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Wirtschaftsumfeld | Frankreich | Krieg in der Ukraine

Frankreich spürt die Folgen des Ukrainekrieges

Frankreich ist weniger abhängig von Gaslieferungen oder Zulieferungen aus Russland und der Ukraine als Deutschland. Aber viele Unternehmen haben erheblich in Russland investiert.

Von Peter Buerstedde | Paris

Der Kriegsausbruch in der Ukraine hat die guten Aussichten für Frankreichs Wirtschaft 2022 stark gedämpft. Ging die Regierung zu Jahresbeginn 2022 noch von einem realen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Höhe von rund 4 Prozent aus, so erwartet sie Mitte März 2022 ein um 0,75 bis 1 Prozentpunkt schwächeres Wachstum.

Die Banque de France hat nun Mitte März zwei Szenarien für das weitere Wirtschaftswachstum vorgestellt: eine Basisvorhersage mit einem Wachstum von 3,4 Prozent und eine schlechtere Variante mit 2,8 Prozent aufgrund höherer Inflation und eines höheren Ölpreises.

Prognosen der Zentralbank zur Wirtschaftsentwicklung

2022

2023

2024

Basisszenario

  Bruttoinlandsprodukt (reale Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

3,4

2,0

1,4

  Verbraucherpreisinflation (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

3,7

1,9

1,7

  Ölpreis (Sorte Brent; in US-Dollar)

93

82

77

Eingetrübtes Szenario

  Bruttoinlandsprodukt (reale Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

2,8

1,3

1,1

  Verbraucherpreisinflation (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

4,4

3,3

1,5

  Ölpreis (Sorte Brent; in US-Dollar)

119

125

125

Szenarien für die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes und damit verbundene Annahmen der Banque de FranceQuelle: Banque de France 2022

Vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine entwickelte sich die französische Wirtschaft mit 7 Prozent realem Wirtschaftswachstum in 2021 und den positiven Aussichten für 2022 sehr kräftig. Die Lieferengpässe in der Industrie hatten sich Anfang 2022 etwas gelegt, jüngere Covid-Wellen führten nicht mehr zu einer Belastung der Krankenhäuser, Einschränkungen wurden aufgehoben und das Verbrauchervertrauen war groß.

Zudem hatte die Regierung schon Ende September 2021 auf höhere Energiepreise mit einer Gas- und Strompreisgarantie reagiert. Damit wurden die Gaspreise für Haushalte eingefroren und die Steigerung der Strompreise 2022 auf 4 Prozent begrenzt. Hinzu kamen ein Energiescheck von 100 Euro für 5,8 Millionen ärmere Haushalte und ein Inflationsscheck von 100 Euro für 38 Millionen Haushalte.

Gasstopp könnte Wirtschaft stark belasten

Käme es nun zu einem Lieferstopp für Gas aus Russland, könnte dies das Wachstum deutlich schwächen. Allerdings ist Frankreich über Handels- und Energieströme weniger stark mit Russland und der Ukraine verflochten als Deutschland. Etwa 20 Prozent der französischen Gasimporte kamen 2020 aus Russland, bei deutschen Gasimporten waren es 49 Prozent. Zudem spielte Erdgas 2020 bei der Stromerzeugung in Frankreich mit nur 7 Prozent eine kleine Rolle. In Deutschland gingen rund 13 Prozent der Elektrizität 2021 auf Erdgas zurück.

Dennoch sind die Preissteigerungen bei Strom und Gas in Frankreich deutlich zu spüren und der Krieg verunsichert die Verbraucher. So ist das Konsumentenvertrauen nach Informationen des Statistikamts Insee im März 2022 erheblich zurückgegangen. Und das, obwohl die Verbraucher kurz vor Wahlen in der Regel optimistisch gestimmt sind. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen ist am 10. April 2022. Laut Insee könnte der Konsum im 1. Quartal 2021 um real 0,5 Prozent zurückgegangen sein.

Einige Firmen müssen die Produktion drosseln

Die Krise wirkt sich durch höhere Preise und Lieferengpässe auch direkt auf die Industrie aus, wo sich das Geschäftsklima im März 2022 deutlich verschlechtert hat. Michelin hat die Produktion in vier Fabriken aufgrund von Nachschubproblemen bei Ruß Mitte März 2022 unterbrochen. Die hohen Gaspreise veranlassten den Düngemittelhersteller Yara dazu, die Produktion in Le Havre auszusetzen.

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Trotz punktueller Lieferengpässe spielen Russland und die Ukraine als Handelspartner Frankreichs insgesamt aber eine kleine Rolle. Frankreich liefert überwiegend Airbus-Flugzeuge, chemische Produkte, Pharma und Kosmetik nach Russland und bezieht von dort überwiegend Öl und Gas. Aber die Befürchtung besteht, dass eine lange Krise mit höheren Gaspreisen die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Chemieindustrie belasten würde, gegenüber Standorten wie den USA, die weniger von Preissteigerungen betroffen sind. Russland ist außerdem ein wichtiger Lieferant von Titan, das im Flugzeugbau eingesetzt wird. Airbus und Safran vermelden aber ausreichend Reserven und es gibt neben Russland weitere Bezugsquellen.

Das von der Europäischen Union (EU) am 15. März 2022 ausgesprochene Exportverbot für Luxusprodukte nach Russland gilt für Produkte ab 300 Euro und trifft vor allem die großen französischen Luxuskonzerne LVMH, Kering, L'Oréal und Hermès. Die Firmen hatten bereits zuvor ihre eigenen Läden in Russland geschlossen. Der Kosmetikverband Febea erwartet insgesamt geringe Auswirkungen, aber einige kleinere Anbieter könnten 20 bis 30 Prozent ihrer Umsätze verlieren.

Außenhandel mit Russland und der Ukraine 2021

Frankreich

Deutschland

Russland

  Russischer Anteil an Gesamtexporten (Position unter Handelspartnern)

1,3% (14)

1,9% (14)

  Russischer Anteil an Gesamtimporten (Position unter Handelspartnern)

1,6% (11)

2,7% (12)

Ukraine

  Ukrainischer Anteil an Gesamtexporten (Position unter Handelspartnern)

0,3% (48)

0,4% (40)

  Ukrainischer Anteil an Gesamtimporten (Position unter Handelspartnern)

0,1% (58)

0,3% (44)

Quelle: Destatis 2022; Direction générale des Douanes et des Droits Indirects (DGDDI) 2022

Staat legt Resilienzplan auf

Am 16. März 2022 hat die Regierung einen Resilienzplan lanciert, mit neuen Hilfen und einer Verlängerung oder Verstärkung von Maßnahmen, die schon während der Coronakrise galten. Vom 1. April bis Ende Juli 2022 gilt ein Nachlass von 18 Eurocent pro Liter auf Kfz-Kraftstoffe und Schiffsdiesel für die Fischereiindustrie. Die Hilfen des Resilienzplans sollen 25 Milliarden Euro kosten.

Außerdem will die französische Regierung den von der EU-Kommission am 23. März 2022 angenommenen Krisenrahmen für staatliche Beihilfen nutzen, der Subventionen von bis zu 50 Millionen Euro erlaubt. Damit will sie Firmen unterstützen, ihre Abhängigkeit von Öl und Gas zu verringern sowie neue Märkte oder Zulieferer zu finden. Untersucht wird etwa die Möglichkeit eines schwimmenden Flüssiggasterminals im Hafen von Le Havre.

Viele französische Firmen sind in Russland aktiv

Über die makroökonomischen Auswirkungen hinaus ist eine Reihe französischer Firmen besonders stark betroffen. In den letzten Jahrzehnten zählten sie zu den aktivsten Investoren in Russland. Offiziell gibt es etwa 1.200 Unternehmen mit französischer Beteiligung, die 200.000 Mitarbeiter beschäftigen.

Französische Firmen in Russland und der Ukraine

Französische Firmen haben in den letzten Jahrzehnten eine starke Präsenz in Russland aufgebaut.


Öl- und Gaskonzern TotalEnergies: Beteiligung (16 Prozent) an russischem Gasunternehmen Nowatek und große Flüssiggasprojekte; Russland wichtigster Standort mit 17 Prozent der Öl- und Gasförderung von TotalEnergies


Bank Société Générale: Seit 2008 Mehrheitseigner der russischen Bank Rosbank


Renault: Mehrheitseigentümer (68 Prozent) von Avtovaz (zwei Fabriken), eine eigene Fabrik nahe Moskau (Renault Kaptur, Dacia Duster); zweiter Markt (2021: 482.264 Fahrzeuge) weltweit nach Frankreich; auch Kfz-Teilehersteller wie Michelin, Faurecia, Valeo und Plastic Omnium mit Fabriken in Russland präsent


Handelskonzern Mulliez: Baumärkte Leroy Merlin (112 in Russland, 6 in der Ukraine), Supermärkte Auchan (235 in Russland, 42 in der Ukraine), Sportartikelanbieter Decathlon (60 Märkte in Russland, 4 in der Ukraine)


Bahnbauer Alstom: Beteiligung (20 Prozent) an Hersteller von rollendem Material Transmashholding


Safran und Thales: Beteiligung an der Entwicklung des Regionaljets Sukhoi Superjet 100.


Kosmetikketten: Sephora (LVMH) hat seine 94 Läden in Russland geschlossen, Yves Rocher belässt 450 Läden in Russland zunächst offen

Die meisten dieser Firmen wollen trotz des wachsenden Drucks an ihren Aktivitäten in Russland festhalten. Nach Aussage des Direktors der Russisch-Französischen Handelskammer CCI France-Russie in Moskau hat noch keine französische Firma Russland vollständig verlassen.

TotalEnergies hat verkündet, keine neuen Investitionen tätigen zu wollen. Der Konzern hatte aber erst im November 2021 die Finanzierung für ein 19-Milliarden-Euro-Projekt unter Dach und Fach gebracht. Auch Société Générale will die russische Bank Rosbank behalten. Andere Firmen schränken ihre Geschäfte aufgrund von Nachschubproblemen ein. So hat Renault in seiner Fabrik nahe Moskau die Produktion unterbrochen und Mulliez will seine russischen Decathlon-Märkte schließen.

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