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Branchenbericht Indonesien Beratung, Planung und Forschung, übergreifend
Jakarta (GTAI) - Motorradtaxi-Services haben in Indonesiens Städten zahlreiche neue Dienstleistungen entstehen lassen. Sie profitieren von der hohen Digitalaffinität der Indonesier.
02.12.2019
Indonesiens städtische Mikrologistik hat in den vergangenen zehn Jahren nichts weniger als eine Revolution erlebt. Verantwortlich dafür sind die beiden digitalen Fahrdienstanbieter für Auto- und Motorradtaxis, Gojek und Grab. Über ihre App-basierten Plattformen entstehen stetig neue auf Mikrologistik basierende Dienstleistungen. Sie werden mittlerweile täglich millionenfach in Anspruch genommen. Laut Studien einer Universität und eines Think Tanks tragen beide Anbieter zusammen (zu etwa gleichen Anteilen) knapp 7 Mrd. US-Dollar zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei, das entspricht immerhin 0,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.
So bieten das indonesische Vorzeige-Start-up Gojek und das malaysisch-singapurische Grab neben dem Personentransport unter anderem separate Logistikdienste für Essensbestellungen, Haushaltshilfen, Medikamententransport, Masseurinnen, Kosmetikerinnen oder Automonteure an. Ihre Dienstleistungen werden per App bestellt und sind damit schneller und zuverlässiger verfügbar als durch eine telefonische Order. Darüber hinaus sind sie günstiger als normale Auto- oder Motorradtaxifahrten, weil die Fahrer als private Dienstleister operieren. Vor allem Motorraddienste sind gefragt, weil Zweiräder schneller durch die Staus navigieren als Pkw.
Auch wenn Gojek und Grab letztlich den privaten App-Nutzer bedienen, so nehmen längst auch Unternehmen deren Dienstleistungen in Anspruch, sei es etwa für innerstädtische Dokumentenlieferungen per Motorrad. Denn die Fahrer sind identifizierbar, und die Fahrten lassen sich nachverfolgen.
Ein laut den Studien mit der reinen Personenbeförderung wertmäßig nahezu gleichauf liegender Bereich sind Essenslieferungen. Das ist im Alltag allerorts spürbar: So können mobile Garküchen am Straßenrand manchmal ihre stationären Gäste kaum noch bedienen, weil zunächst die App-Bestellungen für die wartenden Motorradlieferanten abgearbeitet werden müssen. Mittlerweile helfen Services wie das gerade neu gegründete Grab Kitchen Garküchenbetreibern sogar dabei, ihr Angebot auf die Nachfrage von Grab-Nutzern in der Umgebung anzupassen.
Unternehmen Gojek und Grab in Indonesien
Gojek | Grab | |
Gründungsjahr | 2010 | 2014 |
App-Downloads | 142 Mio. | 144 Mio. |
Anzahl Städte mit Geschäft | 370 | 500 |
Anzahl Geschäftskunden | 2 Mio. | 5 Mio. |
Anzahl der Geschäftskunden im Foodsektor | 400.000 | k.A. |
Anzahl digitaler Transaktionen | 2 Mrd. (2018) | k.A. |
Wert der Transaktionen | 9 Mrd. US$ (2018) | 1 Mrd. US$ (2018) |
Quelle: Indonesische Medien/Unternehmensangaben
Beide Unternehmen sind in allen größeren Städten des Archipels aktiv und beschäftigen landesweit mittlerweile Hunderttausende von Voll- und Teilzeit-Motorradfahrern, die mit ihren grünen Jacken allerorts zum Stadtbild gehören. In Jakarta kann man kaum je mehr als ein paar 100 Meter vom nächsten Gojek- oder Grab-Fahrer entfernt sein.
Gojek und Grab machen sich die hohe Digitalaffinität der Indonesier zunutze. Denn die besteht unabhängig vom Bildungsniveau. Obwohl laut Weltbank 55 Prozent der 15-Jährigen funktionale Analphabeten sind, nutzt in den Städten ein Großteil der Jüngeren die Apps beider Unternehmen.
Für den staugeplagten Verkehr und die Luftqualität in indonesischen Städten sind Grab und Gojek eine zusätzliche Belastung. Allerdings ist der Nutzen beider Firmen für den angespannten Arbeitsmarkt nicht zu unterschätzen. Denn sie bieten jungen Männern ohne Bildungschancen zwar keine formelle Anstellung, aber immerhin ein Auskommen. Und selbst mancher Büroangestellte zieht sich am Wochenende die grüne Jacke an und bessert mit ein paar Fahrten sein Gehalt auf.
Grundlage des Erfolges von Gojek und Grab sind die variierenden, aber konkurrenzlos niedrigen Fahrpreise. Oft gibt es Rabatte, sodass auch längere Fahrten bisweilen nur Cent-Beträge kosten und damit deutlich unter den Taxitarifen von etwa 4.000 Rupiah (30 Dollar-Cent) pro Kilometer liegen. Der Fahrer bekommt eine höhere Summe als den Fahrpreis vergütet. Bezahlt wird über eines von mehreren gebräuchlichen Bezahlsystemen, zum Beispiel Gopay.
Darüber hinaus kooperieren Gojek und Grab mit Hunderttausenden von Einzelhändlern im Land. Das können Fast-Food-Ketten sein, genauso wie ein provisorischer Verkaufsstand, der Wasserflaschen für 20 Cent feilbietet. Dort bekommen Gojek- und Grab-Kunden oft 20 bis 30 Prozent Nachlass, der als Gutschrift gewährt wird. Das trifft in der ausgeprägten Rabattkultur des Landes auf fruchtbaren Boden. Beide Unternehmen haben ganz erheblich dazu beigetragen, Indonesiens Bargeldverkehr zu verringern.
Doch wer finanziert die Rabattschlachten? Gojek gilt bereits als sogenanntes Decacorn - ein Startup mit einem Unternehmenswert von mehr als 10 Milliarden US-Dollar. Doch auch nach fast einer Dekade des Bestehens gilt Gojek noch immer als defizitär. Dennoch ist das Vertrauen in den langfristigen Erfolg groß. Das zeigt die Liste der Investoren, die von Google über Chinas Technologiekonzern Tencent bis zu Singapurs staatlicher Termasek Holding reicht.
Das Vertrauen in Gojek ist gleichzeitig ein Vertrauen in den Standort Indonesien und dessen regulatorisches Umfeld. So legt der Staat etwa Mindestpreise für Beförderungen fest und könnte das Geschäftsmodell mit einem Handstreich zerstören. In vielen Bereichen, etwa bei der Beschäftigung der Fahrer, operiert Gojek in einer rechtlichen Grauzone. Doch das Unternehmen gilt als indonesische Start-up-Ikone als unantastbar. Gojek-Gründer Nadiem Makarim ist mittlerweile in die Politik gewechselt und fungiert nun als Indonesiens Bildungsminister.
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