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Angesichts des großen Innovationsbedarfs öffnen sich Italiens Konzerne verstärkt der Zusammenarbeit mit Start-ups. Ein Fokus ist der Energie- und Umweltsektor.
29.10.2020
Von Oliver Döhne | Mailand
Der Innovationsbedarf in Italien ist sehr groß. Er kann von den etablierten Unternehmen aus eigener Kraft kaum gemeistert werden. Mit seiner hohen Industriedichte, seinem breiten Finanzsektor und den anstehenden Herausforderungen in den Sektoren Energie-, Transport- und Umwelt ist Italien ein interessantes Betätigungsfeld für Start-ups, auch aus dem Ausland.
Das italienische Ökosystem für Unternehmensgründer hinkt nicht nur der Weltspitze hinterher, sondern auch vielen anderen europäischen Ländern. Dies bestätigte der Open Innovation-Report 2020 des Beratungsunternehmens Mind the Bridge. Die bekannte Schwäche Italiens bei Exit-Möglichkeiten und der Verfügbarkeit von Risikokapital besteht fort. Auffällig ist unter anderem die geringe Zahl von Scale-ups (245) und Scalers (5). Ganz abwesend sind Superscalers.
Aktives Interesse kommt von den Großunternehmen. Im Fokus stehen die Multiutility-Unternehmen, allen voran der Stromkonzern Enel, der 2019 als Europas Corporate Start-up-Star gekrönt wurde. Enel betreibt weltweites Scouting, unter anderem über seine Open Innovation-Hubs in San Francisco, Boston und Tel Aviv, aber auch in Mailand, Rom, Pisa und Catania.
Hauptinstrument von Enel ist dabei das Venture Client-Modell, bei dem der Konzern, anstatt in Start-ups zu investieren, den Start-ups auch schon in der Frühphase ihre Produkte und Dienstleistungen als Kunde abkauft.
Auch A2A, Italiens größtes Multiutility-Unternehmen für Wasser, Abfallwirtschaft und Strom, sucht international nach Lösungen für konkrete Herausforderungen seiner Business Units. Hilfe bei der Suche nach den passenden Start-ups holt sich A2A dabei von externen Partnern, darunter der Fonds Poli360 des Politecnico Mailand. Mögliche Partner werden in Pilotprojekten getestet, für die folgende Phase hat A2A Anfang 2020 einen mit 60 Millionen Euro dotierten Corporate Venture Capital-Fonds geschaffen.
A2A beteiligte sich bereits am Start-up Hades aus der Schweiz. Hades hat eine Technologie entwickelt, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Lecks in Wasserleitungen sucht. Hades ist auch in Deutschland aktiv. Eine weitere Beteiligung erwarb A2A am Mailänder Start-up Circular Materials, das Schwermetalle aus Abwasser filtert. A2A gründet auch direkt eigene Start-ups wie die Firma NeN, das erste italienische EnerTech-Start-up. Mit Blick auf die anstehende komplette Liberalisierung des Stromhandels bietet NeN, ähnlich einem Prepaid-Mobilfunkvertrag, eine vorher genau festgelegte, am vergangenem Verbrauch orientierte Stromabrechnung.
Snam, der Betreiber des Gasnetzes, fand in einer Open Innovation-Initiative Start-ups, die in strategischen Zukunftsfeldern des Unternehmens aktiv sind. Diese Start-ups entwickeln - unabhängig vom sonstigen Konzern - auf thematischen Plattformen Anwendungen für Wasserstoff, Biomethan, E-Mobility und Energieeffizienz.
Auch die Deutsch-Italienische Handelskammer führt Unternehmen und Start-ups in ihrem jährlichen Start-up-Contest Business meets Innnovation zusammen.
Ende Juli 2020 waren in Italien offiziell 11.496 Start-ups aktiv, 290 mehr als im 1. Quartal 2020. Zum Zuwachs trug auch die neue Möglichkeit der kostenlosen, digitalen Gründung und Eintragung als innovatives Start-up bei, die eine Grundlage zur Nutzung der verschiedenen Förderinstrumente ist.
Etwa 20 Prozent der Start-ups sind in Mailand und 10 Prozent in Rom angesiedelt. Weitere Cluster sind Neapel, Turin, Bologna, Padua, Bergamo, Bari, Salerno und Palermo. Rund drei Viertel der Start-ups bieten Unternehmensdienstleistungen an. Sie arbeiten oft als Softwareentwickler und Informatikberater oder in der Forschung und Entwicklung.
Etwa 20 Prozent der Start-ups sind in der verarbeitenden Industrie aktiv und stellen Maschinen und Informationstechnologie sowie elektronische oder optische Komponenten und Anlagen her. Fintechs konnten von 2010 bis 2019 rund 700 Millionen Euro Kapital einsammeln. Auch im Bereich Landwirtschaft 4.0 gibt es Vorzeigebeispiele, wie das Start-up Farzati Tech aus Kampanien, das Blockchain-Technologie zur Zurückverfolgung von Nahrungsmitteln entwickelt.
Anfang 2020 waren in Italien laut Politecnico Turin insgesamt 179 Inkubatoren, Akzeleratoren und Coworking-Spaces mit Mentoring-Angeboten aktiv: 60 Prozent der Zentren befinden sich im Norden des Landes, 64 Prozent sind privat, 14 Prozent öffentlich, 21 Prozent gemischt. Der Inkubator I3P des Politecnico Turin wurde Anfang November 2019 auf dem World Incubation Summit zum besten öffentlichen Inkubator der Welt gekürt, der Polihub des Politecnico Mailand zu einem der fünf besten universitären Inkubatoren.
An 19 Universitäten hat das Forschungsministerium Contamination Labs (CLabs) eingerichtet. Als weitere wichtige Hubs nennen Experten die Inkubatoren Nana Bianca in Florenz, B4i an der Mailänder Bocconi-Hochschule, den in mehreren Städten aktiven Inkubator Digital Magics, Inkubator/Innovation School H-Farm sowie den Accelerator Lventure. Auch das Mentorship Programm B Heroes sowie der Start-up-Verband InnovUp stehen auf der Liste. Eine grafische Übersicht über das italienische System stellt der Venture Accelerator Nuvolab zur Verfügung.
Der Anfang 2020 gestartete Nationale Innovationsfonds vergab in den ersten neun Monaten rund 140 Millionen Euro an Start-ups und innovative kleine und mittlere Unternehmen. Dabei lag der Schwerpunkt auf den Branchen, Biotech und Pharma und SpaceTech. Als Maßnahme gegen die Coronakrise wurden zusätzliche 200 Millionen Euro Risikokapital bereitgestellt sowie 10 Millionen Euro für Inkubatoren. Hinzu kommen 100 Millionen Euro für das Förderprogramm Smart&Start. Weitere 5 Millionen gehen an Start-ups aus dem Mode- und Designbereich. Strategische Felder für die Regierung sind die Themen FoodTech, FinTech, MedTech, digitaler Zahlungsverkehr und die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
Grafische Übersicht über das Start-up-Ökosystem in Italien der Beratungsfirma Nuvolab | |
Internationale Scouting-Zentren von Italiens größtem Multiutility-konzern A2A | |
Internationale Scouting-Zentren von Italiens größtem Stromkonzern Enel | |
Jährlicher Start-up-Contest der Deutsch-Italienischen Handelskammer | |
Italienischer Start-up-Verband |