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Wirtschaftsumfeld | Iran | Konsum

Kaufkraft gesunken, aber Konsum steigt wieder

In Iran hat die hohe Inflation die Kaufkraft der privaten Haushalte deutlich geschwächt. Nach Konsumrückgängen weisen offizielle Zahlen jetzt aber wieder eine Belebung aus. 

Von Robert Espey | Dubai

Die 2018 reaktivierten US-Sanktionen führten 2018/2019 (iranisches Jahr 1397; 21. März bis 20. März) und 2019/2020 zu einer deutlichen Schrumpfung der iranischen Wirtschaft. Der nationalen Statistikbehörde zufolge ist der private Konsum 2018/2019 real (preisbereinigt) um 2,5 Prozent geschrumpft und 2019/2020 um weitere 5,4 Prozent zurückgegangen.

In den ersten drei Quartalen 2020/2021 setzte sich die negative Konsumentwicklung fort. Aber im 4. Quartal wurde gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal eine deutliche Konsumbelebung um 9,2 Prozent verzeichnet. Damit ergab sich für das Gesamtjahr ein Plus von 1,6 Prozent. In den ersten neun Monaten 2021/2022 (21. März bis 20. Dezember 2021) legte der private Verbrauch um 13,0 Prozent zu, so die vorläufigen Daten der Statistikbehörde.

Die iranische Zentralbank präsentiert abweichende Zahlen. Auf eine Schrumpfung des privaten Konsums 2018/2019 um 2,6 Prozent folgten 2019/2020 und 2020/2021 Rückgänge um 7,7 beziehungsweise 0,4 Prozent. Im 1. Halbjahr 2021/2022 soll es zu einer Steigerung um 3,3 Prozent gekommen sein.

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Inflation lässt Kaufkraft weiter sinken

Die gemäß den offiziellen Daten jetzt wieder positive Konsumentwicklung hat Beobachter überrascht, da die privaten Haushalte unverändert einem inflationsbedingten Kaufkraftverlust ausgesetzt sind. Der Statistikbehörde zufolge ist die jährliche Teuerungsrate in den städtischen Regionen zwischen 2017/2018 und 2021/2022 von 8,1 auf 40 Prozent (Prognose) gestiegen. Im Vierjahreszeitraum 2018/2019 bis 2021/2022 hat sich der Verbraucherpreisindex mehr als verdreifacht.

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Die Löhne haben mit der Inflationsentwicklung nicht Schritt gehalten. Die Diskussionen über die große und wachsende Zahl von Familien, die in den letzten Jahren unter die Armutsgrenze gesunken ist, haben sich intensiviert. Von Regierungsseite wird dieses Problem zwar anerkannt, aber es fehlen wirksame Gegenmaßnahmen.

Die jüngste Inflationsstatistik bezieht sich auf den iranischen Monat Bahman 1400 (21. Januar bis 19. Februar 2022). Die durchschnittliche Jahresinflation in städtischen Regionen wird für die im Bahman endende 12-Monatsperiode mit 40,8 Prozent angegeben. Deutlich überdurchschnittliche Teuerungsraten werden unter anderem für Lebensmittel (+54,7 Prozent), Bekleidung und Schuhe (51,3 Prozent) sowie Möbel und Haushaltsgeräte (49,5 Prozent) angegeben.  Der stärkste Preisanstieg ergab sich im Hotel- und Gaststättengewerbe (62,0 Prozent).

Relativ niedrige Preiserhöhungen weist die Statistik für den Bereich Wohnen und Energiekosten (+26,9 Prozent) aus. Hier machen sich die hochsubventionierten Preise für Strom, Wasser, Gas und Benzin bemerkbar. Auch die Kosten für Kommunikationsdienstleistungen sind nur gering gestiegen (+8,0 Prozent).

In den ländlichen Regionen lag die durchschnittliche Inflationsrate im genannten 12-Monatszeitraum bei 44,2 Prozent. Bei Lebensmitteln wurde eine Teuerung von 52,3 Prozent ermittelt, bei Kleidung und Schuhen von 53,9 Prozent sowie bei Möbeln und Haushaltsgeräten von 50,5 Prozent.

Wechselkursverfall ist Inflationstreiber

Die Inflation wird insbesondere durch den drastischen Wertverlust der iranischen Währung angeheizt. Die Reaktivierung der US-Sanktionen und der damit verbundene Rückgang der Deviseneinnahmen ließen den Rial auf Talfahrt gehen. Nach Angaben der Zentralbank kostete der US-Dollar (US$) 2017/2018 auf dem freien Markt im Jahresdurchschnitt 40.453 Rial (2016/2017: 36.440 Rial). Im September 2018 waren fast 150.000 Rial zu zahlen.

Der US-Dollar erreichte im Oktober 2020 mit über 320.000 Rial den bisherigen Spitzenwert. Die wechselnden Spekulationen über die Chancen einer Einigung mit den USA über Sanktionslockerungen haben einen spürbaren Einfluss auf die Kursentwicklung. Sanktionslockerungen und der derzeit hohe Ölpreis würden den Rial erheblich stärken und inflationsdämpfend wirken. Der US-Dollar kostet aktuell (Stand: 10. März 2022) etwa 258.500 Rial.

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Fallende Arbeitslosenquote trotz Stellenrückgang

Die offizielle Arbeitsmarktstatistik weist für die Bevölkerung ab 15 Jahre eine sinkende Arbeitslosenquote aus. Im Herbst 2021 lag die Erwerbslosenquote mit 8,9 Prozent um 0,5 Prozentpunkte unter dem Wert des entsprechenden Vorjahreszeitraums und um 2,9 Prozentpunkte unter dem für Herbst 2019 gemeldeten Niveau.

Die Arbeitslosenquoten sind in den Altersgruppen bis 34 Jahre besonders hoch. Im Herbst 2021 betrug die Quote bei den 20- bis 24-Jährigen 25,7 Prozent (Männer: 22,0 Prozent; Frauen: 42,9 Prozent).

Die sinkende Arbeitslosenquote wird wesentlich durch die Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung verursacht. Viele Personen haben die aktive Stellensuche aufgegeben und werden deshalb von der Statistik nicht mehr als arbeitslos beziehungsweise als Teil der Erwerbsbevölkerung erfasst.

Im Herbst 2019 gehörten 44,3 Prozent der Personen ab 15 Jahren (27,3 Millionen von 61,7 Millionen) zur Erwerbsbevölkerung. Im Herbst 2021 waren es nur noch 40,9 Prozent der jährlich um mehr als 1 Prozent wachsenden Bevölkerung (25,8 Millionen von 63,2 Millionen). Die Zahl der Stellen ging um von 24,4 Millionen auf 23,5 Millionen zurück, die Arbeitslosenzahl von 2,9 Millionen auf 2,3 Millionen.

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Die Erwerbstätigenquote im Herbst 2021 wird bei Männern mit 68,7 Prozent, bei Frauen mit nur 13,1 Prozent angegeben. Auf den Dienstleistungssektor entfielen 49,9 Prozent der Arbeitsplätze, es folgten die Industrie mit 34,7 Prozent und die Landwirtschaft mit 15,4 Prozent.

Die Arbeitsmarktstatistik lässt nur begrenzt Rückschlüsse auf die Einkommenssituation der privaten Haushalte zu. Vielfach sind die Löhne sehr niedrig. Der 2021/2022 gültige gesetzliche Mindestlohn beträgt umgerechnet etwa 100 US$ (freier Wechselkurs), eine Anhebung auf 200 US$ ist für 2022/2023 vorgesehen. Die wirtschaftliche Situation vieler Selbstständiger (Self Employed) ist prekär. Ein Großteil der Selbstständigen sind "Ein-Mann-Betriebe" (Handwerker, Händler etc.)

Haushaltsbefragung: Einkommen steigen langsamer als Inflation

Die Statistikbehörde erstellt jährlich einen "Households Income and Expenditure Survey" (HIES). Die Ausgabe 2020/2021 basiert auf der Befragung von etwa 18.000 städtischen und 19.000 ländlichen Haushalten. Den Daten zufolge hat sich das durchschnittliche Einkommen städtischer Haushalte zwischen 2017/2018 und 2020/2021 nominal um 104 Prozent erhöht. Gleichzeitig sind die Verbraucherpreise um 132 Prozent gestiegen.

Löhne und Gehälter machten 2020/2021 nur noch 31 Prozent (2019/2020: 33 Prozent) der Haushaltseinkommen aus. Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit kamen auf 16 Prozent (16 Prozent), die restlichen 53 Prozent (51 Prozent) waren "Unearned Income". In dieser Kategorie finden sich unter anderem der Mietwert für selbstgenutzte oder vermietete Immobilien, Rentenzahlungen und staatliche Hilfsleistungen (Subventionen). Mehr als zwei Drittel der städtischen Haushalte leben in den "eigenen vier Wänden".

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