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Wirtschaftsumfeld | Frankreich | Konjunktur
Mit 100 Milliarden Euro will die Regierung den Wirtschaftseinbruch abfedern. Gleichzeitig soll der Plan Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken.
07.09.2020
Von Peter Buerstedde | Paris
Die französische Wirtschaft ist mit einem Einbruch des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) im 2. Quartal 2020 von 18,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal von der Coronakrise besonders hart getroffen (Deutschland: -11,3 Prozent). Für das Gesamtjahr 2020 steuert das Land laut Regierungsprognosen weiter auf ein Minus von 11 Prozent zu. Mit dem Konjunkturpaket "France Relance", das am 3. September 2020 vorgestellt wurde, soll 2022 die Wirtschaftsleistung wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Nach Regierungsangaben könnte der Plan das Wachstum ab 2021 um 1,5 Prozentpunkte pro Jahr steigern.
Gleichzeitig soll "France Relance" das Land durch Stärkung der Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf die Zukunft vorbereiten. Dabei wird das Jahr 2030 genannt, wenngleich die meisten Maßnahmen bis 2022 oder 2023 laufen. Premierminister Jean Castex betont, dass es sich pro Kopf der Bevölkerung um das umfangreichste Hilfspaket unter den größeren europäischen Ländern handelt. Mit etwa 4 Prozent des BIP werde mehr aufgeboten als etwa in Deutschland.
Nach Aussagen von Regierungsvertretern wurde, anders als in Deutschland, zur Konjunkturbelebung bewusst keine Mehrwertsteuersenkung vorgenommen. Die in der Krise angestaute Kaufkraft, die in Frankreich mit etwa 100 Milliarden Euro beziffert wird, werde nur dann dem Konsum zugutekommen, wenn das Verbrauchervertrauen wieder steigt. Dies soll durch den Wirtschaftsaufschwung und die Schaffung von 160.000 Arbeitsplätzen mit Hilfe des Konjunkturpakets erreicht werden.
In der Krise hatte die Regierung Ende März zunächst Notmaßnahmen mit Kurzarbeit und Kreditgarantien aufgelegt. Im Mai und Juni folgten Konjunkturpakete für einzelne Branchen wie Flugzeugbau, Automobilindustrie und Tourismus. Letztere finden sich aber zum Teil auch im neuen Plan wieder.
Der Plan verfolgt verschiedene Ziele und umfasst ein Sammelsurium an neuen und bereits beschlossenen Maßnahmen für alle erdenklichen Sektoren. Er soll die Wirtschaft stützen und ankurbeln. Dafür gibt es vor allem ein längerfristiges Kurzarbeitsregime und Zuschüsse zur Ausbildung und zur Einstellung junger und behinderter Menschen. Zu dem als "Zusammenhalt" (Cohésion) bezeichneten Bereich gehören aber auch 6 Milliarden Euro an Investitionen für den Gesundheitssektor aus dem Hilfspaket "Segur de la Santé", das Mitte Juli beschlossen worden ist. Insgesamt soll der Bereich 36 Milliarden Euro erhalten.
Ein zweites Ziel ist die Stärkung der Nachhaltigkeit (écologie), die im Plan mit 30 Milliarden Euro dotiert ist. Hier sticht die Förderung für die Gebäudeeffizienz mit 6,7 Milliarden Euro hervor. Neben mehr Mitteln für energetische Sanierungen in öffentlichen Gebäuden, Sozialwohnungen und kleinen und mittleren Unternehmen gibt es auch 2 Milliarden Euro zusätzlich für Prämien an Haushalte, die entsprechende Arbeiten durchführen lassen. Dabei sind bestehende Subventionen (MaPrimeRenov) auch auf besserverdienende Haushalte ausgeweitet worden, wie es Verbände gefordert hatten.
Geschäftschancen bestehen für deutsche Anbieter von Baumaterialien sowie Heiz- und Klimageräten. Für deutsche Hersteller von Ausrüstungen dürften sich darüber hinaus auch Geschäftsmöglichkeiten im Bereich "Nachhaltigkeit" ergeben. Zusätzliches Geld gibt es etwa für die Modernisierung von Anlagen zur Mülltrennung und von Schlachthäusern (auch zum Tierwohl), sowie für die Erneuerung von Agrarmaschinen und der Bahnnetze.
Bereich/Maßnahme | Betrag (in Mrd. Euro) |
Nachhaltigkeit (Écologie) | 30 |
Infrastruktur und nachhaltige Mobilität (unter anderem Kauf- und Verschrottungsprämien für Pkw, Bahnnetze, öffentlicher Nahverkehr) | 8,6 |
Nachhaltige Energien und Technologien (unter anderem Förderung für Wasserstoffwirtschaft, Flugzeugbau und Kfz-Industrie) | 8,2 |
Gebäudeeffizienz | 6,7 |
Agrarwende (unter anderem Erneuerung von Agrarmaschinen) | 1,2 |
Wettbewerbsfähigkeit (Compétitivité) | 34 |
Senkung Produktionssteuern | 20 |
Technologische Souveränität (unter anderem Relokalisierungshilfen) | 5,9 |
Zusammenhalt (Cohésion) | 36 |
Einstellungs- und Ausbildungshilfen für Jugendliche | 7,8 |
Kurzarbeit und Fortbildungshilfen | 7,6 |
Investitionen im Gesundheitssektor (Ségur de la santé) | 6 |
Gesamt | 100 |
Die dritte Zielrichtung ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (compétitivité) mit 34 Milliarden Euro. Der Löwenanteil entfällt hier auf die Senkung der Unternehmenssteuern von jeweils 10 Milliarden Euro 2021 und 2022. Dabei handelt es sich um Produktionssteuern (Steuern, die unabhängig vom Gewinn erhoben werden), die in Frankreich höher sind als in anderen EU-Staaten. Nach Regierungsinformationen entspricht das Steueraufkommen in Frankreich 3,2 Prozent des BIP, gegenüber einem EU-Durchschnitt von 1,6 Prozent.
Gesenkt werden die Wertschöpfungsabgabe der Unternehmen CVAE (Cotisation sur la valeur ajoutée des entreprises) und die Immobilien- und Grundsteuern CFE und TFPB um 50 Prozent. Diese Steuerarten sind Teil der territorialen Wirtschaftsabgabe CET (Cotisation économique territoriale), die etwa der deutschen Gewerbesteuer entspricht. Der Höchstsatz der CET sinkt von 3 auf 2 Prozent der Wertschöpfung. Wirtschaftsverbände zeigten sich erfreut über diese Maßnahme, wenngleich Wirtschaftsexperten errechneten, dass die Produktionssteuern um 70 Milliarden Euro pro Jahr anstatt um 10 Milliarden Euro gekürzt werden müssten, um das deutsche Niveau zu erreichen.
Mit der Steuersenkung soll Frankreich als Investitionsstandort attraktiver werden. Hinzu kommen direkte Relokalisierungshilfen von 1 Milliarde Euro vor allem für fünf als strategisch erachtete Sektoren: Gesundheit, wichtige Vorstoffe für die Industrie, Elektronik, Nahrungsmittel und die 5G-Einführung. Das Lastenheft für die geplanten Projektaufrufe kann bereits eingesehen werden. Dabei geht es nach den in der Krise aufgeweichten EU-Regeln für Staatshilfen vorwiegend um staatliche Zuschüsse von bis zu 80 Prozent aber maximal 800.000 Euro. Siehe auch den GTAI-Bericht zu dem Thema.
Die Hilfsmaßnahmen sind noch nicht vollkommen in trockenen Tüchern. Verschiedene Hilfen müssen noch vom französischen Parlament im Haushalt 2021 und in darauffolgenden Haushalten verabschiedet werden. Andere hängen vom EU-Corona-Hilfspaket ab. Frankreich erwartet, dass 40 Prozent des Konjunkturplans also rund 40 Milliarden Euro aus dem EU-Hilfspaket finanziert werden. Dafür will die Regierung noch im Oktober 2020 einen Investitionsplan vorlegen, damit dieser von der EU-Kommission abgesegnet wird.
Eine detaillierte Liste der Maßnahmen ist auf der Seite des Wirtschaftsministeriums einsehbar.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Berät beim Markteinstieg in Frankreich | |
Seite des Wirtschaftsministerium zum Hilfsprogramm "France Relance" |