Mehr zu:
IndienÖffentliche Finanzen, Staatshaushalt / Wirtschaftsstruktur / Zolltarif, Einfuhrzoll / Gesundheitswesen / Infrastruktur / Schienenverkehr / Investitionsklima / Privatisierungsvorhaben
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Wirtschaftsumfeld | Indien | Staatshaushalt
Die Investitionen werden kräftig erhöht. Indiens Infrastruktursektor profitiert sehr davon. Das hohe Fiskaldefizit soll auch durch geplante Privatisierungserlöse gesenkt werden.
08.02.2021
Von Florian Wenke | Bonn
Am 1. Februar 2021 hat Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman den Haushalt für das kommende Finanzjahr 2021/22 (1. April bis 31. März) im Parlament vorgestellt. Der Auftritt war mit Spannung erwarteten worden, denn die Coronapandemie hat an Indiens Wirtschaft Spuren hinterlassen - wegbrechenden Einnahmen standen gleichzeitig erhöhte Ausgaben für Rettungsprogramme und staatliche Unterstützungsmaßnahmen gegenüber.
Für das kommende, am 1. April 2021 beginnende, Finanzjahr plant die indische Regierung Gesamtausgaben von etwas mehr als 470 Milliarden US-Dollar (US$; basierend auf dem durchschnittlichen jährlichen Umrechnungskurs 2020 laut Bundesbank). Das ist eine leichte Steigerung gegenüber den im laufenden Finanzjahr 2020/21 getätigten Ausgaben in Höhe von rund 466 Milliarden US$. Die Planung lag ursprünglich bei lediglich 411 Milliarden US$, allerdings machte die Coronakrise zusätzliche Ausgaben notwendig, besonders für Hilfsprogramme und Nahrungsmittelsubventionen.
Weil gleichzeitig die Einnahmen durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie deutlich geringer als erwartet ausfielen, rechnet Indien für 2020/21 mit einem Fiskaldefizit von rund 249,6 Milliarden US$ - 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Im kommenden Finanzjahr soll das Defizit auf 203,4 Milliarden US$ - dann 6,8 Prozent des BIP - sinken und bis 2025/26 auf 4,5 Prozent des BIP zurückgeführt werden.
Dabei helfen dürfte die wachsende Wirtschaft. Kurz vor der Präsentation des Staatshaushaltes wurde der Economic Survey 2021 vorgestellt. Für das zu Ende gehende Finanzjahr wird darin ein historischer Einbruch des BIP von 7,7 Prozent angegeben. Mittlerweile hat die Konjunktur jedoch wieder Fahrt aufgenommen. Die Regierung rechnet für 2021/22 mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum von inflationsbereinigt 11 Prozent und liegt damit in etwa gleichauf mit der Prognose des Internationalen Währungsfonds vom Januar 2021. Dieser sieht eine Zunahme des BIP von 11,5 Prozent.
Indikator | 2020/21 geplant | 2020/21 Prognose | 2021/22 geplant |
---|---|---|---|
Ausgaben | 410,7 | 465,7 | 470,2 |
Einnahmen (Revenue Receipts) 3) | 272,8 | 209,9 | 241,4 |
Privatisierungserlöse | 28,3 | 4,3 | 23,6 |
Fiskaldefizit | 107,5 | 249,6 | 203,4 |
Investitionen (Capital Expenditure ausgewiesen als Gross Budgetary Support) | 55,6 | 59,3 | 74,8 |
Zwar wurden im laufenden Jahr die ambitionierten Ziele bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen deutlich verfehlt, und es konnten nur 4,3 Milliarden US$ anstatt der anvisierten 28,3 Milliarden US$ erlöst werden. Doch Indiens Regierung hält an ihrer Strategie fest und möchte sich weiterhin von Firmenanteilen und auch Grundstücken monetarisieren. Für 2021/22 sollen auf diesem Wege 23,6 Milliarden US$ in die Staatskasse gespült werden. Das Geld wird dringend gebraucht, denn trotz angespannter Haushaltssituation wurde weitgehend auf Steuererhöhungen verzichtet.
Indien möchte nicht nur Staatsunternehmen privatisieren, sondern auch neue Investoren anlocken. So wurde im Budget bekannt gegeben, dass die Schwelle, bis zu der ausländische Direktinvestitionen in Versicherungsunternehmen erlaubt sind, von 49 auf 74 Prozent erhöht wird.
Ein Fokus des neuen Staatshaushaltes liegt auf den Investitionsausgaben, die um 34 Prozent gegenüber dem letztjährigen auf rund 74,8 Milliarden US$ zulegen. Vor allem die Infrastruktur soll von den gesteigerten Ausgaben profitieren. Rund 2,7 Milliarden sollen beispielsweise in die Gründung der Development Financial Institution (DFI) fließen. Deren Zweck wird es sein, Infrastrukturvorhaben zu bündeln und deren Finanzierung zu erleichtern.
Die Summe von 14,6 Milliarden US$ ist für Investitionen durch das Ministry of Road Transport and Highways veranschlagt. Der Bau von (Schnell-)Straßen soll damit vorangetrieben werden. Besonders im Fokus stehen dabei die Bundesstaaten Tamil Nadu, Kerala, Westbengalen und Assam. Auch der Schienenverkehr profitiert von den allozierten Mitteln. Rund 14,5 Milliarden US$ stehen für Investitionen zur Verfügung. Ausgegeben werden sollen sie beispielsweise für die weitere Elektrifizierung der Strecken. In den Städten sollen Metro-Netzwerke gestärkt werden. Rund 2,4 Milliarden fließen in ein Programm zum Betrieb von 20.000 Bussen im ÖPNV.
Ausgehend von den Investitionen in die Infrastruktur, erwarten Experten einen positiven Spill-over-Effekt auch für andere Bereiche der Wirtschaft.
Der Gesundheitssektor (Health and Wellbeing) kann ebenfalls einen drastischen Anstieg der zugewiesenen Mittel verzeichnen. Im Vergleich zum vorherigen Haushalt sind sie auf rund 30,2 Milliarden US$ gestiegen - ein Plus von 137 Prozent. Experten hatten seit langem eine Steigerung der Ausgaben gefordert, gab die Regierung bisher doch nur etwas mehr als 1 Prozent des BIP für den Gesundheitssektor aus.
Alleine für Impfungen gegen COVID-19 werden Ausgaben in Höhe von rund 4,7 Milliarden US$ aufgeführt. Die Summe von 8,7 Milliarden US$, verteilt über die kommenden sechs Jahre, steht für das Programm PM Atmanirbhar Swasth Bharat Yojana zur Verfügung. Es ist geplant, Kliniken, Forschungs- und Verwaltungseinrichtungen im Gesundheitsbereich auf- und auszubauen.
Die Regierung unter Premierminister Narendra Modi möchte ein wirtschaftlich unabhängiges Indien - Atmanirbhar Bharat - schaffen. Diese wirtschaftspolitische Zielsetzung spiegelt sich auch im Haushalt wider. So stehen für die kommenden fünf Finanzjahre rund 26,7 Milliarden US$ an Subventionen für die Förderung der Fertigung in Indien zur Verfügung. Unterschiedliche Industriebereiche sollen in den Genuss der sogenannten Production Linked Incentives kommen, die in Abhängigkeit der hergestellten Mengen gezahlt werden.
Um die Produktion im Inland zusätzlich zu forcieren, wurden gleichzeitig Erhöhungen von Importzöllen bekannt gegeben. So werden beispielsweise für die Einfuhr bestimmter Kfz-Teile zukünftig Zölle in Höhe von 15 anstatt 10 beziehungsweise 7,5 Prozent erhoben. Darunter befinden sich unter anderem Zündkabelsätze, Sicherheitsglas und Kompressoren.