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Wirtschaftsumfeld | Indien | Privatisierung

Indien beschreitet neue Wege bei der Privatisierung

Der Subkontinent hält an seiner Privatisierungspolitik mit ambitionierten Erlöszielen fest. Ein Leasingmodell soll nun den traditionellen Verkauf von Staatseigentum ergänzen.  

Von Florian Wenke | Mumbai

An ehrgeizigen Zielen herrscht bei der indischen Regierung unter Premierminister Narendra Modi kein Mangel. Im aktuellen Staatshaushalt für das Finanzjahr 2021/22 (1. April bis 31. März) werden Privatisierungserlöse von knapp 24 Milliarden US-Dollar (US$) angestrebt. Staatliche Unternehmen wie beispielsweise die Fluglinie Air India, der Chemiekonzern Bharat Petroleum oder die Reederei Shipping Corporation of India sollen verkauft werden. Dabei stehen die Käufer nicht immer Schlange, denn einige der Unternehmen - wie Air India - sind verschuldet, wenig profitabel oder gar defizitär und müssen dringend restrukturiert werden. Andere hingegen gelten als wertvoll, weil sie etwa über begehrte Grundstücke in den Metropolen des Landes verfügen. 

Eigentum liegt weiterhin beim Staat

Zu den bisherigen Maßnahmen kommt nun die National Monetisation Pipeline (NMP) hinzu. Das Vorhaben soll bis zum Jahr 2025 rund 81,7 Milliarden US$ in die Staatskasse spülen (Umrechnungskurs laut Federal Reserve Bank vom 27. August 2021; 1 US$ = 73,47 indische Rupien). Anders als bisher sollen die Vermögenswerte nun jedoch nicht verkauft, sondern den Investoren zur Nutzung für einen begrenzten Zeitraum überlassen werden. Im Gegenzug erhält die Regierung eine Gebühr, bevor sie abschließend wieder den Besitz übernimmt. Der Staat soll die gesamte Zeit über Eigentümer bleiben. Der Zielzeitraum bis 2025 ist deckungsgleich mit der momentanen Phase der National Infrastructure Pipeline, in der die meisten wichtigen Infrastrukturvorhaben gebündelt sind. Die neue Geldquelle soll zur Finanzierung dieser Maßnahmen beitragen.

Der für die NMP herangezogene Staatsbesitz kommt ebenfalls hauptsächlich aus dem Infrastrukturbereich. Die Bandbreite reicht von Straßen und dem Schienennetz über den Bereich Energieversorgung bis hin zu Telekommunikationseinrichtungen, Häfen und sogar Stadien. Es handelt sich ausschließlich um Brownfield-Objekte, also um bereits fertig vorhandene Infrastruktur.  

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Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die Verträge zeigt sich die Regierung flexibel. Neben Ansätzen mit direkten Verträgen wie zum Beispiel den bereits bekannten Public-private-Partnership-Modellen (PPP) sollen auch strukturierte Finanzierungsmodelle, etwa in Form von Treuhandgesellschaften, genutzt werden. 

In einem ersten Schritt sollen nun die Bundesstaaten eine Übersicht über ihre jeweils geeigneten Objekte erarbeiten. Um den Ländern die Teilnahme schmackhaft zu machen, hat ihnen die Zentralregierung einen Teil der Einnahmen versprochen. Anschließend ist geplant, geeignete Objekte in Paketen zusammenzuführen, für die im nächsten Schritt eine passende Vertragsstruktur gewählt wird. Nach Zustimmung der öffentlichen Hand können die Pakete dann ausgeschrieben werden. Der Zeitplan ist eng getaktet, und im Finanzjahr 2021/22 sollen bereits rund 12 Milliarden US$ erlöst werden. 

Kritik bleibt nicht aus

Die Idee findet nicht nur Zustimmung. Kritiker werfen der Regierung vor, kostbaren Staatsbesitz und Teile einer als kritisch angesehenen Infrastruktur aus der Hand zu geben. Auch wird eine mögliche Intransparenz bei den Ausschreibungen und Vergabeverfahren bereits im Vorfeld angemahnt. Mancher Beobachter bemängelt zudem die bisher fehlenden Streitschlichtungsmechanismen im Verfahren und fürchtet eventuelle negative Auswirkungen auf die Nutzungsgüter. Dennoch dürfte die Umsetzung der Maßnahme zügig beginnen. 

Mehreinnahmen für den Staatshaushalt willkommen

Die durch die NMP generierten zusätzlichen Mittel dürften dabei helfen, das Fiskaldefizit zu reduzieren. Im Finanzjahr 2020/21 hatte dieses bei 9,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gelegen. In den ersten vier Monaten des gleichen Finanzjahres betrug das Defizit rund 44 Milliarden US$ - etwas mehr als 21 Prozent der für das gesamte Jahr veranschlagten Summe. Momentan erholt sich die Konjunktur in Indien wieder von der verheerenden zweiten Pandemiewelle. Im ersten Quartal des Finanzjahres 2021/22 wuchs die Wirtschaft um rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wobei die Bauwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe besonders stark anzogen. 

Außerdem steigen die Staatseinnahmen wieder, während die Ausgaben für große Unterstützungsprogramme wie etwa die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen des Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act 2005 (MGNREGA) wieder von ihren Rekordständen zurückgehen. Volkswirte gehen davon aus, dass das wirtschaftliche Vorkrisenniveau im kommenden Finanzjahr 2022/23 erreicht wird. Die Einnahmen aus der NMP dürften dabei unterstützend wirken.   

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