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Wirtschaftsumfeld | Iran | Wirtschaftswachstum

Wachstum könnte sich deutlich verlangsamen

Eine Einigung im Atomstreit erscheint immer unwahrscheinlicher. Die jetzt drohende Verschärfung der Sanktionsüberwachung und neue Strafmaßnahmen könnten Iran empfindlich treffen.  

Von Robert Espey | Dubai

Die Lockerung der US-Sanktionen würde der iranischen Wirtschaft starke Impulse geben. Aufgrund der großen Unsicherheiten hinsichtlich einer Verständigung zwischen Washington und Teheran berücksichtigen die meisten Prognosen mögliche Effekte einer Sanktionslockerung nicht, gehen aber auch nicht von einer Verschärfung der Sanktionen aus.

Konjunkturprognosen hängen von Sanktionsfrage ab

Die Analysten der Economist Intelligence Unit (EIU) rechneten im März 2022 unter der Prämisse einer zeitnahen Einigung im Atomstreit für 2022/2023 (iranisches Jahr 1401; 21. März bis 20. März) mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um real 13,8 Prozent (2023/2024: 6,1 Prozent). Noch im Februar lag die EIU-Prognose für 2022/2023 bei lediglich 1,2 Prozent, mit -0,3 Prozent wurde 2023/2024 kalkuliert.

Die unerwartet zähen Verhandlungen veranlassten die EIU im Mai die Prognose für 2022/2023 auf 6,9 Prozent zu senken. Die neueste, im Juni veröffentlichte EIU-Prognose unterstellt ergebnislose Verhandlungen. Nun wird nur noch ein BIP-Plus von 2,7 Prozent erwartet. Damit ist die EIU jetzt pessimistischer als die Frühjahrsprognosen des Internationalen Währungsfonds (3 Prozent) und der Weltbank (3,7 Prozent), die Impulse einer Sanktionslockerung nicht einrechnen.

Wirtschaftlicher Druck könnte wieder steigen

Die nach Abwahl von US-Präsident Trump erwartete Lockerung der amerikanischen Iran-Sanktionen durch die neue Biden-Administration wirkte unmittelbar positiv auf die iranischen Ölexporte, trotz der noch fortbestehenden Sanktionen. Vor allem Raffinerien in China erhöhten ihre Bezüge aus Iran, das Risiko von US-Strafmaßnahmen wurde als gering eingestuft.

Vor dem Hintergrund der seit März 2022 festgefahrenen Verhandlung über eine Wiederbelebung des Atomabkommens (Joint Comprehensive Plan of Action) wird in Washington diskutiert, den wirtschaftlichen Druck auf Teheran wieder zu erhöhen. Dabei geht es zu einem um eine konsequentere Durchsetzung des bestehenden US-Sanktionsregimes und zum anderen um mögliche neue Sanktionen.

Die Aktivierung des sogenannten "Snapback"-Mechanismus gilt als weitere Option. Dazu müsste mithilfe der E3-Partner (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich) der UN-Sicherheitsrat angerufen werden. Iran wäre dann wieder mit den 2016 aufgehobenen UN- und EU-Sanktionen konfrontiert.

Öl- und Gassektor ist wichtiger Wachstumsmotor

Der Statistikbehörde zufolge stieg das BIP 2020/2021 real (preisbereinigt) um 1 Prozent. Der Öl- und Gassektor konnte um 5,6 Prozent zulegen, verursacht durch ein Plus von 32,5 Prozent im 4. Quartal (21. Dezember bis 20. März), die ersten drei Quartale waren noch im Minus. Die Nichtölwirtschaft expandierte um magere 0,3 Prozent. Für die verarbeitende Industrie wird ein Plus von 1,8 Prozent angegeben, der Dienstleistungssektor schrumpfte um 1,3 Prozent.

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Die jetzt veröffentlichten vorläufigen Daten für 2021/2022 weisen einen BIP-Zuwachs von 4,3 Prozent aus. Die Öl- und Gasförderung war wieder der wachstumsstärkste Sektor mit einem Plus von 9,7 Prozent. Das verarbeitende Gewerbe erreichte 3,1 Prozent, der Dienstleistungssektor 4,5 Prozent.

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Verschärfte Sanktionen würden Ölsektor wieder ausbremsen

Vor Reaktivierung der US-Sanktionen erreichten die iranischen Ölexporte Werte von bis zu 2,8 Millionen bpd (barrel per day). Weniger als 0,4 Millionen bpd dürften es 2020 durchschnittlich gewesen sein. Diese Ausfuhren gingen im Wesentlichen nach China.

Seit Ende 2020 (nach der Wahl von Joe Biden) liegen die Ölexporte auf deutlich höherem Niveau. Iran spricht derzeit von Ausfuhren in Höhe von 1 Million bpd. Das Marktforschungsunternehmen Kpler schätzt auf Basis von Tankerbewegungen für März 2022 rund 0,9 Millionen bpd und für April 0,8 Millionen bpd. Aber im Mai soll es zu einem Einbruch auf 0,4 Millionen bpd gekommen sein. Als wesentlicher Grund wird die Konkurrenz durch russisches Öl genannt, das nicht nur billiger angeboten wird, sondern auch nicht unter US-Sanktionen fällt.

Anders als die Ölexporte ist die iranische Rohölproduktion in den vergangenen sechs Monaten nur relativ langsam gestiegen, so OPEC-Schätzungen. Iran erhöhte zwischen November 2021 und Mai 2022 die Ölproduktion um 2,8 Prozent auf 2,54 Millionen bpd. Iran kann eine steigende Ölnachfrage zeitweilig durch den Abbau hoher Lagerbestände decken.

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Eine Verschärfung der US-Sanktionen könnte Irans Rohölproduktion wieder auf das Niveau von 2020 (2 Millionen bpd) fallen lassen. Die Analysten von Energy Intelligence's Research & Advisory haben im Februar 2022 für den Fall eines Scheiterns der Atomverhandlungen ein Absinken auf 2,1 Millionen bpd prognostiziert.

Auch Petrochemiesektor im Fokus der US-Sanktionen

Der Petrochemiesektor ist nach der Öl- und Gasförderung Irans größter Industriezweig und derzeit die wichtigste Exportbranche. Im Unterschied zu den Rohölausfuhren kann der ebenfalls unter US-Sanktionen stehende Petrochemiehandel schwerer nachverfolgt werden.

Washington will aber offensichtlich die Einhaltung der Petrochemiesanktionen nun stärker durchsetzen. Am 16. Juni 2022 haben die USA Strafmaßnahmen gegen ein Netzwerk von Firmen in Iran, China und den Vereinigten Arabischen Emiraten verhängt. Das Netzwerk habe den Export iranischer Petrochemieprodukte nach China und in andere Länder Ostasiens organisiert, so ein Statement des US-Außenministeriums.

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Irans petrochemische Ausfuhren sanken 2020/2021 infolge der weltweiten, Corona bedingten Wirtschaftskrise auf 9 Milliarden US-Dollar (US$; 2019/2020: 9,4 Milliarden US$). Dem Ölministerium zufolge sollen die Petrochemieexporte 2021/2022 auf 15 Milliarden US gestiegen sein.

Sollte es den USA gelingen, Irans florierenden Petrochemiehandel signifikant zu drosseln, wäre die Branche schwer getroffen. Die Regierungsplanung sieht für 2022/2023 vor, rund 33 Millionen Tonnen petrochemischer Enderzeugnisse zu exportieren. Dies wären mehr als drei Viertel der geplanten Gesamtproduktion (43 Millionen Tonnen).

Sanktionen gegen Petrochemie wirkungslos?

Als Reaktion auf die jüngste US-Strafmaßnahme erklärte Mohammad Eslami, der Chef des großen iranischen HDPE-Produzenten (High Density Polyethylene) Mehr Petrochemical, trotz Sanktionen weise Irans Petrochemie bei Produktion und Ausfuhren einen Wachstumstrend aus. Dies zeige, dass ein Boykott der Petrochemie wirkungslos sei. Iran habe Erfahrungen mit Sanktionen und sei in der Lage, neue Wege zur Umgehung zu finden. Eine Beschränkung der iranischen Petrochemieexporte würde auf den internationalen Märkten zu Versorgungsengpässen führen, so Eslami.

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