Mehr zu:
IndonesienElektromobilität
Branchen
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Branchen | Indonesien | Elektromobilität
Der Öl- und Gaskonzern Pertamina, der Strommonopolist PLN und die Minenholding Mind formen die "Indonesia Battery Holding", um die Batterieproduktion für E-Autos voranzutreiben.
03.11.2020
Von Frank Malerius | Jakarta
Das Ministerium für staatseigene Betriebe hat den Zusammenschluss von drei Staatsunternehmen zur sogenannten Indonesia Battery Holding beschlossen. Sie soll eine gemeinsame Lieferkette für eine Batterieproduktion bilden. Ziel ist der Aufbau von Elektromobilität im Archipel. Weitere Anwendungsform sollen Stromspeicher sein. Im Gespräch ist eine jährliche Produktion von 8 bis 10 Gigawattstunden (GWh).
Im Upstream-Bereich soll die Minenholding Mind den Nickel bereitstellen. Indonesien gehört zu den weltgrößten Förderern dieses Rohstoffs, große Vorkommen gibt es vor allem in Sulawesi. Derzeit bauen Minenkonzerne Nickelschmelzanlagen, da ein Exportverbot für unverarbeitete Erze verhängt wurde. Im Midstream hat der Öl- und Gaskonzern Pertamina die Aufgabe, eine Batteriezellfertigung aufzubauen. Im Downstream-Bereich soll der Stromkonzern PLN die Ladeinfrastruktur schaffen.
Eine Batterieproduktion großen Maßstabs ist aber nur mit ausländischem Know-how und Kapital möglich. Laut Medienberichten gibt es Verhandlungen mit dem chinesischen Batteriehersteller CATL und dem südkoreanischen Produzenten LG Chem. Demnach geht es um Investitionssummen von 12 Milliarden bis 20 Milliarden US-Dollar (US$). Auch ein großer deutscher Automobilkonzern war in der Vergangenheit als möglicher Kooperationspartner genannt worden.
Ob es tatsächlich gelingt, eine Batterieproduktion industriellen Maßstabs aufzubauen, ist allerdings fraglich. Zwar hat der Archipel mit seinen großen Nickelvorkommen und Vorräten an Kobalt und Mangan einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Ländern. Lithium hingegen müsste auf dem Weltmarkt eingekauft werden.
Unsicher ist, ob der indonesische Markt für rein batteriegetriebene Fahrzeuge in naher Zukunft eine Größe annimmt, um Investitionen in die milliardenteure Batterieproduktion zu rechtfertigen. Derzeit gibt es beispielsweise in Jakarta allenfalls ein paar Dutzend E-Taxis. Für den Privatmarkt sind E-Autos viel zu teuer. Ein konventioneller Familien-Van der Mittelklasse ist bereits ab 10.000 US$ zu haben, ein passabler Gebrauchtwagen für weniger als die Hälfte. Mit diesem Preisniveau können E-Autos nicht konkurrieren.
Indonesien wird die Einfuhr von teuren E-Autos mit Blick auf die Außenhandelsbilanz niemals in größerer Anzahl zulassen. Gleichzeitig ist aber der Exportmarkt übersichtlich. Zwar bauen die japanischen Hersteller im Land kontinuierlich die Automobilausfuhren aus. Sie gehen in alle Welt - nur nicht in die Regionen, in denen Elektromobilität in absehbarer Zeit größere Wachstumschancen hat: Nordamerika, Europa, China und Japan.
Die öffentliche Ladeinfrastruktur für E-Autos im Inselreich ist rudimentär. Nach Berechnungen von PLN wären alleine für Taxis, Busse und Motorräder 31.000 Ladestationen notwendig. Ob das Stromnetz 100.000-fache gleichzeitige Ladevorgänge aushält, ist fraglich. In welchem Zustand das Stromnetz ist, zeigte sich im April 2019, als ein Kraftwerksdefekt einen Blackout in großen Teilen Javas verursachte, der in manchen Regionen mehr als 24 Stunden anhielt. Ein Branchenexperte bezeichnet jedes neue Kraftwerk als eine "tickende Bombe" für das Netz.
Ob Indonesien in den Nachwehen der Coronakrise, während der gigantische Mittel zur Armutsvermeidung ausgegeben werden mussten, Milliardeninvestitionen für den Ausbau von Ladeinfrastruktur und Netzen stemmen kann, ist ebenfalls unsicher. Denn er dürfte vor allem die Aufgabe des - hochverschuldeten - staatlichen Stromkonzerns PLN bleiben.
Der Plan einer Wende zur Elektromobilität in Indonesien folgt keinem ökologischen Kalkül (jenseits der Verbesserung der Luftqualität in den Städten). Denn die Stromversorgung im Archipel basiert auf Kohle. Derzeit trägt der Anteil dieses im eigenen Land im Überfluss vorhandenen Energieträgers am Strommix 60 Prozent. Laut Zehnjahres-Energieplan wird sich daran nichts nennenswert ändern. Der Anteil der erneuerbaren Energien liegt bei 12 Prozent, die gesteckten Ziele zum Ausbau werden weit verfehlt. Sollten tatsächlich Millionen batteriebetriebene Pkw, Busse und Motorräder auf die Straßen kommen, würden zahlreiche neue Kohlekraftwerke gebaut werden müssen. Gas ist zwar ebenfalls vorhanden, aber deutlich teurer.
Das Motiv hinter der vage geplanten Verkehrswende ist die Substitution von Benzin und Diesel durch Kohle. Denn der Treibstoffbedarf stiegt, weil jedes Jahr etwa eine Million Pkw (und circa 6 Millionen Motorräder) neu auf die Straßen kommen. Er muss in erheblichem Anteil über Importe gedeckt werden. Laut Ministerium für Energie und Rohstoffe hat der Treibstoffverbrauch des Verkehrssektors zwischen 2010 und 2019 um 80 Prozent zugenommen.
Die eigenen Fördermengen an Erdöl sinken hingegen. Gleichzeitig kann die Produktionskapazität der heimischen Raffinerien für die Verarbeitung von Erdöl zu Benzin und Diesel immer weniger mit der Nachfrage mithalten. Und der Bau neuer Raffinerien stockt. Die Folge: Sobald der Weltmarktpreis für Öl steigt, droht der Außenhandelsbilanz eine Schieflage. Eine Linderung dieses Dilemmas besteht im steigenden Anteil von aus Palmöl gewonnenem Biotreibstoff, vor allem für den Lkw-Verkehr. Dieser muss Diesel derzeit zu 30 Prozent zugemischt werden ("B30"). Im Jahr 2021 soll er auf 40 Prozent ("B40") angehoben werden. Ausgesprochenes Ziel ist B100.