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Die indische Regierung will mit Hilfe von Production Linked Incentives Investoren aus der verarbeitenden Industrie ins Land locken. Den Anfang macht die Elektronikfertigung.
21.10.2020
Von Boris Alex | New Delhi
Weniger Importe und mehr lokale Produktion - so lässt sich die Neuausrichtung der indischen Industriepolitik zusammenfassen. Die Regierung setzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und des wachsenden Einflusses Chinas in der Region verstärkt auf politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Unter dem Motto Make in India - Make for World sollen Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie den Subkontinent künftig als Export-Hub nutzen. Um potenziellen Investoren den Standort schmackhaft zu machen, hat die Regierung eine Reihe von Maßnahmen beschlossen.
Den Anfang macht die Elektronikindustrie. Indiens Konsumenten geben immer mehr Geld für Smartphones und Tablets aus, doch nach wie vor werden die meisten Geräte importiert. Und selbst bei den lokal montierten Handys stammen wichtige Bauteile größtenteils aus China, Südkorea, Taiwan und Südostasien. Im Finanzjahr 2019/20 (1. April bis 31. März) importierte Indien elektronische Bauteile im Wert von fast 15 Milliarden Euro, davon machten Smartphone-Komponenten knapp die Hälfte aus. Der Anteil Chinas lag in diesem Segment bei 45 Prozent, so eine Analyse der indischen Statistikbehörde für den Außenhandel Directorate General of Commercial Intelligence and Statistics.
Der Anteil Indiens an der globalen Elektronikfertigung ist in den letzten fünf Jahren zwar stetig gewachsen, liegt aber mit einem Produktionswert von schätzungsweise 70 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2019 trotzdem nur bei rund 3 Prozent. Allerdings könnte Indien bis 2025 diesen auf 140 Milliarden US$ verdoppeln, so die Einschätzung der India Cellular and Electronics Association (ICEA).
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die indische Regierung im April 2020 ein Production Linked Incentive (PLI) Programm für die Elektroniksparte vorgestellt. Dabei erhalten indische und ausländische Hersteller von Mobiltelefonen sowie von ausgewählten Komponenten einen Bonus zwischen 4 und 6 Prozent des im Vergleich zum Basisjahr 2019/20 zusätzliche generierten Umsatzes in den förderfähigen Produktsparten. Weitere Informationen zum Programm sind beim zuständigen Ministry of Electronics and Information Technology (MeitY) abrufbar.
Um in den Genuss der Mittel zu kommen, müssen die Unternehmen ein Reihe von Auflagen erfüllen. So sind sie dazu verpflichtet, innerhalb der ersten vier Förderjahre gegenüber dem Basisjahr 2019/20 zusätzlich zwischen 12 Millionen und 117 Millionen Euro zu investieren. Für das PLI-Programm stehen bis 2025 insgesamt fast 5 Milliarden Euro bereit. Damit könnten zusätzliche Investitionen von 1,3 Milliarden Euro angeschoben werden, so die Berechnung der Regierung. Die Produktion von Mobiltelefonen und Komponenten soll sich bis auf 122 Milliarden Euro verfünffachen. Davon würden bis zu 60 Prozent in den Export gehen. Der Lokalisierungsgrad bei Smartphones könnte sich auf 40 Prozent verdoppeln.
Das Programm ist bei indischen und internationalen Elektronikfirmen mit 22 Bewerbern auf breites Interesse gestoßen. Anfang Oktober wurde bekannt gegeben, dass insgesamt 16 Unternehmen für das PLI-Programm ausgewählt wurden, davon jeweils fünf indische und internationale Handyproduzenten sowie sechs Hersteller von elektronischen Bauteilen. Laut MeitY beläuft sich die Fördersumme für internationale Produzenten auf 656 Millionen Euro je Firma, für lokale Hersteller auf 170 Millionen und für die Komponentenhersteller auf 105 Millionen Euro über die nächsten fünf Jahre.
Bei den Handyherstellern kamen Samsung, Foxconn, Rising Star, Wistron, Pegatron, Lava, Bhagwati (Micromax), Padget Electronics, UTL Neolyncs und Optiemus Electronics zum Zuge und bei den Komponentenherstellern T&S, Ascent Circuits, Visicon, Walsin, Sahasra und Neolync. Allein die drei taiwanischen Auftragsfertiger Foxconn, Wistron und Pegatron wollen in den kommenden fünf Jahren zusammen 900 Millionen US$ in in Indien investieren. Foxconn und Wistron sind bereits mit eigenen Produktionsstätten auf dem Subkontinent vertreten und fertigen unter anderem Apple- und Xiaomi-Smartphones vor allem für den lokalen Markt und künftig verstärkt für den Export.
Das Bonussystem soll schrittweise auf weitere Industriebranchen ausgedehnt werden. Im Juli 2020 hat die Regierung die Einführung eines PLI-Programm für die lokale Produktion von Arzneistoffen (Active Pharmaceutical Ingredients; API) und Ausgangsstoffen (Key Starting Materials; KSM) vorgestellt. Je nach Produkt erhalten die Hersteller einen umsatzbezogenen Bonus zwischen 5 und 20 Prozent. Voraussetzung ist auch hier, dass die Firmen zunächst in neue Produktionskapazitäten investieren müssen. Für das Programm stehen bis 2028/29 insgesamt 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung.
Auch die Hersteller von Medizintechnik kommen in den Genuss des PLI-Programms. Hier erhalten die Unternehmen auf den gegenüber dem Basisjahr 2019/20 zusätzlichen Absatz und Export von in Indien hergestellten medizintechnischen Produkten wie Geräte zur bildgebenden Diagnostik und Implantaten einen Bonus von 5 Prozent. Indien stellt hierfür in den nächsten fünf Jahren insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung.
Die Stahlindustrie könnte als nächstes an der Reihe sein. Hier ist ein PLI-Programm zur Herstellung von Spezialstahlsorten unter anderem für die Kfz- und Zulieferindustrie, die bislang überwiegend importiert werden müssen, geplant. Dabei sollen die Unternehmen einen Bonus von 3 bis 5 Prozent auf den Produktionswert erhalten. Insgesamt könnten hierfür 390 Millionen Euro bereitgestellt werden. Mittelfristig soll das Förderinstrument auf Branchen wie Speichertechnik, Photovoltaik, Automotive, Nahrungsmittelverarbeitung und Textilien ausgeweitet werden. Insgesamt will die Regierung bis zu 35 Milliarden Euro für das PLI-Programm bereitstellen.