Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Griechenland | Energie

Westmakedonien: Vom Kohleabbaugebiet zur „grünen“ Region

Griechenlands Kohleausstieg bis 2028 ändert das Wirtschaftsmodell der Region Westmakedonien. Das ehemalige Kohleabbaugebiet soll ein attraktiver Investitionsstandort werden. 

Von Michaela Balis | Athen

Griechenland will gemäß seinen Klimazielen bis Ende 2028 aus der Kohlekraft aussteigen. Ein ehrgeiziges Ziel für ein Land, in dem die fossilen Energieträger noch im Jahr 2011 mit rund 80 Prozent zur Stromerzeugung beitrugen. Schrittweise haben sich jedoch die Verhältnisse zugunsten von erneuerbaren Energien und Erdgas geändert: Der Anteil der Kohle an der Stromproduktion schrumpfte im Jahr 2020 auf 11 Prozent.

Erdgas und erneuerbare Energien ersetzen Kohle

Bis 2023 werden alle Kohlekraftwerke, bis auf das noch im Bau befindliche Kraftwerk Ptolemaida V, abgeschaltet. Nicht nur haben die griechischen Kohlekraftwerke ihre Lebensdauer erreicht, auch führte die Qualität der griechischen Kohle zu enormen Kosten bei der Stromerzeugung.

„Die Lücke in der Stromversorgung soll durch Erdgas und erneuerbare Energien gedeckt werden“,

informiert Dr. Ioannis Tzortzis, Vorsitzender des juristischen Sachverständigenausschusses zum gerechten und entwicklungsfördernden Übergang, in einem Interview gegenüber Germany Trade & Invest.

Bis zum Herbst 2022 sollen 826 Megawatt (MW) aus dem Erdgaskraftwerk des Energiekonzerns Mytilineos ins Netz gespeist werden. Weitere Projekte über insgesamt rund 1,7 Gigawatt sind in Planung und sollen bis 2024 den Betrieb aufnehmen. „Bis dahin bleiben einige Kohlekraftwerke in Kaltreserve, um die Energieversorgung des Landes zu sichern“, erklärt Tzortzis, zum Beispiel bei hohem Strombedarf durch zu hohe oder zu niedrige Temperaturen.

Fördermittel und Anreize für „grüne“ Investitionen in Westmakedonien

Besonders betroffen von der Dekarbonisierung sind die Kohleabbaugebiete in der Region Westmakedonien. Kohleförderung- und -verstromung trugen im Jahr 2017 mit mehr als 40 Prozent zum Brutto-Produktionswert der Region bei.

Um den Übergang in die Nach-Kohle-Ära zu erleichtern und die Folgen für die lokale Wirtschaft und Gesellschaft zu lindern, erarbeitete das griechische Ministerium für Entwicklung und Investitionen einen „Plan für den gerechten und entwicklungsfördernden Übergang“ (SDAM).

Neben öffentlichen Geldern stehen den betroffenen Gegenden (Megalopoli, Westmakedonien und Inseln der Nord- und Südägäis) Fördergelder aus EU-Töpfen zur Verfügung, darunter:

  • EU-Fonds für einen gerechten Übergang,
  • EU-Partnerschaftsvertrag 2021-2027,
  • EU-Aufbau- und Resilienzfazilität.

„Wenn das private Kapital, das dank großzügiger Investitionsanreize mobilisiert werden soll, hinzugerechnet wird, steigt das geplante Budget auf mehr als 6,8 Milliarden Euro“, so Tzortzis. Zu den Investitionsanreizen zählen Steuererleichterungen, Zuschüsse sowie Kredite zu Sonderkonditionen. Dies gilt sowohl für Neuanschaffungen als auch für Modernisierungsmaßnahmen.

Gefördert werden unter anderem Investitionen in „saubere“ Energien, Industrie und Handel, in Smart Farming, in nachhaltige Tourismusprojekte sowie in Technologie und Ausbildung. Westmakedonien soll damit zu einem besonders attraktiven Investitionsstandort werden.

Seit Juni 2020 können griechische und ausländische Investoren ihre Pläne für nachhaltige Projekte einreichen. Hauptansprechpartner sind SDAM und Enterprise Greece Invest and Trade

Deutsche Unternehmen mischen im Fotovoltaikgeschäft mit

Kalliopi Kiriakidou, Vize-Gouverneurin für Energie, Infrastruktur und Umwelt der Region Westmakedonien, erklärt in einem Interview gegenüber Germany Trade & Invest:

„Wir wollen die erste „grüne“ Region Griechenlands werden.“

Dazu sollen große Fotovoltaikprojekte in der Region beitragen. Die Abschaltung der Kohlekraftwerke macht die Netze frei für neue Stromerzeuger, was einen regelrechten Antragssturm auf Fotovoltaikanlagen (insgesamt über 15 Gigawatt/GW) auslöste. Die Public Power Corporation (PPC) arbeitet bereits an Solaranlagen mit einer Leistung von 230 MW. Der deutsche Entwickler Juwi Hellas baut für den griechischen Energiekonzern Hellenic Petroleum weitere 204 MW. Außerdem will PPC im Joint Venture mit dem deutschen Energiekonzern RWE Fotovoltaikanlagen von über 2 GW in Westmakedonien errichten. 

Mit dem großen Andrang von Investoren und Entwicklern gehen auch Probleme einher. Der Sonderraumplan für die Flächenverteilung ist von 2007 und somit veraltet. „Es muss dringend ein neuer Sonderraumplan erstellt werden, um einer ungeregelten Entwicklung der Fotovoltaikprojekte in der Gegend entgegenzuwirken“, erklärt Kiriakidou.

Auch die übrigen Flächennutzung in der Region, beispielsweise die Agrarwirtschaft, muss bei Planungen berücksichtigt werden: „Die Agrar- und Viehwirtschaft ist in Westmakedonien ausschlaggebend für die lokale Wirtschaft“, informiert Kiriakidou und betont: „Fruchtbare Äcker sollten nicht für Fotovoltaikanlagen genutzt werden, genauso wenig wie die Seen einer Region, die für ihre Seen bekannt und touristisch attraktiv ist“. „Es steht ausreichend Land zur Verfügung, vorausgesetzt es gibt eine ordentliche Raumplanung“, stellt sie klar.

Milliardenschweres Wasserstoffprojekt geplant

Besonders interessant für die Region sind Wasserstofftechnologien: „Wir sind sehr aufgeschlossen gegenüber ‚grünen‘ Wasserstoffprojekten“, betont Kiriakidou und führt das 8 Milliarden Euro schwere Projekte „White Dragon“ an, das nach entsprechender Stellungnahme der EU zu den IPCEI-Projekten (wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse) zählen soll.

In Planung sind, gemäß dem SDAM, eine Hydroponik-Anlage sowie Verarbeitungs- und Verpackungsanlagen für Agrarprodukte wie Früchte und Gemüse. Ein Weintourismus-Ökosystem und eine Reha-Klinik sind ebenfalls im Gespräch.

Infrastruktur wird ausgebaut

Zur Unterstützung der Region soll auch die Infrastruktur ausgebaut werden. Dazu zählt beispielsweise die Autobahn E65, die Westmakedonien mit Athen und Südgriechenland verbinden wird. Die Bahnstecke „Egnatia Railway“, besonders der über die westmakedonische Stadt Kozani führende Abschnitt von Thessaloniki bis Igoumenitsa, stärkt die Aussichten für den Ausbau der Logistikbranche. Außerdem sollen neue Erdgasnetze gebaut werden, um die Fernheizung in den betroffenen Städten zu gewährleisten, für die bis jetzt die Kohlekraftwerke sorgten, sowie 5G-Netze.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.