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Im Rahmen der neuen Seidenstraße sondiert China auch in Coronazeiten weiter geeignete Häfen in Italien.
08.12.2020
Von Oliver Döhne | Mailand
Eineinhalb Jahre nach der bilateralen Absichtserklärung zwischen China und Italien sind die chinesischen Aktivitäten und Strategien in Italien weiter im Fluss. Damals standen die Häfen von Genua und Triest im Mittelpunkt. Da in Genua logistische Probleme fortbestehen und sich in Triest nun mit Duisport und dem Hamburger Hafenbetreiber HHLA deutsche Akteure stark engagieren, bleibt abzuwarten, wie China hier weiter vorgeht.
In Genua, wo eine Beratung der Hafengesellschaft durch den chinesischen Konzern CCCC vorgesehen war, scheint Sand ins Getriebe gekommen zu sein. Die chinesische Reederei Cosco, die in Genua ihre wichtigste Landestation in Italien besitzt und fast für ein Drittel des dortigen Umschlags verantwortlich ist, meldete im Juli 2020 größere Logistikprobleme beim Hafenzugang. Sie musste Kunden auf alternative Häfen wie Ravenna, Venedig oder La Spezia verweisen. Cosco drohte sogar, sich von Genua abzuwenden, weil der Anschluss an den Hafen überwiegend über chronisch verstopfte Straßenzugänge erfolgt. Mit dem laufenden Ausbau der Schienenanbindung von Genua im Zuge des Projektes Terzo Valico (im Rahmen des Europäischen Transportkorridors TEN-T Mediterranean) könnte sich die Lage mittelfristig aber deutlich verbessern.
In Savona eröffnete im Dezember 2019 das Terminal "Vado Gateway". Dieses wird von Apm (Maersk-Gruppe) und Cosco betrieben. Neben einem Containerterminal, an dem künftig auch Ultra Large Container Schiffe anlegen können, gehört zu der Anlage auch ein Reefer Terminal. Die Gesamtkapazität umfasst mehr als eine Million TEU (Twenty-foot Equivalent Unit, Zwanzig-Fuß-Standardcontainer). Von Savona aus soll die über das Meer kommende Seidenstraße über Genua an den Europäischen Transportkorridor Rhein-Alpen angebunden werden.
Am dynamischsten ist die Entwicklung im Hafen Triest. Die Nordadria gilt seit dem Ausbau des Suezkanals als wichtiger Landepunkt der Seidenstraßen zu Wasser, zumal Chinas strategischer Haupthafen Piräus über Land nicht ideal an Kerneuropa angebunden ist. Triest liegt an den beiden europäischen Transportkorridoren Baltic-Adriatic und Mediterranean. Der Hafen bietet zudem eine Freihandelszone, in der auch industrielle Wertsteigerung erfolgen kann. Mehrere bestehende oder noch auszubauende Warenverkehrszentren im Umland (Cervignano, Ferretti, Gorizia, Pordenone) bieten die Chance, die Region zu einer bedeutenden Logistik-Drehscheibe zu entwickeln.
Im Seidenstraßen-Abkommen von 2019 vereinbarten die chinesische CCCC und die Hafengesellschaft von Triest eine Kooperation, die den Hafenzugang über die Schiene sowie eine Beteiligung der Hafengesellschaft von Triest an dem neuen chinesischen Logistikzentrum in Kosice in der Slowakei vorsieht. Vorerst kommen in Triest aber andere Akteure zum Zug. Nach den angekündigten Investitionen aus Ungarn schloss Duisport mit der Hafengesellschaft Triest eine Vereinbarung zur strategischen Zusammenarbeit. Duisport will das Thema Logistik im Interporto Triest auf einer Million Quadratmeter Fläche entwickeln und die Intermodalität stärken. Im September erwarb die Hamburger Hafengesellschaft HHLA die absolute Mehrheit an der Logistik-Plattform Triest. Die Hamburger stachen dabei offenbar die China Merchants Group aus. HHLA plant den Bau des neuen Containerterminals Pier 8.
Abzuwarten bleibt, ob die chinesischen Akteure weiter auf Triest setzen oder auf andere Häfen in der Region (Venedig, Monfalcone, Koper, Rijeka) ausweichen. Im süditalienischen Nato-Standort Taranto, der über ein größeres Industrieareal und einen Bahnanschluss verfügt, will China über das Schiffbauunternehmen Ferretti, das im Besitz von Weichai Power ist, investieren. Weitere Häfen in Süditalien erhielten Besuche chinesischer Delegationen, darunter Augusta, Palermo, Empedocle, Neapel und Salerno.
In Ravenna eröffnete die China Merchants Group das erste Forschungszentrum für Schifffahrt und Engineering (CMIT - China Merchants Industry Technology Europe) außerhalb Chinas. Ravenna soll der Hub für maritimes Engineering sowie Oil&Gas in Europa werden und die hoch spezialisierte lokale Industrie (Eni, Rosetti Marino, Micoperi, Saipem) an die chinesischen Werften anbinden. Schwerpunkte sollen unter anderem Konzept und Design für Transport- und Kreuzfahrtschiffe, maßgefertigtes Innendesign sowie Detailplanung, Beschaffung und Bau- und Montagemanagement (Engineering, Procurement und Construction Management, EPCM) sein. Hinzu kommen sogenannte Topside Processing-Anlagen von Plattformen und die Beschaffung von Ausrüstungen aus Materialien mit langen Lieferzeiten (Long-Lead Items) sowie die Beschaffung von sogenanntem exotischen Material.
Ravenna ist einer von 14 strategischen Häfen (Core Ports) Europas und zudem Endpunkt der zwei TEN-T-Korridore Baltic-Adriatic und Mediterranean, mit 14 km Anlegefläche, 22 privaten Terminals, über 600.000 Quadratmetern Lagerhausfläche und 27 Millionen Tonnen Warenumschlag. Mit dem englischsprachigen Studiengang Offshore Engineering sorgt die Universität Bologna für Nachschub an Fachkräften.
Chinesische Firmen sind auch mit intelligenten Logistiklösungen in Italien aktiv. So arbeitet Huawei beispielsweise in Bari an einem smarten Hafenzugang mit. Zudem hat China Telecom im Oktober 2019 mit der Betreibergesellschaft (Consorzio Zai) des Warenverkehrszentrums Verona (Interporto Quadrante Europa) eine Entwicklungspartnerschaft zur intelligenten Datenvernetzung abgeschlossen.
Eine Übersicht über die digitalen Aktivitäten Chinas in Italien bietet das aktuelle GTAI-Special zur digitalen Seidenstraße.