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Indonesiens neues Investitionsrecht weckt Hoffnungen
Der Archipel öffnet hunderte Branchen für ausländische Investitionen. Doch nicht alle Hürden wurden aus dem Weg geräumt.
25.03.2021
Von Frank Malerius | Jakarta
Die Reform des indonesischen Investitionsrechts öffnet hunderte vormals geschlossene Wirtschaftssektoren für ausländische Unternehmen. Sie war im Oktober 2020 vom Parlament beschlossen worden und wurde im Februar 2021 mit der Presidential Regulation 10/2021 konkretisiert. Von den 20 für ausländische Unternehmen komplett geschlossenen Sektoren der "Negative Investment List" von 2016 sind nur noch sechs übrig geblieben (darunter Wettgeschäfte oder chemische Waffen). Aus vormals 350 Sektoren mit beschränktem Zugang wurden 46, von denen die Hälfte auf den Transportsektor entfällt.
Zu den zu 100 Prozent für ausländische Investitionen geöffneten Branchen gehören nun beispielweise der Betrieb von Mikrokraftwerken, Services in der Öl- und Gasindustrie, Groß- und Einzelhandel, E-Commerce, Vertrieb von Medikamenten und Medizintechnik, Lagerhaltung, Betrieb von Krankenhäusern, Bauconsulting, Flughafenlogistik, Immobilienhandel, Batterien für Elektroautos, Plantagenwirtschaft oder die Herstellung von Agrargütern.
Zu den Branchen, die über steuerliche Anreize für ausländische Investitionen besonders gefördert werden, zählt die Stromproduktion: etwa der Bau von Mikrokraftwerken oder die Fertigung von Komponenten für Kraftwerke oder Ausrüstungen für die Stromübertragung und -verteilung. Als aufstrebendes Schwellenland muss Indonesien seine industriellen Kapazitäten langfristig deutlich ausbauen. Auch für Investitionen in den Tourismussektor, etwa den Bau und Betrieb von 4- und 5-Sterne-Hotels, werden Steueranreize gewährt. Der Tourismus gehört zu den wichtigsten Devisenbringern des Landes.
"Ein großer Schritt nach vorn"
Die Änderung des Investitionsrechts ist eines der größten Reformprojekte der vergangenen Jahrzehnte. Es soll ausländische Unternehmen in den Archipel locken, das schwache industrielle Know-how stärken und Millionen dringend benötigter Arbeitsplätze schaffen. Sie ist ein mutiger Schritt, den Präsident Joko Widodo zu Beginn seiner zweiten und letzten Amtszeit im Jahr 2019 gegen interne Widerstände eingeleitet hat.
Philipp Kersting, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Luther in Jakarta, begrüßt die Reformen: "Endlich bietet Indonesien mit der Priorisierung bestimmter Geschäftsfelder und den daraus resultierenden Anreizen in Form von Steuervorteilen formell ein Investitionsumfeld, wie es andere Länder in der Region wie Thailand und Malaysia schon lange Zeit haben." Auch Markus Schlüter, Rechtsanwalt und Partner im Geschäftsbereich Asien/Pazifik von Rödl & Partner sieht deutliche Verbesserungen: "Es gibt tatsächlich erhebliche Liberalisierungen, auch in bislang stark geschützten Sektoren wie Transport oder Vertrieb. So ist etwa der Großhandel wieder zu 100 Prozent offen für Auslandsinvestitionen, auch dann, wenn die Herstellung der vertriebenen Waren nicht im Inselstaat erfolgt.
Wie rechtssicher sind die Reformen?
Ob das neue Investitionsrecht hält, was es auf dem Papier verspricht, muss sich allerdings erst zeigen, denn es gibt zahlreiche widerstrebende Kräfte. Der Präsident mag bei der Reform das Große und Ganze im Blick haben. Doch für die konkrete Umsetzung, etwa die Lizenzvergabe und technische Vorgaben, sind die Ministerien zuständig, die möglicherweise eine protektionistische Agenda fahren.
"Ich erwarte deutliche Verzögerungen bei der Implementierung der Gesetze durch die Ministerien", sagt Kersting. Auch Branchenverbände werden mit aller Macht versuchen, ihre Mitgliedsunternehmen vor unwillkommener Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Insbesondere bei der Öffnung des Einzelhandelssektors erwartet Kersting erhebliche Widerstande.
Interessensvertreter haben bereits nachträglich Einfluss auf die Gesetzgebung genommen: So zwangen Muslimverbände den Präsidenten dazu, Investitionserleichterungen für die Produktion alkoholischer Getränke zurückzunehmen. Und das, obwohl die Regelungen vor allem auf Regionen mit nicht-muslimischer Mehrheitsbevölkerung zielen. Jenseits davon ist Schlüter aber durchaus optimistisch: "Sofern es nicht um Religionsthemen geht, ist eine Verwässerung der Reformen aus rein protektionistischen Erwägungen heraus unwahrscheinlich, denn Lobbygruppen konnten ihre Schutzinteressen bereits im Vorfeld einbringen."
Bei verfahrensrechtlichen Erleichterungen ist Schlüter hingegen skeptischer: "Ob die Registrierung und Lizensierung von Auslandsinvestitionen tatsächlich leichter wird, bleibt abzuwarten. Hier fehlen hinreichende Erfahrungen mit der neuen Verwaltungspraxis."
Was können Unternehmen nun tun? "Wer seinen Anteil an einem ausländisch investierten Unternehmen (PMA) erhöhen oder eine entsprechende Gesellschaft neu gründen möchte, sollte möglicherweise nicht allzu lange waren", empfiehlt Kersting. "Denn in manchen Sektoren könnten Regelungen wieder zurückgedreht werden." Andererseits sollten Firmen auch auf Implementierungsverordnungen warten, denn sonst haben sie im Extremfall zwar ein ordnungsgemäß registriertes Unternehmen, bekommen aber keine operative Lizenzen.
Nur Großinvestoren sind willkommen
Bisher hat Indonesien über hohe Mindestsummen für Investitionen versucht, kleinere und mittlere ausländische Unternehmen aus dem Land zu halten. Genau daran ändert sich leider nichts, merkt Schlüter an: "Die Kapitalisierungserfordernis bleibt bestehen und zwar nicht nur, wie bislang, in einer Verordnung der Investitionsbehörde BKPM, sondern nunmehr im Range eines Präsidialdekrets."
Jakarta scheint damit zu bekräftigen, vorzugsweise nur ausländische Großinvestitionen zuzulassen. Das Mindestkapital beträgt weiterhin 10 Milliarden Rupiah (circa 700.000 US-Dollar) ohne Einbeziehung von Land oder Gebäuden. "Das ist auch eine Form von Protektionismus, zumal die Presidential Regulation 10/2021 offenbar in diversen Sektoren den Schutz lokaler Kooperativen oder kleiner Unternehmen bezweckt", resümiert Schlüter. "Ausnahmen kann es aber in einigen Bereichen geben, die im besonderen Interesse der indonesischen Wirtschaft liegen, oder bei Investitionen in Sonderwirtschaftszonen."