Der Mittelzufluss in die Pharmabranche steigt. Die Forschungsausgaben sind trotzdem vergleichsweise gering, allerdings gibt es vereinzelt forschungsstarke Cluster.
In Indien gibt es zahlreiche Pharmafirmen. Laut staatlicher Investitionsagentur Invest India gibt es rund 3.000 Pharmaunternehmen mit mehr als 10.500 Produktionsstätten im Land. Das National Statistical Office veröffentlichte im September 2022 das Annual Survey of Industries. Darin wird die Anzahl der Fabriken in der Kategorie Pharma, medizinische Chemie und pflanzliche Produkte für das Jahr 2020 mit 5.326 angegeben.
In einem Bericht vom April 2022 schätzt das Beratungsunternehmen KPMG, dass es in Indien mehr als 24.000 registrierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Fokus auf die Pharmabranche gibt. Die Analysten gehen davon aus, dass diese KMU für 30 bis 40 Prozent der gesamten Produktion stehen und 70 Prozent der Inlandsnachfrage bedienen.
Darüber hinaus nehmen die großen und börsennotierten Firmen eine wichtige Rolle ein und verfügen oft über ausreichend finanzielle Mittel für moderne Produktions- und Forschungseinrichtungen. Zu diesen Firmen gehören beispielsweise Sun Pharmaceuticals Industries, Dr. Reddys Laboratories oder auch Cipla. Sie alle erwirtschaften Milliardenumsätze. Neben den börsennotierten Unternehmen gibt es allerdings auch andere Branchenriesen, wie zum Beispiel das in Pune ansässige Serum Institut of India. Dieses gilt als mengenmäßig größter Impfstoffhersteller der Welt.
Führende Pharmaunternehmen in Indien (Umsatz in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent)*)
Unternehmen | Umsatz (2021/22)*) | Veränderung |
---|
Sun Pharmaceuticals Industries Ltd | 2.054 | 6,4 |
Dr Reddys Laboratories Ltd | 1.899 | 4,0 |
Cipla Ltd | 1.726 | 11,7 |
Lupin Ltd | 1.552 | 2,6 |
Aurobindo Pharma Ltd | 1.488 | -31,2 |
Divis Laboratories Ltd | 1.170 | 25,9 |
Alkem Laboratories Ltd | 1.164 | 17,9 |
Glenmark Pharmaceuticals Ltd | 1.073 | 3,7 |
Zydus Lifesciences Ltd | 1.052 | -1,1 |
Torrent Pharmaceuticals Ltd | 889 | 0,8 |
*)Wechselkurse der Federal Reserve Bank jeweils zum 31.3; Angaben für das indische Finanzjahr vom 1. April bis 31. März Quelle: Moneycontrol und Screener 2022
Life Sciences mit wachsendem Mittelzufluss
Der Bereich Life Sciences konnte laut dem Beratungsunternehmen Ernst & Young hohe Zuflüsse aus den Bereichen Private Equity sowie Venture Capital verzeichnen. Im Jahr 2021 waren es 4,4 Milliarden US$ - ein Wachstum von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Von den 4,4 Milliarden US$ gingen 1,7 Milliarden US$ als Wachstumskapital an Unternehmen. Weitere 1,4 Milliarden US$ flossen in Start-ups.
Pandemiebedingt lag der wertmäßige Anteil von Pharma an allen Zuflüssen 2020 bei 87 Prozent. Im Jahr 2021 ging er jedoch auf 51 Prozent zurück. Im Pharmasektor floss besonders viel Geld in die Bereiche Galenik (formulations) und Auftragsentwicklung/-herstellung.
Investmenttrends im Bereich Life Sciences in Indien (Volumen in Millionen US-Dollar)
Jahr | Investitionsvolumen | davon Pharma | Anzahl der Transaktionen | davon Pharma |
---|
2019 | 2.553 | 1.501 | 76 | 16 |
2020 | 3.815 | 3.325 | 88 | 38 |
2021 | 4.390 | 2.307 | 117 | 32 |
Quelle: Ernst & Young 2022
Zusätzlich nutzen größere Unternehmen Börsengänge, um sich Kapital zu verschaffen. Glenmark Life Sciences konnte dadurch 2021 rund 205 Millionen US$ erlösen. Für 2022 stehen zum Beispiel Börsengänge von Mankind Pharma für prognostizierte 744 Millionen US$ und für Emcure Pharmaceuticals für vorhergesagte 609 Millionen US$ an.
Ausländische Direktinvestitionen mit Zuwachs durch Corona
In den vergangenen beiden Finanzjahren wurden Rekordergebnisse bei ausländischen Direktinvestitionen vermeldet. Für 2020/2021 und auch im darauf folgenden Jahr flossen jeweils mehr als 1,4 Milliarden US$ in die Branche und damit mehr als je zuvor. Die Mittel wurden hauptsächlich für Investitionen zur Bekämpfung der Coronapandemie genutzt.
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Die Forschungsausgaben sind gering
Im internationalen Vergleich geben die Unternehmen wenig Geld für Forschung aus. Die Großbank HDFC geht davon aus, dass die zehn größten indischen Pharmafirmen lediglich 7,2 Prozent ihres Umsatzes im Finanzjahr 2020/2021 (1. April bis 31. März) dafür einsetzten. In der Fachzeitschrift Biospectrum war im August 2022 ein Wert von 7,8 Prozent zu finden. In absoluten Zahlen gab der Branchenriese Sun Pharmaceuticals Industries beispielsweise rund 294 Millionen US$ aus und bei Dr. Reddys Laboratories waren es 226 Millionen US$.
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Steuerliche Vergünstigungen für die Forschung sind durch den Income Tax Act von 1961 geregelt. Für die Bereiche Pharma und Biotechnologie ist insbesondere Section 35AB davon relevant. Demzufolge verringert sich die Einkommenssteuer um 100 Prozent der Forschungsausgaben. Bis 2017 hatte der Wert noch bei 200 Prozent gelegen. Danach wurde er auf 150 Prozent gesenkt, ehe er im April 2020 das jetzige Level erreichte. Die Forschung bedarf dabei der Genehmigung durch das Department of Scientific and Industrial Research (DSIR). Eine Umfrage des Beratungsunternehmens Grant Thornton Bharat im Januar 2022 ergab, dass die Mehrzahl der befragten Pharmaunternehmen Forschung und Entwicklung als wichtiges Investitionsfeld sehen. Gleichzeitig sprachen sie sich für höhere steuerliche Vergünstigungen im Rahmen des Income Tax Act aus. Allerdings hat die Regierung den Forderungen bisher nicht nachgegeben.
Direkte staatliche Forschungshilfe gibt es über diverse Regierungsprogramme. Dazu gehört beispielsweise ein Programm des Department of Science & Technology. Sofern Unternehmen bei der Forschung zu neuen Medikamenten mit staatlichen Einrichtungen (etwa Universitäten) zusammenarbeiten, können sie Kredite zu sehr günstigen Konditionen (soft loan) beantragen. Das Angebot soll die Forschungstätigkeit speziell von neu gegründeten und kleinen Unternehmen unterstützen.
Der Patentschutz ist schwach
Laut indischem Recht können chemische Substanzen im Pharmabereich nicht unter Patentschutz stehen. Lediglich der Herstellungsprozess kann patentiert werden. Dies führt bisweilen dazu, dass lokale Firmen im Rahmen von Reverse-Engineering Arzneimittel zerlegen, um sie anschließend in anderer Form selbst herzustellen. Der relativ laxe Patentschutz ist stets Streitgrund bei Verhandlungen über ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien. Diese wurden 2021 wieder aufgenommen.
Cluster insbesondere im Süden und Westen
Branchenkenner weisen darauf hin, dass der Begriff Cluster sehr lose verwendet wird. Meist reicht eine einfache lokale Häufung von Life Science Unternehmen, um einem Gebiet diesen Stempel aufzudrücken. Forschungsstarke Cluster, die aktiv geplant und betrieben werden, sind die Ausnahme. Dazu zählt beispielsweise das Genom Valley nahe Hyderabad. Neben der Produktion haben sich dort zahlreiche Unternehmen mit Fokus auf Forschung in den Bereichen Pharma und Biotechnologie angesiedelt. Allgemein sind Cluster eher im Westen und Süden Indiens zu finden, allerdings gibt es auch in Nordindien einige davon. Insgesamt sollen rund 60 Stück existieren.
Von Florian Wenke
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