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Im Coronajahr 2020 gab der Konsum der Haushalte deutlich nach. Hinter dieser Zahl verbirgt sich aber ein kompliziertes Bild. Darauf müssen sich Anbieter einstellen.
08.03.2021
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Im Jahr 2020 nahm der inländische Konsum der Privathaushalte um real 9,2 Prozent ab. Das ist ein empfindlicher Rückschlag, zumal der Konsum je Einwohner wegen des schnellen Bevölkerungswachstums um real 11,1 Prozent nachgab.
Laut der Winterprognose der Zentralbank (Bank of Israel) dürfte sich der Konsum dennoch rasch erholen. Für 2021 sagt die Bank eine Zunahme des Privatverbrauchs um real 7,5 bis 12,5 Prozent und für 2022 um 8 bis 10,5 Prozent vorher.
Der tiefste Einbruch wurde 2020 bei den Ausgaben für Dienstleistungen verzeichnet. Angesichts der Lockdowns und der auch zwischen den strikten Ausgangssperren stark eingeschränkten Tätigkeit des tertiären Sektors war das unvermeidlich. Erheblich beeinträchtigt wurden auch die Ausgaben für Pkw - typisch für Krisenzeiten, in denen Verbraucher größere Anschaffungen zurückstellen.
Es gab indessen auch Positionen, die während der Krise zunahmen. Dazu gehören unter anderem Nahrungsmittel sowie Elektrogeräte und andere Ausrüstungen.
Kategorie | 2020 | Veränderung 2020/2019 in Prozent *) |
---|---|---|
Insgesamt | 195,7 | -9,2 |
1. Laufende Ausgaben | 172,0 | -9,6 |
1.1. Nahrungsmittel, Getränke, Tabak | 41,1 | 2,5 |
1.2. Güter des laufenden Bedarfs | 9,3 | 10,8 |
1.3. Treibstoff, Strom, Wasser | 11,7 | -5,0 |
1.4. Wohnkosten | 52,5 | 2,8 |
1.5. Dienstleistungen | 57,4 | -26,5 |
2. Halblanglebige Konsumgüter | 8,1 | -7,9 |
2.1. Kleidung und Schuhe | 4,5 | -9,8 |
2.3. andere halblanglebige Konsumgüter | 3,6 | -5,4 |
3. Gebrauchsgüter (langlebige Konsumgüter) | 15,6 | -6,1 |
3.1. Kfz | 7,2 | -15,0 |
3.2. Elektrogeräte und andere Ausrüstungen | 4,6 | 11,7 |
3.3. Möbel, Schmuck und Uhren | 3,9 | -7,2 |
Nicht minder wichtig als die quantitativen Änderungen des Konsums waren Änderungen der Vertriebswege. Nach einer im Auftrag der Marktinformationsgruppe ZAP durchgeführten Erhebung haben rund eine Million Israelis im Alter von über 18 Jahren 2020 zum ersten Mal im Leben online eingekauft. Das waren 17 Prozent aller Angehörigen dieser Alterskohorte.
Großenteils waren die „Online-Neulinge“ Senioren, die bis dahin wenig Berührung mit der digitalen Welt hatten. Aber auch zahlreiche jüngere Erwachsene überwanden angesichts der fehlenden Möglichkeiten des Einkaufs im Einzelhandelsgeschäft ihre Bedenken gegen den Online-Einkauf.
Laut der ZAP-Erhebung haben 35 Prozent der Israelis 2020 Kleidung und Schuhe online gekauft, gefolgt von Nahrungsmitteln mit 31 Prozent und Hauslieferungen von Restaurant-Mahlzeiten mit 27 Prozent. Beliebt war auch der Onlinekauf von Geräten verschiedener Art (21 Prozent), Medikamenten, Kosmetika und Körperpflegemitteln (18 Prozent), Spiele und Kunstmaterialien (12 Prozent) sowie Sportprodukte mit ebenfalls 12 Prozent. Die Kunden wurden zudem wählerischer: Die Zahl der online vorgenommenen Produktvergleiche nahm 2020 laut ZAP um 25 Prozent zu.
Die Frage, die sich Marktteilnehmer stellen, lautet nun, in welchem Maße sich die durch Corona verursachten Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten zurückbilden oder sich aber als dauerhaft herausstellen.
Liraz Margalit, Psychologiedozentin an der Interdisciplinary-Center-Hochschule und Beraterin, die sich unter anderem auf die Erforschung des Wirtschaftsverhaltens spezialisiert, bietet dazu mehrere Erkenntnisse. Ihrer Meinung nach wird die stark gestiegene Rolle des Online-Verkaufs nicht zurückgehen, sondern wahrscheinlich steigen. Das liege nicht nur an der Erschließung neuer Käufergruppen, die nun mit dem Online-Shopping vertraut wurden. Vielmehr geht aus Margalits Erhebungen hervor, dass immer mehr Verbraucher das Erlebnis des Online-Kaufs nicht als eine Notlösung ansehen, sondern als einen „Einkaufsbummel“, der Spaß machen kann, oder wie die Psychologin es ausdrückt, „bei dem Dopamin im Gehirn freigesetzt wird.“
Dies werde weitreichende Konsequenzen für den Einzelhandel haben. Nicht zuletzt werde Corona den Bedarf an Einzelhandelsgeschäften reduzieren. Besonders stark betroffen dürften die Shoppingmalls sein. Sie müssten sich schneller als bisher als Freizeitzentren profilieren. In jedem Fall glaubt Margalit, dass die Expansionsphase der Shoppingmalls beendet sei und eher eine Kontraktion drohe. Unternehmen, die keine attraktive Online-Präsenz haben, müssten mit erheblichen Umsatzeinbußen rechnen.
Eine weitere Schlussfolgerung, die die Psychologin aus ihrer Forschung zieht: Die Verbraucher würden ihr eigenes Zuhause für die Freizeitgestaltung in kleineren Gruppen oder allein nutzen. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass Israel einen großen Teil seiner Bürger gegen COVID-19 geimpft habe.
Ein Beispiel sei das Fitnesstraining. Nachdem viele Israelis während der Krise Heimsportgeräte gekauft hätten, werde es kommerziellen Fitnesszentren schwerfallen, die für sie schwerwiegenden Folgen der Coronakrise zu überwinden.
Natürlich lassen sich die Entwicklungen, die die Krise langfristig auslösen wird, noch nicht genau benennen. Klar zu sein scheint aber, dass das Vertriebswesen für Konsumgüter sich beschleunigt ändern wird. Eine massive Expansion des Online-Handels wird nicht nur dem klassischen Einzelhandel zusetzen, sondern auch einen Ausbau und eine Modernisierung des Logistikwesens entlang der gesamten Kette vom einheimischen Hersteller beziehungsweise dem Importhafen bis zum Verbraucher verlangen.
Während der Krise war dieses Vertriebswesen zum Teil überfordert. Beim israelischen Verbraucherrat (Israel Consumer Council), der größten Verbraucherschutzorganisation des Landes, gingen während der Krise zahlreiche Klagen über Nichtzustellung oder Lieferverzögerung ein. Eine Steigerung der Lieferkapazität wird auch nach weitgehender Überwindung der Epidemie ein wichtiges Thema bleiben.
Für ausländische Anbieter empfiehlt es sich, dafür Sorge zu tragen, dass ihre lokalen Vertreter die neuen Herausforderungen in ihre Vertriebsstrategie integrieren. Das gilt sowohl für die Wahl der Absatzmethoden als auch für Vertriebswege.
Der israelische Markt für Konsumwaren versorgt sich zu einem nicht unerheblichen Teil über Importe. Im Jahr 2020 konnte die Einfuhr dieser Warenkategorie in Dollarpreisen trotz der Krise um 4,8 Prozent zunehmen und sich in Binnenpreisen mit einem Plus von 0,9 Prozent immerhin gut halten. Die unterschiedlichen Wachstumsraten US-Dollar beziehungsweise in Neue Schekel erklären sich aus der Aufwertung des Schekels gegenüber der US-Währung um 3,5 Prozent im Jahresdurchschnitt.
Kategorie | Einfuhr in Mio. US$ | Veränderung 2020/2019 in Prozent |
---|---|---|
Insgesamt (1 + 2) | 16.246 | 4,8 |
1. Verbrauchsgüter | 10.047 | 9,4 |
1.1. Arzneimittel | 1.054 | 11,4 |
1.2. Nahrungsmittel u. Getränke | 3.129 | 3,5 |
1.3. Bekleidung u. Schuhe | 2.144 | -13,6 |
1.4. Haushaltsutensilien | 1.141 | 2,7 |
1.5. Andere Verbrauchsgüter | 2.579 | 59,1 |
2. Gebrauchsgüter | 6.199 | -1,8 |
2.1. Möbel u. Elektrogeräte | 3.654 | 8,5 |
2.2. Beförderungsmittel | 2.133 | -15,9 |
2.3. Andere Gebrauchsgüter | 413 | 1,2 |