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Die Metropole befindet sich im Frühjahr 2021 in der besonderen Lage, mehr Impfstoffdosen als Impfwillige zu haben. Die Skepsis gefährdet jedoch den wirtschaftlichen Umschwung.
14.04.2021
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Regierung der Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong hat aus rein medizinisch-epidemiologischen Gesichtspunkten vieles richtiggemacht. So wurden im Frühjahr 2021 kaum noch lokale Ansteckungen verzeichnet. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag Anfang April 2021 im niedrigen einstelligen Bereich. Zahlreiche einschränkende Maßnahmen konnten bereits vor Ostern gelockert werden, sodass vor Ort nahezu Normalität herrschte. Geschäfte, Restaurants, Fitnessstudios, Kinos, Museen und Strände hatten geöffnet. Lediglich die Grenzen bleiben dicht.
Die Verwaltung hat außerdem ausreichend Impfstoff bestellt. Die zentrale Internetplattform zur Anmeldung für einen Impftermin ist durchaus vorbildlich. Die Webseite ist jederzeit erreichbar und es gibt keine stundenlangen Wartezeiten. Dennoch mussten die Verantwortlichen schnell feststellen, dass der erwartete Andrang ausblieb. Angesichts der äußerst niedrigen Infektionszahlen wollen viele Einheimische erst einmal abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Jeder mit einer Impfung zeitlich verbundene Todesfall wird in den lokalen Medien ausführlich analysiert, sodass die Skepsis in der Bevölkerung tendenziell zunimmt.
Bereits seit März 2021 dürfen sich daher alle Personen über 30 Jahren sowie bestimmte Berufsgruppen zur Impfung anmelden. Damit sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung impfberechtigt. Doch auch dies brachte bislang nicht den erhofften Durchbruch. Wer sich Mitte April 2021 auf die Buchungsplattform begab, bekam innerhalb von drei Tagen einen Termin zur Impfung mit dem Präparat von Biontech. Wer den chinesischen Anbieter Sinovac wählte, dessen Vakzin nicht erst aufgetaut werden müssen, konnte schon am nächsten Tag zur Impfung antreten. Derart kurze Wartezeiten verdeutlichen, wie gering das Interesse in der Bevölkerung ausfällt.
Allerdings bestehen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen erhebliche Unterschiede. Von den ausländischen Staatsbürgern dürften die meisten bereits geimpft sein. Die Hongkonger sind indes zurückhaltender. Offizielle Statistiken werden dazu nicht erhoben. Doch in den Impfzentren sind auffällig viele Expatriates anzutreffen. Bezüglich der Altersstruktur liegen Daten vor, die bedenklich stimmen: In der Gruppe der über 80-Jährigen hat sich bislang kaum jemand impfen lassen. Jeweils rund ein Viertel der verabreichten Impfungen entfiel auf die Altersgruppen zwischen 40 und 49 Jahren, 50 und 59 Jahren sowie 60 und 69 Jahren. Insgesamt scheinen die Uhren in Hongkong völlig anders zu ticken als in anderen Teilen der Welt.
Nach Angaben der Regierung hatten zum Stichtag vom 13. April 2021 lediglich 9 Prozent aller Einwohner Hongkongs mindestens eine Impfdosis erhalten. Damit liegt die SVR immerhin deutlich vor Südkorea oder Japan. Dennoch machen sich die Verantwortlichen große Sorgen. Beim jetzigen Tempo dürfte es bis zum Jahresende 2021 dauern, bis Herdenimmunität erreicht ist. Vorher wird es aber keine Grenzöffnungen im großen Stil geben. Doch erst diese können einen durchgreifenden wirtschaftlichen Umschwung bringen.
Bild vergrößernDie Regierung überlegt daher, ob Geimpfte künftig Privilegien erhalten sollen, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Unter anderem werden Erleichterungen bei den bisherigen Quarantänemaßnahmen, die zu den strengsten der Welt gehören, erwogen. Bisher müssen Einreisende drei Wochen in Hotelquarantäne verbringen und sich insgesamt vier Corona-Tests unterziehen. Wer künftig als vollständig Geimpfter aus Ländern mit einem niedrigen bis mittleren Ansteckungsrisiko einreist, könnte auf eine Verkürzung der angeordneten Quarantäne hoffen.
Zugleich verhandelt die Regierung mit Regionen mit ähnlich niedrigen Ansteckungsraten über die Bildung von sogenannten Travel Bubbles. Diese sollen ein komplett quarantänefreies Reisen für Geimpfte ermöglichen. Unter anderem laufen Gespräche mit Singapur, Taiwan, Südkorea und China. Die Volksrepublik hat allerdings deutlich gemacht, dass eine Grenzöffnung erst bei einer Null-Infektionen-Lage in Hongkong erfolgen kann. Damit ist vorerst nicht zu rechnen. Angesichts der umfangreichen Lockerungsmaßnahmen ist nicht auszuschließen, dass es zu einer weiteren Ansteckungswelle in der SVR kommen könnte.
Travel Bubbles dürften zudem nur für geringfügige ökonomische Erleichterung sorgen. Das lehrt die Erfahrung von Macau. Die benachbarte SVR hatte bereits im Sommer 2020 einen quarantänefreien Reiseverkehr mit der nahe gelegenen chinesischen Provinz Guangdong ins Leben gerufen. Trotzdem lagen die Besucherankünfte aus der Volkrepublik im 4. Quartal 2020 immer noch rund 80 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Immerhin hatte sich die Belegungsquote der Hotels spürbar verbessert.