbeitgeber schwieriger, einen sachlichen Grund darzulegen, je mehr Befristungen nacheinander vereinbart werden. Nicht selten kommt es bei Sachverhalten dieser Art zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Sonstige Regelungen

Dem Arbeitsschutz wird ein hoher Stellenwert eingeräumt. In diesem Zusammenhang ist die Einhaltung der diesbezüglichen arbeitsrechtlichen Regelungen regelmäßig Gegenstand stichprobenartiger Kontrollen. Gelegentlich überprüfen die Behörden die Urlaubskarteien oder die Arbeitszeitbuchhaltung auf ihre Richtigkeit - zum Beispiel, ob Überstunden korrekt festgehalten und abgegolten werden.

Urlaubstage werden auf Monatsbasis berechnet. In dem Fall, dass das Arbeitsverhältnis am Ende der "Urlaubsammelperiode" (31.3. eines jeden Jahres) weniger als ein Jahr bestanden hat, erwirbt der Arbeitnehmer einen Anspruch auf zwei Tage Urlaub für jeden Beschäftigungsmonat. Ist das Arbeitsverhältnis am Ende der "Urlaubsammelperiode" mindestens ein Jahr alt, erwirbt er 2,5 Urlaubstage pro Monat. Diese Urlaubstage müssen vorher gesammelt werden. Das Konzept der "Urlaubssaison" sieht vor, dass mindestens 24 Tage des Urlaubs im Sommer zwischen Anfang Mai und Ende September genommen werden müssen, wenn individuell nichts anderes vereinbart worden ist.

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