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Marktchancen

Höhere Investitionen im Infrastruktursektor und eine lebhafte Nachfrage nach Wohn- und Gewerbebauten sorgen für gut gefüllte Auftragsbücher in der indischen Baubranche. 

Von Boris Alex | New Delhi

Das Bauvolumen in der indischen Bauindustrie soll bis 2025 zwischen 6 und 7 Prozent jährlich auf 900 Milliarden US-Dollar (US$) zulegen, so die Prognose der staatlichen Investitionsbehörde Invest India. Zwar ist der Infrastruktursektor nach wie vor die treibende Kraft für die Branche, aber auch der Wohnungs- und Gewerbebau haben sich nach einer Abkühlung während der Coronapandemie wieder erholt.

In den acht größten Ballungszentren legten 2022 die Baubeginne von Wohnungen und Häusern gegenüber dem Vorjahr um 41 Prozent auf 328.129 Einheiten zu, so die Daten von Knight Frank Research. Der Verkauf von Neubauten verzeichnete in diesem Zeitraum ein Plus von 34 Prozent auf 312.666 Wohnungen und Häuser.

Wohnungsbau trotz gestiegener Zinsen lebhaft

Selbst steigende Zinsen - die indische Zentralbank hatte den Leitzins (Repo Rate) im Jahresverlauf um 225 Punkte auf 6,25 Prozent angehoben - konnten die Stimmung auf dem Markt für Wohnimmobilien nicht eintrüben. Im 1. Quartal 2023 hat sich die Dynamik mit einem Plus von 12 Prozent bei den Baubeginnen gegenüber der Vorjahresperiode allerdings leicht abgeschwächt. Die Aussichten für den Wohnungsbau bleiben positiv. Die Builders Association of India schätzt, dass bis 2050 etwa 100 Millionen Wohneinheiten in den Städten benötigt werden.

In dem aus deutscher Sicht besonders relevanten Premiumsegment wächst der Bedarf weiter überdurchschnittlich. So legten in den Ballungsgebieten die Baubeginne von Wohnimmobilien ab einem Bauwert von rund 180.000 US$ im 1. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um die Hälfte auf etwa 20.000 Einheiten zu, so die Angaben des Immobiliendienstleister JLL India.

Bedarf an neuer Bürofläche und Industriebauten zieht an

Der Markt für Gewerbeimmobilien hat sich 2022 ebenfalls positiv entwickelt. In den acht größten Städten wurden 4,6 Millionen Quadratmeter an neuer Bürofläche fertiggestellt, 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Laut dem Immobilienentwickler DLF sollen bis 2025 jährlich zwischen 2,8 Millionen und 3,3 Millionen Quadratmeter an neuer Büroflächen auf den Markt kommen. Auch der Bedarf an Einzelhandelsfläche wächst. Für 2023 erwartet der Immobiliendienstleister Anarock die Eröffnung von 16 Einkaufszentren mit einer Verkaufsfläche von 674.000 Quadratmetern. Bis 2028 dürften allein in den sieben größten Städten weitere 2,3 Millionen Quadratmeter dazu kommen.

Der Bedarf an Industriebauten zieht wegen geplanter Großinvestitionen unter anderem in der Elektro- und Elektronikindustrie, dem Automobilsektor und der chemischen Industrie ebenfalls wieder an. Der boomende IT- und Telekommunikationssektor sorgt zudem für eine steigende Nachfrage nach Rechenzentren. JLL India erwartet in diesem Segment bis 2024 Investitionen in Höhe von 5,5 Milliarden US$. Bis 2025 werden zudem weitere 18,5 Millionen Quadratmeter an neuer Lagerhausfläche benötigt. Wachstumstreiber ist der Onlinehandel.

Regierung stockt Ausgaben für Infrastruktur auf

Die indische Zentralregierung stellt für Investitionen im Infrastruktursektor im laufenden Haushalt 2023/2024 umgerechnet 121 Milliarden US$ bereit - ein Drittel mehr als in der Vorperiode. Das staatliche Infrastrukturprogramm "National Infrastructure Pipeline" (NIP) umfasste im Juni 2023 rund 9.000 Einzelvorhaben mit einem Volumen von 1,8 Billionen US$. Beim zweiten großen Investitionsprogramm "Gati Shakti" werden Projekte im Wert von 1,2 Billionen US$ zur multimodalen Konnektivität der indischen Wirtschaftszentren realisiert.

Die Verkehrsinfrastruktur genießt dabei Priorität. Im Rahmen des Straßenbauprogramms "Bharatmala Pariyojana" sollen 84.000 Kilometer neu gebaut und modernisiert werden. Die erste Phase mit 34.800 Kilometern soll Ende 2027 abgeschlossen sein - fünf Jahre später als geplant. Die Regierung will 2023 bereits die ersten Vorhaben der zweiten Projektphase ausschreiben. Diese umfasst High- und Expressways mit zusammen 5.000 Kilometern. Die Kosten beziffert das Ministry of Road Transport and Highways auf 36 Milliarden US$.

Mehr Geld fürs Schienennetz und für Flughäfen

Für den Schienenverkehr stehen mit 31 Milliarden US$ 6 Prozent mehr Mittel im Haushalt 2022/2023 zur Verfügung. Indian Railways will bis 2031 im Rahmen ihres "National Rail Plan" 176 Milliarden US$ in die Eisenbahninfrastruktur stecken - unter anderem in ein Hochgeschwindigkeitszugnetz. Die erste Trasse zwischen Mumbai und Ahmedabad ist im Bau und soll 2027 in Betrieb gehen. Das Netz könnte bis zu zwölf Strecken umfassen und würde rund 200 Milliarden US$ kosten, schätzt das Ministry of Railways.

Um das wachsende Passagieraufkommen an indischen Flughäfen bewältigen zu können, sollen bis 2030 im ganzen Land 21 neue Airports gebaut und an weiteren 50 die Kapazitäten erweitert werden. Den Kosten hierfür beziffert das Ministry of Civil Aviation bis 2026 auf 12 Milliarden US$.

Geschäftschancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Bausektor

Die indische Baubranche bietet auch für deutsche Unternehmen Geschäftschancen. Vor allem dann, wenn spezialisierte Ingenieurs- und Beratungsexpertise - unter anderem bei Brücken- und Tunnelbauprojekten oder im Flughafenbau - gefragt ist. Beim Wohnungsbau bleibt das schnell wachsende Premium- und Luxussegment Chancen beispielsweise für Anbieter von hochwertiger Küchenausstattung und Haustechnik interessant. Eine "Show Kitchen", die nicht zum Kochen, sondern nur zu Repräsentationszwecken dient, ist in wohlhabenden indischen Haushalten inzwischen Standard.

Der Absatz von Baumaschinen soll bis 2026 um ein Viertel auf 100.000 Einheiten zulegen, so die Prognose von Off-Highway Research. Drei Viertel davon sind Erdbewegungs- und Straßenbaumaschinen, so die Analyse des Marktforschers. Indien importierte 2022 Baumaschinen im Wert von 2,7 Milliarden US$ - ein Plus von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Deutschland zählt zu den wichtigsten Lieferländern und konnte die Exporte nach Indien um 21 Prozent auf 187 Millionen US$ steigern.

Ausgewählte Investitionsprogramme und Großprojekte in Indien (Investitionen in Milliarden US-Dollar)

Vorhaben

Investitionssumme

Projektstand

Projektträger

Investitionsprogramm National Infrastructure Pipeline, mit 9.000 Infrastrukturprojekten

1.785,0

derzeit in Umsetzung, Laufzeit bis 2025

verschiedene Ministerien und Bundesstaaten, Koordinierung durch das Department of Economic Affairs

Investitionsprogramm PM Gati Shakti – Nationaler Masterplan für multimodale Konnektivität

1.223,0

derzeit in Umsetzung, Laufzeit bis 2025

Ministry of Home AffairsMinistry of Road Transport & HighwaysMinistry of RailwaysMinistry of Ports, Shipping & WaterwaysDepartment for Promotion of Industry and Internal Trade

Regional Rapid Transit System (RRTS) / Regionalbahnnetz mit 350 km Länge im Großraum Delhi

17,0

Phase I: erste Strecke im Bau; Fertigstellung aller 3 Verbindungen bis 2025; Phase II: 8 Strecken 380 km, Planungsphase

National Capital Region Transport Corporation

Gurugram Global City / Stadtentwicklungsprojekt in Grurugram (Haryana)

15,0

Frühe Planungsphase; Landerwerb verzögert sich; Finanzierung noch offen

Haryana State Industrial & Infrastructure Development Corporation

Bau einer Anlage für grünen Wasserstoff und Ammoniak durch Ocior Energy im Distrikt Kachchh

4,9

Absichtserklärung unterzeichnet, Produktionsstart geplant für 2030

Ocior Energy

Varanasi-Kolkata Expressway / 610 Kilometer lange Autobahn

3,7

1. Teilstück ausgeschrieben; Baubeginn: 2023; Fertigstellung: 2027

National Highways Authority of India

Dharavi Development Project / Stadtentwicklungsprojekt in Mumbai

2,8

Ausschreibung abgeschlossen; Laufzeit des Projekts bis 2039

Adani Group

New Chennai International Airport / Parandur (Tamil Nadu)

2,5

Planungsphase; Fertigstellung: 2028

Tamil Nadu Industrial Development Corporation

Central Vista Redevelopment Project / Neubau des Regierungsviertels in New Delhi

2,4

Baubeginn: 2021; Fertigstellung: 2024

Central Public Works Department

Quelle: Recherchen Germany Trade & Invest 2023


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