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Israel investiert massiv in den öffentlichen Verkehr

In den kommenden 20 Jahren könnte sich der Kapitalaufwand in diesem Bereich der 200-Milliarden-Marke nähern. Ausländischen Firmen bieten sich zahlreiche Geschäftschancen.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Israel will mit der bisher erfolglosen Eindämmung des privaten Pkw-Verkehrs endlich Ernst machen und den öffentlichen Verkehr rigoros vorantreiben. Angesichts des kollabierenden Straßennetzes ist das auch zwingend notwendig.

Nach einer Vorgabe von Verkehrsministerin Meirav Michaeli sollen 80 Prozent ihres Projektetats dem öffentlichen Verkehr zugutekommen. Infrastruktur für Kfz schlägt nur noch mit 20 Prozent zu Buche, und auch dieser Anteil dient vor allem der Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Der Wert der für die zwei kommenden Jahrzehnte geplanten Verkehrsinvestitionen ist präzedenzlos. Genaue Prognosen sind schwer, doch könnten sich die Investitionen in den öffentlichen Verkehr inklusive Begleitprojekte der Marke von 200 Milliarden US-Dollar (US$) nähern. Deshalb empfiehlt es sich für interessierte ausländische Unternehmen, die Entwicklung in diesem Bereich aufmerksam zu beobachten.

Die meisten  Investitionen entfallen auf die Eisenbahn

Ausbau und qualitative Aufwertung des Schienenverkehrs bilden den Schwerpunkt des verkehrspolitischen Programms. Der Löwenanteil der dafür vorgesehenen Mittel kommt der staatseigenen Eisenbahngesellschaft Israel Railways zugute. Wie das Verkehrsministerium (Ministry of Transport and Road Safety) gegenüber Germany Trade and Invest erklärte, sind bei Israel Railways innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte Investitionen von rund 110 Milliarden US$ vorgesehen.

Als Unterprogramm stellt das Ministerium für die kommenden fünf Jahre umgerechnet rund 15 Milliarden US$ für eine Reihe von Eisenbahnprojekten zur Verfügung. Nicht alle davon sind neu. Vielmehr geht es auch darum, in Verzug geratene Vorhaben zügig abzuschließen.

Zu ihnen gehört unter anderem die Elektrifizierung eines Großteils der Bahnstrecken, die bereits 2010 angelaufen ist. Ein weiteres Vorhaben, das nur langsam voranschreitet, ist der Bau der sogenannten Ost-Bahnstrecke, deren Inbetriebnahme ursprünglich für 2018 vorgesehen war.

Mit einer Streckenlänge von 64 Kilometern verbindet die Oststrecke nach ihrer Fertigstellung die zwischen Tel Aviv und Haifa gelegene Küstenstadt Hadera über das Landesinnere mit der Stadt Lod. Damit soll die viel befahrene Küstenstrecke entlastet werden. Im Rahmen des 15-Milliarden-Dollar-Programms sind zudem zusätzliche Gleise für die Küstenstrecke, eine Erweiterung der Bahnstrecke zwischen Tel Aviv und Jerusalem sowie eine 110 Kilometer lange Trasse zwischen der Hafenstadt Ashdod im Süden der israelischen Mittelmeerküste und der westlich von Jerusalem gelegenen Stadt Beit Shemesh vorgesehen.

Die für die kommenden zwei Jahrzehnte vorgesehenen Projekte umfassen auch Begleitprojekte wie den Ausbau und die fahrgastfreundlichere Gestaltung von Bahnhöfen. Ferner ist der Bau von Park-and-Ride-Parkplätzen vorgesehen. 

Zulieferchancen und PPP-Projekte

Der Ausbau der Eisenbahn wird ausländischen Unternehmen zahlreiche Zulieferchancen in einer breiten Palette von Bereichen des Eisenbahnwesens ermöglichen. Die Finanzierung der Eisenbahnprojekte erfolgt allerdings aus dem Staatshaushalt, sodass eine Übernahme von Teilen der Bahn durch Privatbetreiber nicht vorgesehen ist.

Ganz anders sieht es bei Projekten aus, die nicht für die staatseigene Eisenbahn  durchgeführt werden. Wie das Verkehrsministerium erklärte, werden die meisten von ihnen im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) durchgeführt. Dabei will der Staat ungefähr 30 Prozent der Projektkosten übernehmen, während die privaten Partner, die die Bau- und Betriebslizenz erhalten, 70 Prozent der Finanzierung tragen.

Da es sich bei Bewerbern in der Regel um israelisch-internationale Bieterkonsortien handelt, werden sich ausländischen Unternehmen Möglichkeiten zur Teilnahme an umfangreichen Verkehrsprojekten beziehungsweise separat ausgeschriebenen Teilprojekten bieten. Das größte Vorhaben ist das geplante U-Bahn-Netz im Großraum Tel Aviv, dessen Kosten das Verkehrsministerium gegenwärtig auf umgerechnet etwa 48 Milliarden bis 63 Milliarden US$ schätzt.

Zudem wird an Straßenbahnnetzen im Großraum Tel Aviv und in Jerusalem weitergebaut. In Jerusalem ist eine Strecke bereits seit 2011 in Betrieb; weitere sind in Vorbereitung.

Ausschreibung für Tel Aviver Straßenbahnlinien abgeschlossen

In Tel Aviv wird die Inbetriebnahme der ersten der drei geplanten Linien für Ende 2022 erwartet. Für die beiden anderen wurden im Januar 2022 die Sieger der Ausschreibung benannt. Der französische Transportkonzern Alstom und die israelischen Unternehmen Dan und Electra sollen die sogenannte grüne Linie (Green Line) bauen und betreiben, während der spanische Schienenfahrzeugbauer Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF) und der israelische Baukonzern Shapir die Ausschreibung für die „purpurfarbene Linie“ (Purple Line) für sich entschieden haben.

Busverkehr wird gefördert

Weitere Straßenbahn-, U-Bahn- und Regionalbahnprojekte könnten mit der Zeit hinzukommen. Das Verkehrsministerium plant aber auch eine stärkere Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs auf der Straße, und zwar mithilfe von Sonderspuren für Linienbusse. Die Fahrt zum Arbeitsplatz oder zu anderen Zwecken mit dem Fahrrad wird mit Programmen zum Bau von Radwegen gefördert. Das jüngste von ihnen hat einen Umfang vom 630 Millionen US$.

Dem Verkehrsministerium ist klar, dass der Pkw-Bestand in Israel weiter steigen wird, doch will es dieses Wachstum zumindest verlangsamen. Für das Jahr 2030 hofft es, dass die Zahl der Pkw  3,7 Millionen nicht übersteigt. Da es heute bereits 3,3 Millionen sind, müsste die jährliche Zunahme des Pkw-Bestands von gegenwärtig rund 3 bis 4 Prozent auf 1,2 Prozent reduziert werden. Ob das gelingt, steht dahin. Allerdings wäre aus der Sicht der Verkehrspolitik schon viel erreicht, wenn die Pkw-Nutzung wenigstens zu Hauptverkehrszeiten deutlich zurückgeht.

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