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Schub für grünen Wasserstoff

Indien hat die grüne Wasserstoffwirtschaft entdeckt. Erste Projekte sollen in Kürze starten, der Bedarf an Elektrolyseuren dürfte in den nächsten Jahren stark wachsen.

Von Boris Alex | New Delhi

Indien will bei der Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch im Privatsektor steht der grüne Wasserstoff als künftiger Bestandteil im Energiemix inzwischen weit oben auf der Agenda. Indiens jährlicher Bedarf von etwa 6 Millionen Tonnen wird zurzeit noch ausschließlich mit grauem Wasserstoff aus fossilen Energieträgern gedeckt. Bis 2050 könnte der Verbrauch auf bis zu 28 Millionen Tonnen steigen, so die Prognose des Forschungsinstituts Teri. Der vor allem von der chemischen, petrochemischen und der Stahlindustrie benötigte Wasserstoff soll bis dahin zu 75 Prozent aus Solar- und Windenergie erzeugt werden. Darüber hinaus will sich das Land als internationaler Produktions- und Exporthub für grünen Wasserstoff etablieren.

Um diese Ziele zu erreichen, hat die indische Regierung im August 2021 die "National Hydrogen Energy Mission" auf den Weg gebracht. Diese soll künftig den regulatorischen Rahmen für die Produktion von grünem Wasserstoff bilden. Im Mittelpunkt stehen die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung sowie der Aufbau einer Transport- und Speicherinfrastruktur. Zudem sind Anreize für ein Engagement des Privatsektors in der Wasserstoffwirtschaft, aber auch verbindliche Vorgaben für den Einsatz von grünem Wasserstoff unter anderem in der Chemie- und Stahlindustrie geplant. Im öffentlichen Nah- und im Straßenschwerlastverkehr könnte er ebenfalls als alternativer Treibstoff zum Einsatz kommen.

Investitionen von 44 Milliarden US$ bis 2030 möglich

Zwar steht Indiens Wasserstoffwirtschaft noch ganz am Anfang. Doch vor allem das wachsende Engagement des Privatsektors deutet darauf hin, dass ein neuer Industriezweig entstehen könnte. Das Forschungsinstitut Council on Energy, Environment and Water (CEEW) beziffert das Investitionspotenzial bei grünem Wasserstoff bis 2030 auf insgesamt 44 Milliarden US-Dollar (US$). Die ersten Projekte stehen bereits in den Startlöchern. Der indische Mischkonzern Reliance Industries will bis 2035 klimaneutral sein und investiert in den nächsten drei Jahren umgerechnet 10 Milliarden US$ in Maßnahmen zur CO2-Reduktion.

Das Unternehmen errichtet derzeit für rund 8 Milliarden US$ in Jamnagar (Bundesstaat Gujarat) einen Industriepark, der die gesamte Wertschöpfungskette der erneuerbaren Energien abdecken wird. Neben Fabriken zur Herstellung von Solarzellen und -modulen sowie Wind- und Solarparks zur Stromerzeugung ist auch eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff geplant. Ziel ist es, die Kosten für die Herstellung von einem Kilogramm grünen Wasserstoffs bis 2030 von derzeit knapp 6 US$ auf 2 US$ zu senken und damit eine Parität zum grauen Wasserstoff aus Kohle und Erdgas herzustellen. Darüber hinaus will Reliance ein Werk zur Fertigung von Elektrolyseuren für den indischen Markt sowie den Export mit einer Jahreskapazität von 2.500 Megawatt bauen. Die Kosten für die Fabrik beziffert das Unternehmen auf 500 Millionen US$.

Öl- und Gaskonzerne planen Produktion von grünem Wasserstoff

Auch der staatliche Gaskonzern GAIL will in die Produktion von grünem Wasserstoff einsteigen. Ende Oktober 2021 hatte das Unternehmen angekündigt, einen Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur (PEM) mit einer Leistung von 10 Megawatt beschaffen zu wollen. Darin sollen ab 2023 täglich 4,5 Tonnen grüner Wasserstoff hergestellt werden. Die Indian Oil Corporation will in ihrer Raffinerie in Mathura im Bundesstaat Uttar Pradesh ebenfalls eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff errichten. Der Strom hierfür soll aus dem 5-Gigawatt-Wind-Solar-Hybridpark, den das Unternehmen derzeit in Gujarat baut, bezogen werden.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Kooperationen mit ausländischen Lösungsanbietern aus der Wasserstoffwirtschaft. Indiens größter privater Stahlkonzern JSW Group arbeitet mit dem australischen Unternehmen Fortescue Future Industries bei der Entwicklung von grünem Stahl zusammen. Dabei soll im Produktionsprozess Wasser- statt Kohlenstoff zum Einsatz kommen. Der Kraftwerksausrüster BGR Energy Systems will Presseinformationen zufolge mit dem irischen Unternehmen Fusion Fuel eine Pilotanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff aus Solarenergie errichten. Dieser soll unter anderem für die Ammoniakproduktion und andere Industrieanwendungen eingesetzt werden.

Regierung will Unternehmen zur Abnahme verpflichten

Die Firmen setzen darauf, dass Branchen wie die Düngemittel- oder Stahlindustrie künftig dazu verpflichtet sein werden, einen Teil ihres Wasserstoffbedarfs aus grünem Wasserstoff zu decken. Die Regierung hatte Anfang September 2021 angekündigt, den Mechanismus der "Renewable Purchase Obligation" auf grünen Wasserstoff ausdehnen zu wollen. Dabei schließen Stromerzeuger und -großverbraucher entweder Lieferverträge mit Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien oder erwerben ihn über den Zertifikatehandel "Renewable Energy Certificates". Schon bei einem verpflichtenden Anteil von 10 Prozent des aktuellen Verbrauchs von 6 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr würde Indien Elektrolyseure mit einer Kapazität von 8.800 Megawatt benötigen, so eine Berechnung des CEEW.

Bislang gibt es allerdings keine lokale Produktion der Ausrüstung. Um möglichst schnell die benötigten Kapazitäten aufzubauen, will die Regierung bald mit der Beschaffung von Elektrolyseuren mit einer Leistung von 4.000 Megawatt starten. Dies kündigte der Energieminister R.K. Singh an. Um bei Elektrolyseuren nicht dauerhaft auf Importe angewiesen zu sein, soll die lokale Herstellung der Anlagen in das Industrieförderprogramm Production Linked Incentives (PLI) aufgenommen werden. Je nach Branche erhalten die Unternehmen dabei einen finanziellen Bonus abhängig von ihrer Produktionssteigerung, Subventionen für den Aufbau von Fertigungskapazitäten oder andere Investitionserleichterungen.

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