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Das Marktvolumen für technische Textilien soll sich bis 2025 auf 40 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Die Regierung will mit Förderprogrammen die Produktion im Land steigern.
15.12.2020
Von Boris Alex | New Delhi
Beim Einsatz von technischen Textilien ist in Indien noch viel Luft nach oben. Zwar ist die Nachfrage aus wichtigen Abnehmerbranchen wie der Verpackungsindustrie, dem Kfz-Sektor oder der Baubranche in den letzten Jahren stetig gewachsen, doch im internationalen Vergleich hinkt das Land mit einem Verbrauch von 1,7 Kilogramm pro Kopf im Jahr 2018 gegenüber Ländern in Südostasien mit 10 bis 12 Kilogramm deutlich hinterher. Das gleiche gilt auch für die Produktion, weshalb Indien einen großen Teil seines Bedarfs über Import decken muss. Dies führte zu Beginn der Corona-Pandemie bei Produkten aus technischen Textilien für den medizinischen Einsatz wie Hygienetextilien, Schutz- und OP-Bekleidung sowie Filtern zu Versorgungsengpässen.
Bild vergrößernDer indische Markt für technische Textilien belief sich im Finanzjahr 2018/19 (1. April bis 31. März) auf 19 Milliarden US-Dollar (US$), so die Daten von Invest India. Die Investitionsbehörde schätzt das Wachstumspotenzial auf 15 bis 20 Prozent jährlich und erwartet bis 2024/25 eine Verdopplung des Marktvolumens auf gut 40 Milliarden US$. Damit könnte der Anteil am gesamten indischen Textilmarkt von 13 Prozent auf bis zu 30 Prozent steigen. Mit einem Anteil von 42 Prozent kommen technische Textilien vor allem bei Verpackungen (Packtech) zum Einsatz. Weitere wichtige Segmente sind Indutech, Mobiltech und Hometech, auf die jeweils rund ein Zehntel des Marktvolumens entfallen.
Bild vergrößernDer Bedarf an Packtech wird in den nächsten Jahren weiter zulegen, denn in Indien wächst seit dem Beginn der Pandemie die Nachfrage nach verpackten Nahrungsmitteln noch schneller. Der boomende Onlinehandel dürfte für zusätzlichen Schub in diesem Segment sorgen, so die Einschätzung von KPMG. Von den rund 2.000 indischen Firmen, die Produkte aus technischen Textilien herstellen, sind die meisten mit der Herstellung von Packmitteln beschäftigt und decken damit einen Großteil der lokalen Nachfrage - vor allem im Lowtech-Bereich ab, so die Einschätzung von Invest India. Ein Teil der Produktion in diesem Segment geht zudem in den Export. Im Finanzjahr 2018/19 exportierte Indien technische Textilien im Wert von knapp 2 Milliarden US$, schätzt die Indian Technical Textile Association (ITTA).
Dem gegenüber standen laut des Industrieverbands Einfuhren von etwa 3 Milliarden US$. Vor allem im Hightech-Segment ist Indien bei vielen Produkten auf Importe angewiesen. Die Kfz-Industrie liegt hier mit ihrem Bedarf an Reifen, Airbags, Sicherheitsgurten und Komponenten zur Verstärkung von Kunststoffteilen vorne. Auch Indutech-Produkte wie Filtervliesstoffe, Isolationsmaterialien, und Bauteile für Antriebstechnik müssen indische Firmen häufig im Ausland beziehen. Diese beiden Anwendungsfelder dürften auch künftig die Nachfrage nach technischen Textilien erhöhen, so die Prognose von Wazir Advisors.
Für das Mobiltech-Segment erwartet das Beratungsfirmen bis 2025 eine Verdopplung des Absatzvolumens auf 4,2 Milliarden US$. Der Bereich Indutech soll bis dahin sogar noch etwas stärker auf 4,7 Milliarden US$ zulegen. Bei Hometech-Produkten wie Möbelbezüge und Bodenbeläge prognostiziert Wazir Advisors jährliche Absatzzuwächse in Höhe von 14 Prozent auf rund 4,3 Milliarden US$. Die Coronakrise hat der Nachfrage nach technischen Textilien für den medizinischen Einsatz enormen Schub verliehen und einen Boom bei der Produktion von Masken und Schutzbekleidung ausgelöst. Indien will seine Ausgaben im öffentlichen Gesundheitswesen in den nächsten Jahren erhöhen, wodurch die Nachfrage nach Meditech-Produkten ebenfalls kräftig zulegen dürfte.
Für die Hersteller von Geotextilien sowie von technischen Textilien im Bereich Ökotech bietet das Infrastrukturprogramm der indischen Regierung mit einem Investitionsvolumen von 1,8 Billionen US$ wachsende Geschäftschancen. Im indischen Tiefbau kommen Geotextilien und -gitter immer häufiger zum Einsatz. Gut die Hälfte der 7.400 Projekte in der National Infrastructure Pipeline entfallen auf den Straßen- und Schienenverkehr sowie auf den Hafen- und Wasserwegebau. Bis 2025 sollen beispielsweise neue Schnellstraßen mit einer Länge von 68.000 Kilometer fertiggestellt werden.
Im Wasser- und Abwassersektor befinden sich 1.300 Vorhaben mit einem Investitionsbedarf von 290 Milliarden US$ in Planung. Unter anderem sollen 450 Wasseraufbereitungsanlagen gebaut sowie bestehend Klärwerke mit neuen Filtersysteme ausgestattet werden. Die Nachfrage in den beiden Segmenten Geo- und Ökotech soll Prognosen der ITTA zufolge in den nächsten fünf Jahren zwischen 15 und 20 Prozent per annum zulegen.
Um die Importabhängigkeit bei technischen Textilien zu verringern, will die indische Regierung die Branche stärker unterstützen. Im September 2020 wurde die National Technical Textile Mission gestartet und mit Fördermitteln in Höhe von rund 280 Millionen US$ ausgestattet. Mit der Hälfte sollen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von indischen Unternehmen in den Bereichen Geo- und Ökotech sowie Agrotech finanziert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Innovationen im Bereich biologisch abbaubare Geotextilien sowie die nachhaltige Entsorgung von technischen Textilien für die medizinischen Verwendung.
Darüber hinaus hat Indien die technischen Textilien als eine von zehn Schwerpunktbranchen in ihr Industrieförderprogramm aufgenommen. Im Rahmen des im Mai 2020 gestarteten Production-Linked Incentive (PLI) Programms erhalten Unternehmen, die ihren Absatz von in Indien gefertigten Produkten gegenüber dem Basisjahr 2019/20 steigern, einen Bonus pro zusätzlich verkaufter Einheit. Für die Produktion von technischen Textilien und Kunstfasern stehen hierfür bis 2025 Fördermittel von fast 1,5 Milliarden US$ zur Verfügung.