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Produktion und Export von Augenoptik über Vor-Corona-Niveau
Italiens Hersteller verzeichnen gute Zuwächse, produzieren aber größtenteils für den Export. Perspektivisch hat auch der momentan noch schwächelnde Inlandsmarkt Potenzial.
09.05.2022
Von Oliver Döhne | Mailand
Mit rund 4,2 Milliarden Euro produzierte Italien im Jahr 2021 rund 35 Prozent mehr Augenoptik als 2020 und 4,5 Prozent mehr als 2019. Über 90 Prozent gehen ins Ausland. Italien hält rund 70 Prozent des Weltmarktes für Luxus-Sonnen- und Korrekturbrillen und fertigt diese auch in Lizenz der meisten internationalen Modelabels.
Der Export 2021 lag um 3,4 Prozent über dem Vorkrisenniveau und fiel besonders bei Brillenfassungen positiv aus. Ein wichtiger Faktor für den Aufschwung war auch die wieder erstarkte Nachfrage aus den USA, wohin Italien rund 30 Prozent seiner Waren liefert. Auch die Lieferungen nach Europa, die etwa die Hälfte des Exports ausmachen, nahmen zu. Der Absatz in Asien fiel hingegen unterdurchschnittlich aus.
Für das 1. Halbjahr 2022 erwartet der Branchenverband ANFAO ein Plus bei Produktion und Export von 9 bis 10 Prozent. Im 2. Halbjahr könnte das Wachstum infolge der Konsequenzen des Ukrainekriegs nur noch rund 0,5 Prozent betragen, so dass sich für das Gesamtjahr 2022 ein Plus von 4 bis 5 Prozent ergeben könnte.
Bedarf an Sehhilfen steigt
Der Inlandsabsatz legte 2021 laut Marktforschungsinstitut Gfk zwar gegenüber 2020 um 17 Prozent auf rund 2,9 Milliarden Euro zu, lag aber noch unter dem Ergebnis von 2019. Sonnenbrillen büßten um 23 Prozent ein. Die Prognosen für 2022 sehen für den Absatz in Italien ein leichtes Plus von 0,5 Prozent. In den kommenden Jahren erwarten Marktexperten jedoch auch in Italien ein stetiges Wachstum von durchschnittlich 0,67 Prozent.
Dafür sorgt ein steigenden Bedarf an Sehhilfen durch die alternde Bevölkerung, das steigende Gesundheitsbewusstsein und zunehmende Belastung der Augen durch immer längere Bildschirmzeiten.
Nach offiziellen Zahlen haben 1 Million Personen in Italien schwere und fast 9 Millionen moderate Sehbeschränkungen. Etwa 2,9 Millionen sind über 75 Jahre, 1,7 Millionen zwischen 65 und 75, rund 3,5 Millionen zwischen 45 und 64 sowie 1,4 Millionen zwischen 15 und 44 Jahren. Die Dunkelziffer könnte höher liegen, da nur ein Viertel der Bevölkerung regelmäßig zum Augenarzt geht. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 43 Prozent der Bevölkerung eine Sehschwäche haben, das wären rund 27 Millionen, bei den Unter 15-jährigen könnten 17,6 Prozent betroffen sein.
Kontaktlinsen sind im Kommen
Noch ist die Marktdurchdringung von Kontaktlinsen in Italien unterdurchschnittlich, könnte aber laut Branchenexperten ansteigen. In einer Umfrage von Johnson & Johnson aus dem Jahr 2020 waren 74 Prozent der befragten Personen in Italien interessiert, diese auszuprobieren. Bislang sind Tageslinsen beliebter als Monatslinsen. Brillen werden als Modeaccessoire angesehen und regelmäßig gewechselt, spätestens nach drei Jahren. Progressive Brillengläser gewinnen an Beliebtheit. Beim Fassungsmaterial sind sowohl Acetat, Metall, Titan wie auch leichtes Plastik gefragt.
Warenbezeichnung (HS-Zolltarif) | Import 2021 (in Mio. Euro) | Veränderung 2021/19 (in %) | aus Deutschland (in Mio. Euro) | Wichtigste Konkurrenten |
---|---|---|---|---|
Kontaktlinsen (90013) | 214,4 | 11,2 | 116,5 (Nr. 1) | Belgien |
Brillengläser aus Glas (90014) | 47,1 | 4,6 | 5,1 (Nr.2) | China |
Brillengläser aus anderem Material (90015) | 201,3 | 9,2 | 42,9 (Nr. 1) | China, Frankreich |
Fassungen aus Kunststoffen (900311) | 240,8 | 5,1 | 5,4 (Nr. 4) | China, Japan |
Fassungen aus anderem Material (900319) | 252,8 | 2,5 | 1,4 (Nr. 7) | China, Frankreich |
Teile von Fassungen (90039) | 117,5 | -0,3 | 7,0 (Nr. 2) | China, Slowenien |
Sonnenbrillen (90041) | 400,1 | -16,8 | 8,5 (Nr. 6) | China, USA, Japan |
Brillen (90049) | 94,2 | 60,4 | 4,1 (Nr. 6) | China, Frankreich |
Die vier Schwestern dominieren den Weltmarkt
Insgesamt umfasst Italiens Augenoptikproduktion laut Verband ANFAO etwa 850 Firmen mit 19.000 Beschäftigten. Branchenzentrum ist die Provinz Belluno in Venetien. Die wichtigsten Hersteller sind "die vier Schwestern" Luxottica, Safilo, de Rigo und Marcholin.
Luxottica, 2018 mit dem französischen Brillenglashersteller Essilor fusioniert, setzte im Gesamtkonzern 2021 etwa 21,4 Milliarden Euro um, 20 Prozent mehr als 2019. Obwohl Luxottica auch in China, Japan, Brasilien, Kalifornien und Indien produziert, sind über 40 Prozent Made in Italy und kommen aus sechs Produktionsstätten in Norditalien (Lauriano, Rovereto, Sedico, Agordo, Concenighe Agordino, Pederobba) und einer im mittelitalienischen Pescara.
Im niedersächsischen Grünenplan produziert die Tochtergesellschaft Barberini Glasrohlinge. Luxottica produziert neben den Eigenmarkten Ray-Ban und Oakley in Lizenz unter anderem Brillen für Prada, Giorgio Armani und Dolce & Gabbana. Mit Google und Facebook laufen Entwicklungsprojekte für Smart Glasses.
Safilo setzte 2021 rund 970 Millionen Euro um, etwa 7,5 Prozent mehr als 2019. Vier der sieben Produktionen befinden sich in Italien, darunter für Metallfassungen in Longarone und für Acetat- und Injektionsfassungen in Santa Maria di Sala bei Padua sowie Designzentren in Padua und Mailand. Safilo beschafft seine Rohstoffe und Komponenten zentral über ein Global Purchase Department und richtete kürzlich eine B2B-Plattform für Europa ein. Safilo produziert unter anderem Brillen der Marken Carrera, Polaroid und Boss.
Marcolin produziert in Longarone und Fortogna, außerdem in China und Japan, unter anderem die Marken Adidas, Max Mara und Guess. Der Umsatz lag 2021 bei etwa 455 Millionen Euro, 34 Prozent über dem Vorjahr. In Kürze soll eine smarte Sportbrille auf den Markt kommen. Marcolin verkaufte Ende 2021 seinen Anteil am Joint Venture Thelios an den französischen Luxuskonzern LVMH.
De Rigo erzielte 2021 einen Umsatz von 422 Millionen Euro, etwa 22 Prozent mehr als 2020 und produziert in Longarone, unter anderem für Escada, Gap und FILA. Die US-Firma Marchon unterhält in Puo d'Alpago eins seiner globalen Designzentren.
Konzentration im Vertrieb
Die Distribution erfolgt über verschiedene Kanäle. Das stark vertikal integrierte Luxottica hat zahlreiche Optikerketten übernommen (Salmoiraghi & Vigano, GrandVision) und vertreibt mit Vorliebe über eigene Niederlassungen, insgesamt gehen 64 Prozent in den Einzel- und 36 Prozent über den Großhandel.
Die größte Optikerkette Vision Group, die einen Marktanteil von 21 Prozent innehat, setzt auf das Franchising mit zentraler Beschaffung und Logistik. Unter Green Vision haben sich 400 unabhängige Optiker zusammengeschlossen.
Der Onlinehandel funktioniert in Italien laut Branchenexperten bislang nur bei Sonnenbrillen. Bei Sehhilfen bevorzugen viele Konsumenten die persönliche Beratung und den gesicherten Service nach dem Kauf. Fielmann eröffnete 2021 in Italien 11 Verkaufslokale, 2022 sollen weitere 10 hinzukommen. Darüber hinaus startet Fielmann Mitte 2022 in Italien eine E-Commerce-Plattform.
Bezeichnung | Anmerkung |
Italienischer Verband der Hersteller optischer Produkte | |
Italienisches Institut für die Zertifizierung optischer Produkte | |
Verband der wichtigsten Hersteller und Vertreiber von Kontaktlinsen und Pflegesystemen | |
Nationaler Verband der Augenoptiker | |
Milano Eyewear Show 4. bis 6. Februar 2023, Messe Mailand (Fieramilano) |