Branchen | Israel | Nahrungsmittelindustrie
Nahrungsmittelindustrie expandiert und rationalisiert
Die Wertschöpfung der Branche nimmt zu. Dabei steigt auch die Produktivität. Corona hat zu einem Bereinigungseffekt geführt. Die Aussichten für ausländische Firmen sind günstig.
31.01.2022
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Die Produktion der israelischen Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakindustrie weist einen ständigen Aufwärtstrend auf. Selbst Corona unterbrach das Wachstum der Branche nicht. 2021 nahm die Produktion um 3,6 Prozent zu und glich den Vorjahresdämpfer aus. Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 belief sich die jährliche Produktionszunahme auf 2,3 Prozent.
Fleischverarbeitung, Fertigspeisen und Milchprodukte führen das Feld an
Der Branchenumsatz 2021 belief sich auf umgerechnet 24,9 Milliarden US-Dollar (US$). Das entsprach einer Zunahme um 15,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings ging die sprunghafte Umsatzexpansion in Dollarwerten zum Teil auf die Aufwertung des Neuen Schekels zurück. In laufenden Binnenpreisen nahm der Umsatz um 8,2 Prozent zu, nachdem er 2020 um 1,2 Prozent nachgegeben hatte.
Die jüngste vorliegende Aufschlüsselung der Umsatzzahlen nach Sparten liegt für 2019 vor. Danach war die Fleischverarbeitung inklusive der Schlachthäuser die führende Position. Auf sie entfielen 20 Prozent der Erlöse, gefolgt, mit 18,5 Prozent, von zubereiteten Speisen inklusive Tierfutter und anderweitig nicht genannter Produkte. Milchprodukte stellten 17,5 Prozent des Umsatzes, während Backwaren mit 11,5 Prozent zu Buche schlugen.
Getränke und Tabak machten 11,7 Prozent des Verkaufswertes aus. Eine weiterführende Aufschlüsselung dieser Position liegt nicht vor.
Jahr | Umsatz der israelischen Nahrungsmittelindustrie 1) | Davon: auf dem Binnenmarkt | Importe | Gesamtumsatz auf dem Binnenmarkt | Importquote an der Binnenmarktversorgung in % |
---|---|---|---|---|---|
2017 | 19,7 | 19,0 | 2,5 | 21,5 | 13,4 |
2018 | 20,4 | 19,5 | 2,7 | 22,2 | 12,3 |
2019 | 21,1 | 20,3 | 2,9 | 23,2 | 12,3 |
2020 | 21,6 | 20,8 | 3,0 | 23,8 | 12,7 |
2021 2) | 24,9 | 24,0 | 3,6 | 27,6 | 13,2 |
Produktivität steigt rasch
Auch die Produktivität der Nahrungsmittelindustrie steigt. Im Jahr 2020 machte sie sogar einen eindrucksvollen Sprung nach oben: Die Wertschöpfung je Beschäftigten legte real um 10,4 Prozent zu.
Dies wird auf die durch die Pandemie verursachten Arbeitskräfteengpässe zurückgeführt. Diese haben die Beschäftigtenzahl im Jahresdurchschnitt um 8 Prozent reduziert und zwangen viele Firmen zur Rationalisierung von Produktionsvorgängen.
Der Rationalisierungseffekt konnte 2021 gehalten werden: Zwar stieg der Beschäftigungsstand der Nahrungsmittelindustrie wieder (+2,3 Prozent), doch kletterte die Wertschöpfung um 3,6 Prozent nach oben. Damit verbuchte die Produktivität ein Plus von 1,3 Prozent. In dem Jahrfünft 2017 bis 2021 nahm die Wertschöpfung je Beschäftigten kumuliert um 23,1 Prozent zu.
Auf Rationalisierung wird die Branche auch in den kommenden Jahren angewiesen sein. Einer der Gründe dafür ist die von der Regierung angestrebte Erleichterung von Nahrungsmittelimporten. So wurden bereits Ende 2021 bis dahin bestehende Zollsätze für Joghurt und Milchprodukte mit niedrigem Fettgehalt abgeschafft.
Die zweitgrößte israelische Bank, Bank Leumi le-Israel, erwartet weitere Zollabschaffungen. In einer im Januar 2022 veröffentlichten Analyse erklärte sie, dadurch könnten weniger effiziente Nahrungsmittelbetriebe in Schwierigkeiten geraten.
In jedem Fall werden billigere Importe den einheimischen Herstellern die Behauptung ihrer dominanten Marktposition erschweren. Erklärte Absicht der Regierung ist es, die in Israel hohen Lebenshaltungskosten zu senken: ein Ziel, das hohe politische Priorität genießt und konsequent verfolgt werden dürfte. Daher muss die Nahrungsmittelindustrie angemessene Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen tätigen.
Bevölkerungswachstum macht neue Produkte nötig
An Kunden wird es der Nahrungsmittelindustrie in Israel nicht fehlen. Damit ist nicht der Weltmarkt gemeint, auf dem die Branche mit einer Exportquote von 3,6 Prozent kaum vertreten ist. Vielmehr nimmt die israelische Bevölkerung um durchschnittlich 1,9 bis 2 Prozent pro Jahr zu.
Wie der Vorstandsvorsitzende des Nahrungsmittelherstellers Tnuva Food Industries, Haim Gavrieli, im Januar 2022 in einem Beitrag für die israelische Wirtschaftszeitung Globes schrieb, werde die Landesbevölkerung bis 2050 um 7 Millionen Menschen zunehmen – von gegenwärtig 9,5 Millionen. Unter diesen Umständen werde die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung zu einer strategischen Aufgabe.
Da die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Israel lediglich bei 15 Prozent des Staatsgebiets liege, hänge eine ausreichende Expansion der Nahrungsmittelversorgung nicht nur von der Maximierung der Agrarerträge ab. Vielmehr seien auch neue Produkte unabdingbar. Damit müssten Foodtech und neuartige Nahrungsmittel ein untrennbarer Teil der ernährungspolitischen Zukunftsstrategie sein. Tnuva selbst investiere hohe Beiträge in die Entwicklung von Substituten für Milcheiweiß und Fleisch.
Geschäfts- und Kooperationschancen für ausländische Unternehmen
Die Modernisierung der Produktionsvorgänge, wie auch der Produktpalette, wird die israelische Nahrungsmittelindustrie zu einem interessanten Partner für ausländische Anbieter entsprechender technologischer Lösungen machen. Zudem kann Forschungs- und Entwicklungskooperation mit der hochmodernen israelischen Foodtech-Branche für Unternehmen aus Übersee von Interesse sein.
Die Expansion der inländischen Nachfrage wird die auch jetzt schon zunehmenden Nahrungsmittelimporte fördern. Für ausländische Unternehmen kann es sich empfehlen, das Potenzial des israelischen Marktes für ihre Erzeugnisse zu prüfen, zumal israelische Verbraucher sich für große kulinarische Vielfalt begeistern lassen.
Die Importe von Produkten der Nahrungsmittel-, Getränke und Tabakindustrie aus Deutschland nahmen im ersten Coronajahr um 7,4 Prozent ab, konnten diesen Verlust 2021 mit einem Wachstum um rund 23 Prozent aber mehr als wettmachen und erreichten rund 200 Millionen US$. Damit lag der deutsche Importmarktanteil bei 6,1 Prozent.