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Wirtschaftsumfeld | Georgien | Konjunktur

Georgiens Wirtschaft trotzt unsicheren Zeiten

Die georgische Wirtschaft wächst auch in einem risikoreichen Umfeld weiter. Vor allem der Ausbau der Infrastruktur verspricht Geschäftschancen.

Von Uwe Strohbach | Tiflis

Georgien kann für das Jahr 2022 mit einem realen Wirtschaftswachstum von 5 Prozent und mehr rechnen. Volkswirte des Landes sahen schon im Mai 2022 voraus, dass die Konjunktur stärker anzieht, als in den Frühjahrsprognosen angenommen. Inzwischen hat auch die Weltbank ihre jüngste Prognose um 3 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent nach oben korrigiert.

Dienstleistungen sind der Konjunkturtreiber 

Vor allem die schnelle Wiederbelebung des Dienstleistungssektors gibt Grund für mehr Wachstumserwartung. Diese schließt auch das touristische Gewerbe sowie den Transport- und Finanzsektor ein. Ein weiterer Impuls: Die öffentliche Hand kündigte an, Infrastrukturinvestitionen zu aktivieren. Anlass zu mehr Optimismus gibt ebenso das hohe reale Wirtschaftswachstum von 10,8 Prozent in den ersten vier Monaten 2022. 

Dazu trug der Außenhandel bei. Die Exporte stiegen von Januar bis einschließlich April 2022 im Vergleich zur Vorjahresperiode um 37,5 Prozent auf gut 2,1 Milliarden US-Dollar (US$). Die Importe legten um 37,3 Prozent auf etwas mehr als 4,8 Milliarden US$ zu.  

Tourismus nimmt wieder Fahrt auf

In den ersten fünf Monaten 2022 besuchten 1,2 Millionen ausländische Besucher Georgien. Unter ihnen waren 0,9 Millionen Touristen, das heißt Gäste mit mindestens einer Übernachtung. Damit erreichte die Besucherzahl circa 53 Prozent des Vorkrisenniveaus im gleichen Zeitraum 2019. Im Gesamtjahr 2021 wurden nur knapp 18 Prozent erreicht.

Ein noch besseres Bild zeigt sich bei den Deviseneinahmen aus dem Incoming-Tourismus. In den ersten fünf Monaten 2022 wurden Einnahmen von 841 Millionen US$ erzielt. Dies waren bereits 74 Prozent des Niveaus von 2019. 

Das Tourismusgeschäft belebte nicht zuletzt die in den letzten drei Monaten stark gestiegene Besucheranzahl aus Russland. Diese Gruppe stand für fast ein Fünftel der für die ersten fünf Monate 2022 ausgewiesenen Einnahmen des Incoming-Tourismus. Mehrere Zehntausend russische Bürger reisten nach dem Ausbruch des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine nach Georgien, darunter Fachkräfte wie Journalisten und IT-Spezialisten. Sie bleiben länger und dürften die Branche so zumindest für einen gewissen Zeitraum zusätzlich beflügeln.

Kleiner Markt mit vielfältigen Chancen für Kooperation und Handel

Ungeachtet der kleinen Marktgröße bietet das liberale Georgien in zahlreichen Branchen interessante Geschäftschancen. Das Land muss viel aufholen bei der Modernisierung der Versorgungsinfrastruktur (Strom, (Ab-)Wasser, Abfallmanagement), des Transportsektors (vorrangig im Straßenbau) und der sozialen Infrastruktur (Schul- und Gesundheitswesen). Chancen bietet der wiederbelebte Bau touristischer Objekte. Viel ungenutztes Potenzial besteht in der Ernährungswirtschaft. Das Landwirtschaftsministerium sieht Chancen für jährliche Branchenexporte bis zu 3 Milliarden US$ 2030. Im Jahr 2021 summierten sich die entsprechenden Ausfuhren auf gerade einmal 1,1 Milliarden US$.

Ausgewählte Initiativen und Projekte mit Geschäftschancen für ausländische Unternehmen

Initiative/Investitionsprogramm, Projekt   

Zuständige Behörde/Unternehmen oder Kontaktpartner

Programm für Modernisierung und Ausbau der Wasserver- und Abwasserentsorgung 2021 bis 2030

Investitionsrahmen: 3 Mrd. Euro, Zielgruppe: 585.000 Einwohner in 182 Städten und Gemeinden, Kofinanzierung: ADB, EIB, AFD und andere Geber- und Förderbanken  

Ministerium für Regionalentwicklung und Infrastruktur (MRDI), United Water Supply Company of Georgia (UWSCG)

Entwicklungsplan der staatlichen Stromübertragungsgesellschaft GSE 2021 bis 2031

Investitionsrahmen: 700 Mio. Euro, zuzüglich Kredit der ADB über 100 Mio. US$ für Transformation der Gesellschaft (Verbesserung der Unternehmensführung und Finanzen), Programmstart: 1. Dezember 2021 

Georgian State Electrosytem JSC (GSE), Ministerium für Wirtschaft und Nachhaltige Entwicklung (MESD)

Regierungsprogramm zum Bau von 200 km Autobahnen, etwa 200 Brücken und 70 Tunnel, Modernisierung von 1.500 km internationalen und nationalen Straßen sowie 200 Brücken, Zeitraum: 2021 bis 2024

Ministerium für Regionalentwicklung und Infrastruktur (MRDI), Roads Department of Georgia (Straßenbaubehörde)

Infrastrukturprogramm zur Ankurbelung der Bauwirtschaft im Zeitraum 2022 bis 2024/2025

Investitionsrahmen: mehr als 600 Mio. US$, Schwerpunkte: u.a. Ausbau der regionalen kommunalen Infrastruktur einschließlich Modernisierung/Neubau von Schulbauten, Wohnviertel mit 1.000 Wohnungen für Angehörige der Polizei, Neubau/Modernisierung von Polizeidienststellen

Ministerium für Regionalentwicklung und Infrastruktur (MRDI), Kommunaler Entwicklungsfonds (MDF)

Fertigstellung und Bau von 25 Vier- und Fünf-Sterne-Hotels mit etwa 4.000 Zimmern 2022 bis 2024/25  

Kontaktpartner für Detailinformationen: Georgian National Tourism Administration (GNTA)

Modernisierung/Ausbau des Kurortes Tskaltubo zu Spa und Wellnessresort/Thermalpark (Hotels, Freizeit- und Sportobjekte)

Investitionsrahmen: 200 Mio. US$, Zeitraum: 2026/2027, Masterplan liegt vor, einige Projekte in Vorbereitung

Partnership FundEnterprise Georgia, Kohl & Partners Hotel und Tourismus Consulting (Machbarkeitsstudie), Cushman & Wakefield Georgia (C&W)

Projekt zur nachhaltigen innerstädtischen Mobilität, Hauptstadt Tiflis

Investitionsrahmen: 57 Mio. US$, Finanzierung: hauptsächlich KfW

Tbilisi City Hall (Stadtverwaltung Tiflis, Transport and Urban Development Agency of Tbilisi)

Projekt Green Investment Building – Energetische Sanierung von 200 öffentlichen Schulbauten

Finanzierung: EBRD (40 Mio. Euro), EU/EU NIP (10 Mio. Euro) und KfW (Ankündigung zusätzlicher Mittel)

Ministerium für Regionalentwicklung und Infrastruktur (MRDI), Kommunaler Entwicklungsfonds (MDF)

Erneuerung/Ausbau des Abfallmanagements in den Regionen Kutaii/Samegrelo – Zemo Svaneti

Investitionsrahmen: ca. 30 Mio. Euro, Finanzierung: hauptsächlich KfW 


Erneuerung/Ausbau des Abfallmanagements in der Region Kvemo Kartli

Investitionsrahmen: 10 Mio. Euro, Finanzierung: EBRD

Ministerium für Regionalentwicklung und Infrastruktur (MRDI)/Solid Waste Management Company of Georgia (SWMC)

Öffentliche Förderung der landwirtschaftlichen Produktion

Investitionsrahmen: 330 Mio. US$, darunter der Bewässerung, Investitionsrahmen: mindestens 70 Mio. US$ (Bewässerung von zusätzlich 40.000 ha Böden); EU-Förderprogramm ENPARD Georgien – Landwirtschaft, ländliche Regionen und  Nahrungsmittelsicherheit, Programmphase 4: 2021 bis 2025, Etat: 55 Mio. Euro

Ministerium für Umweltschutz und Landwirtschaft (MEPA), Programm ENPARD

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Große Solidarität für Ukraine, aber keine Sanktionen gegen Russland

Georgien steht hinter allen internationalen Resolutionen zur Unterstützung der kriegsgebeutelten Ukraine. Auf der Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 2. März 2022 stimmte es als einziges Land in der Gesamtregion Südkaukasus und Zentralasien (GUS-Republiken) einer Resolution zu, die die russische Aggression in der Ukraine verurteilt.

Die georgische Bevölkerung zeigt große Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung durch zahlreiche ukrainische Flaggen auf Balkonen und öffentlichen Plätzen. Plakate, Verpackungspapier und Kassenbons mit dem Aufdruck "Слава Україні" (Rum der Ukraine) verkörpern den symbolischen Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg. Die Regierung verhängt im nationalen Interesse allerdings keine eigenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Als Hauptgrund nennt sie die Gefahr starker negativer Folgen für Unternehmen und Bevölkerung.

Von den Sanktionen empfindlich betroffen wären vor allem der Export von Nahrungsmitteln (damit auch der Arbeitsmarkt) und die privaten Geldüberweisungen der georgischen Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Russland. Hierbei gilt zu beachten, dass die soziale Lage in Georgien ohnehin stark angespannt ist. Die offizielle Armutsrate betrug im Gesamtjahr 2021 hohe 17,5 Prozent. Die Arbeitslosenrate gibt das Nationale Statistikbüro für das 1. Quartal 2022 mit 19,4 Prozent an.

Die Bevölkerung trägt die Regierungsentscheidung gegen eigene Sanktionen mit. Fast 70 Prozent finden diese Entscheidung richtig. Das resultiert aus einer Umfrage des Internationalen Zentrums für Meinungs- und Wirtschaftsforschung (GORBI) von Anfang Juni 2022.

Georgien verhindert aber, dass die Sanktionen der Europäischen Union und der USA gegen Russland umgangen werden können. Damit stellt sich das Kaukasusland klar hinter die Verbote. Laut georgischem Finanzminister Lascha Chutsischwili stoppten die Zollämter per Stand 10. Juni 2022 mehr als 90 Zollverfahren für Waren aus oder nach Russland wegen des Verdachtes auf Sanktionsverstöße. Informiert wurden die georgischen Partner und die Herkunftsländer der Waren.

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