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Digital Health
Israel will am weltweiten Digitalisierungsboom partizipieren. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen. Schnelle Datenübertragung stützt die Entwicklung der Telemedizin.
31.10.2022
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Aktendigitalisierung hilft der Forschung
Israel sieht in der digitalen Medizin sowohl einen Weg, die Gesundheitspflege seiner Bevölkerung zu verbessern, als auch einen Wachstumsmotor für seine Wirtschaft. Dabei setzt es sowohl auf digitalisierte Krankenakten als auch auf Telemedizin.
Während der weltweiten Bemühungen, eine Impfung gegen COVID-19 zu entwickeln, rückte Israel dank seiner Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Konzern Pfizer in den Mittelpunkt der internationalen Öffentlichkeit. An dem Projekt nahm auf israelischer Seite die größte Krankenkasse des Landes, Clalit Health Services, teil. Sie untersuchte die Covid-19-Erkrankungsraten von 1,2 Millionen ihrer Mitglieder. Dabei wurden 600.000 Versicherten, die geimpft worden waren, 600.000 ungeimpfte Kassenmitglieder mit ähnlichem Alters- und Gesundheitsprofil gegenübergestellt. Auf diese Weise konnte die Impfungswirksamkeit nachgewiesen und quantifiziert werden.
Indessen war das Projekt keine Einzelaktion, bei der die Volldigitalisierung der Patientenakten genutzt wurde. Vielmehr ermöglicht Israel generell seine -anonymisierten - Krankenakten zu nutzen zu Zwecken der Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel, medizintechnischer Produkte und Behandlungsmethoden.
Dank der Analyse digitalisierter Daten erwartet das israelische Gesundheitsministerium rasche Fortschritte bei der Entwicklung individuell angepasster Behandlungsmethoden für einzelne Patienten. Ein weiteres Ziel ist es, die Prädiktiv- und Präventivmedizin voranzubringen. Bis Ende dieses Jahrzehnts sollen diese Verfahren im Gesundheitswesen des Landes weit verbreitet sein.
Grenzübergreifende Kooperation wird großgeschrieben
Zugleich will Israel durch Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern seinen Status als internationale „Beta-Site“ für digitale Gesundheit weiter stärken. Für die Zulassung von Datenauswertungsprojekten, die rechtlich klinischen Tests gleichgestellt sind, ist das Gesundheitsministerium zuständig. Israel hat eine lange Tradition als Standort für klinische Tests ausländischer Medizinunternehmen. Daher kann die Entwicklung neuer medizintechnischer Produkte durch ausländische Partner auf bestehende Kooperationsstrukturen zurückgreifen.
Israels Rolle als Entwicklungsstandort für moderne Medizintechnik - sei es für die einheimische Herstellung oder als Technologiequelle für ausländische Unternehmen - stützt sich allerdings nicht nur auf die umfassende Digitalisierung von Krankenakten. Vielmehr gehört Israel auch bei einer Reihe von Kerntechnologien zur Weltspitze, die für die Schaffung eines hocheffizienten digitalen Gesundheitswesens entscheidend sind.
Kerntechnologien fördern Produktentwicklung
Darunter ist nicht zuletzt Israels Expertise im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu nennen. Nach Angaben von Start-up Nation Central waren im Oktober 2022 in Israel 533 Firmen mit Künstlicher Intelligenz als Kerntechnologie tätig, die Lösungen für das Gesundheitswesen und für die Herstellung medizintechnischer Geräte anboten oder entwickelten. In den Bereichen Sensorik und Bildgebung arbeiteten 45 Unternehmen an Lösungen für das Gesundheitswesen und für medizintechnische Geräte.
Diese Technologien können einen wichtigen Beitrag zur Zustandsüberwachung, Ferndiagnose und Haushospitalisierung leisten. Das wäre für Israel sowohl angesichts der Überbelastung der Krankenhäuser als auch wegen eines zunehmenden Mangels an medizinischem Personal besonders wichtig.
Glasfasernetze und 5G nutzen der Telemedizin
Gegenwärtig befindet sich Telemedizin in Israel noch im Anfangsstadium. Allerdings versprechen sich Gesundheitsexperten beschleunigte Fortschritte bei der Anwendung fernmedizinischer Verfahren auch durch die rasch voranschreitende Verlegung von Glasfasernetzen und den Aufbau eines umfassenden 5G-Netzes. So erwartet das Telekommunikationsministerium, dass bis Ende 2022 rund 70 Prozent der israelischen Haushalte die Möglichkeit eines Anschlusses an das Glasfasernetz erhalten werden.
Je schneller sich die Digitalisierung im israelischen Gesundheitswesen durchsetzt, umso mehr wird dessen Nachfrage nach entsprechenden Geräten und Ausrüstungen expandieren. Daraus können sich für ausländische Unternehmen zahlreiche Absatzchancen auf dem israelischen Markt ergeben.