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Wirtschaftsumfeld | Iran | Präsidentschaftswahl

Irans neuer Präsident wird auf Distanz zum Westen bleiben

Die Wahl des bisherigen Justizchefs zum neuen iranischen Präsidenten war keine Überraschung. Das Interesse an wirtschaftlichen Kooperationen mit westlichen Ländern dürfte abnehmen.

Von Robert Espey | Dubai

Mit dem Amtsantritt des neuen, konservativen iranischen Präsidenten, Ebrahim Raeisi, Anfang August wird sich zunächst wenig ändern. Die scheidende, als gemäßigt geltende Regierung unter Hassan Rouhani (2013 bis 2021) hatte schon in den letzten Jahren nur noch geringen Handlungsspielraum. Spätestens seit den Parlamentswahlen im Februar 2020, die eine Dominanz konservativer Gruppen brachte, war klar, dass gemäßigte Kräfte nur noch wenig Einfluss haben.

Ebrahim Raeisi gilt als Gefolgsmann und möglicher Nachfolger des 82-jährigen Religions- und Revolutionsführers Ali Khamenie, der in allen zentralen politischen Fragen die letzte Entscheidungsinstanz ist. Auch die seit April 2021 in Wien geführten Verhandlungen über eine Rückkehr zum 2018 von Donald Trump aufgekündigten Atomabkommen (offizielle Bezeichnung: Joint Comprehensive Plan of Action/JCPOA) werden von der Rouhani-Regierung nach den Vorgaben Khamenies geführt.

Aufhebung der US-Sanktionen bleibt wichtiges Ziel

Die sechste Gesprächsrunde der zähen Wiener Verhandlungen ging am 20. Juni zu Ende. Ob es nun noch vor Raeisis Amtsantritt zu einer Einigung über die Wiederbelebung des Atomabkommens und damit zu einer Lockerung der US-Sanktionen kommt, ist offen. Weiterhin sind einige der von Washington und Teheran formulierten Verhandlungspositionen nicht vereinbar.

Als Antwort auf die Reaktivierung und Ausweitung der US-Sanktionen unter Präsident Trump hat Iran seinen Nuklearsektor weit über die im Atomabkommen vereinbarten Begrenzungen hinaus ausgeweitet. Mit einem vertragskonformen Rückbau des Nuklearsektors will Teheran erst beginnen, wenn die von den USA seit 2018 reaktivierten und neu verhängten Sanktionen wirksam aufgehoben sind. Diese zeitliche Abfolge wird in Washington abgelehnt. Zudem gibt es auf beiden Seiten Bestrebungen, einzelne Regelungen des Atomvertrags zu modifizieren.

Aktuelle Stellungnahmen der Rouhani-Administration sprechen von weitgehend abgeschlossenen Verhandlungen. Bei entsprechendem politischen Willen sei eine sofortige Aufhebung der US-Sanktionen möglich, so Rouhani am 23. Juni. Der Hinweis auf den "politischen Willen" dürfte sowohl auf die Biden-Administration als auch auf Religions- und Revolutionsführer Khamenie zielen.

Rouhanis Stabschef, Mahmoud Vaezi, erklärt, es bestehe auf amerikanischer Seite eine Bereitschaft zu erheblichen Zugeständnissen. Es sei unter anderem eine Einigung erzielt worden, alle Sanktionen in den Bereichen Öl, Schifffahrt und Versicherungen aufzuheben. Insgesamt werde es zur Streichung von 1.040 Sanktionsregelungen kommen. Auch habe man sich verständigt, einige Personen aus dem Umfeld Khameneis von US-Sanktionslisten zu nehmen.

Diese iranischen Darstellungen werden seitens europäischer und amerikanischer Diplomaten nicht bestätigt. Dass es bei den Verhandlungen erhebliche Fortschritte gegeben habe, sei zutreffend. Aber bei einigen zentralen Fragen stehe eine Einigung weiterhin aus.

Raeisi bezeichnet zwar die Beseitigung der US-Sanktionen als wichtiges Ziel, gleichzeitig fordert er eine Politik, die eine positive Wirtschaftsentwicklung unabhängig von der US-Sanktionspolitik ermöglicht. Eine Sanktionslockerung soll vor allem einen ungehinderten Export von Öl, Gas sowie petrochemischen Erzeugnissen garantieren und Hindernisse im internationalen Zahlungsverkehr beseitigen.

Neue Regierung setzt vermutlich weniger auf den Westen

Die Belebung des Engagements westlicher Unternehmen in Iran nach einer Lockerung der US-Sanktionen steht bislang nicht im Fokus des zukünftigen iranischen Präsidenten. Beobachter erwarten eher einen Ausbau der Kooperationen mit China und Russland. Die Rouhani-Regierung hatte nach Abschluss des Atomabkommens auf intensive Kooperationen mit europäischen, japanischen und süd-koreanischen Firmen gehofft.

Die scharfe Sanktionspolitik unter Trump führte aber dann zu verstärkten iranischen Bemühungen, die Zusammenarbeit mit Peking zu forcieren. Im März 2021 wurde mit China eine Vereinbarung über eine "Comprehensive Strategic Partnership" unterzeichnet. Innerhalb der nächsten 25 Jahre werden chinesische Investitionen in Höhe von 400 Milliarden US$ in Aussicht gestellt.

Eine wichtige Voraussetzung für einen starken Zustrom westlicher Firmen wäre eine nachhaltige Entspannung der Beziehungen zwischen Washington und Teheran. Eine mühsam ausgehandelte Reaktivierung des Atomabkommens allein würde keine hinreichende politische Stabilität schaffen. Zusätzlich wären eine Verständigung unter anderem in Fragen des iranischen Raketenprogramms, der Teheraner Aktivitäten in der Region (Irak, Syrien, Jemen etc.) und im Bereich Menschenrechte erforderlich. Raeisi, der wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen unter US-Sanktionen steht, hat aber deutlich gemacht, dass er einen Dialog darüber ablehnt.

Wirtschaftspolitische Reformen nicht zu erwarten

Der neue Präsident hat eine Sozial- und Wirtschaftspolitik angekündigt, die vor allem auf eine Verbesserung der Lage einkommensschwacher Schichten zielt. Dazu gehört die große Mehrheit der 84 Millionen Bevölkerung. Die deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den letzten Jahren führt Raeisi nicht auf die US-Sanktionen zurück. Im Wahlkampf erklärte Raeisi, die Lage des Landes habe weniger mit Sanktionen zu tun, sondern sei die Folge internen Missmanagements.

Der Verweis auf Missmanagement und Korruption lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, dass unter Raeisi die zur Belebung der Privatwirtschaft notwendigen Strukturreformen in Angriff genommen werden. Unter Raeisi ist nicht mit einer Schwächung des starken Staatssektors zu rechnen. So gehören etwa die Revolutionsgarden und staatliche Stiftungen, die Wirtschaftsimperien betreiben, zu den Unterstützern des neuen Präsidenten.

Raeisi wird sich vor allem am Primat der "Widerstandsökonomie" orientieren. Die "Resistance Economy" zielt auf eine vom Ausland unabhängige, sanktionsresistente Wirtschaft. Dabei gehört der weitere Ausbau der verarbeitenden Industrie zu den Prioritäten.

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