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Branchenbericht Italien Internet-, Telekommunikationsdienste
Investmentfonds engagieren sich verstärkt in der Infrastruktur. Der neue Digitalisierungsminister, ehemals Vodafone-CEO, könnte den Sektor in den Fokus des Recovery Plans rücken.
26.02.2021
Von Oliver Döhne | Mailand
In seinem Empfehlungsschreiben für Italien betonte der Europäische Rat 2020 die Notwendigkeit, umgehend Rahmenbedingungen für den digitalen Wandel zu schaffen und entsprechende Investitionen zu fördern. Ein zentraler Punkt ist dabei die digitale Infrastruktur, bei deren Entwicklung Italien zum Teil noch zurückliegt.
Der Ausbau des Ultrabreitbandnetzes läuft zweigleisig: durch private Operatoren in den für sie rentablen Regionen (insbesondere TIM) und durch das von der Regierung Renzi gegründete Unternehmen Open Fiber, in schwerer zugänglichen oder ländlichen Regionen.
Open Fiber ist dabei für den Bau und den Wholesale-Vertrieb aber nicht für das Endkundengeschäft zuständig. Das Unternehmen wurde als staatlich gelenktes Organ gegründet, zu gleichen Teilen bestehend aus der staatlichen Entwicklungsbank cdp und dem größten Stromkonzern des Landes, Enel. Enel ist privatisiert, aber noch zu 23,6 Prozent im Besitz des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung. Enel soll und wird nun auch, offenbar auf Druck, 40 bis 50 Prozent von Open Fiber an den australischen Investmentfonds Macquarie verkaufen.
Im Rahmen des Nationalen Ultrabreitbandplans sicherte sich Open Fiber in drei Ausschreibungen den Ausbau des Glasfasernetzes in den eher unkommerziellen weißen und grauen Regionen. Trotz Fortschritten hinkt Open Fiber um Jahre hinter den gesteckten Zielen her, zum Teil verursacht durch verzögerte lokale Genehmigungen und Zugangsprobleme.
Gleichzeitig baut der Telekommunikationsriese Telecom Italia (TIM) ein eigenes Glasfasernetz und hat sich dabei mit dem US-Investment Fonds KKR Infrastructure und der SwissCom-Tochter Fastweb zum Infrastruktur-Joint Venture FiberCop zusammengeschlossen. An diesem Gemeinschaftsunternehmen hält TIM 58 Prozent der Anteile und KKR 37,5 Prozent. Im Rahmen eines Co-Investorenprogramms können auch andere Operatoren in das Netz investieren. Ein Kooperationsabkommen besteht unter anderem mit Tiscali. Für Bau und Wartung ist TIM zuständig.
Erneut in der Diskussion ist eine Vereinigung der Netze von FiberCop und Open Fiber, um den Ausbau landesweit koordinierter und mit mehr Synergie zu betreiben. Dazu schlossen TIM und cdp im August 2020 eine Absichtserklärung ("AccesCO"). Die weiterhin mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung befürwortet zwar ein Einheitsnetz, will dieses aber unter der staatlichen Leitung der cdp wissen. Vivendi, der größte TIM-Aktionär, aber würde das Netz vermutlich seinerseits gerne in Besitz nehmen.
Es stellt sich zudem die Frage, ob es wettbewerbskonform ist, dass ein Unternehmen im Besitz des gesamten Netzes ist und gleichzeitig Dienstleistungen daraus an Endkunden vermarkten darf. TIM erhielt bereits in der Vergangenheit eine Strafe wegen wettbewerbsschädlichem Verhalten, als das Unternehmen den Ausbau durch Open Fiber behinderte. Interessant wird es zu sehen, wie sich der neue Digitalisierungsminister Vittorio Colao positioniert. Colao war vorher Chief Executive Officer des Vodafone-Konzerns. Vodafone kooperiert mit TIM beim Aufbau der Funkmasten für das mobile 5G-Netz (im Joint Venture InWit), steht aber einem Einheitsnetz in der Hand von TIM laut Pressemeldungen kritisch gegenüber.
Die Wettbewerbskommissarin der Europäischen Union, Margarethe Vestanger, gab auf eine Anfrage des Branchenmagazins Key4biz im Februar 2021 bekannt, dass eine Fusion von FiberCop und Open Fiber ausgiebig auf Wettbewerbswirkung geprüft werden müsse. Als sicher gilt hingegen, dass unter Colao mehr Geld aus dem Recovery Fund in den Netzausbau fließen wird, als noch von der Vorgängerregierung geplant. Priorität hat der Anschluss von Schulen, Krankenhäusern und der öffentlichen Verwaltung.
Trotz Fortschritten in den vergangenen Jahren schneidet Italien bei der Verbreitung von FTTH-Verbindungen, Datenübertragungsgeschwindigkeiten und Konsumentenpreisen im europäischen Vergleich noch immer schlecht ab. Zumindest waren 2019 rund 90 Prozent der DSL-Leitungen auf VDSL upgegraded. Italien plant offiziell einen kompletten Ersatz aller Kupferleitungen durch Glasfaser. Eine Alternative könnten FTTC-Verbindungen mit ergänzendem Mobilfunk sein. Fixed Wireless Access-Verbindungen scheinen auf verstärktes Interesse zu treffen.
Kriterium | Italien | EU |
Konnektivität insgesamt (Punkte) | 50,0 | 50,1 |
Verbreitung Breitband (% der Haushalte) | 61 | 78 |
Verbreitung Breitband mit mind. 100 Mbps (% der Haushalte) | 13 | 26 |
Netzabdeckung NGA-Breitband (% der Haushalte) | 89 | 86 |
Netzabdeckung VHCN-Breitband (% der Haushalte) | 30 | 44 |
Netzabdeckung 4G (% der Haushalte) | 97 | 96 |
Netzabdeckung mobiles Breitband (Abonnenten pro 100 Einwohnern) | 89 | 100 |
Vorbereitung 5G (Anteil zugewiesenes Spektrum am gesamten 5G-Spektrum) | 60 | 21 |
Preisindex Breitband (0-100) | 73 | 64 |
Bezüglich der Konnektivität liegt Italien im europäischen Durchschnitt, beim Thema mobiles 5G-Netz aber in der europäischen Spitze. In erfolgreichen Test in fünf Pilotprojekten (Mailand, Matera, Bari, L'Aquila, Prato) entwarfen TIM, Vodafone, Fastweb, Huawei, ZTE und andere Branchenfirmen zukünftige Einsatzfelder der 5G-Technologie. Hier stehen Smart Ports, Verkehrssteuerung, öffentliche Sicherheit, Digital-Health sowie Wetter- und Erdbebenprognosen im Fokus. Auf Basis der Test entwickeln unter anderem Huawei und ZTE Smart City-Konzepte, ausgehend vom Gesundheitssektor und digitalen Mechanismen für mögliche neue Pandemien. Bezüglich der Beschaffung von 5G-Equipment besteht in Italien bis mindestens Mitte 2021 ein Veto-Recht der Regierung für Lieferungen aus dem außereuropäischen Ausland ("Golden-Power").
In den meisten Großstädten ist ein 5G-Netz mittlerweile verfügbar und soll möglichst schnell landesweit expandieren. In vielen Städten existiert ein staatlich gefördertes kostenloses Wifi ("Piazza Wi-fi"). Auch in der Verkehrssteuerung sind zahlreiche digitale Projekte ins Rollen bekommen. So plant die staatliche Autobahnbehörde ANAS Smart City-Projekte im Wert von 1 Milliarde Euro. Das betrifft auch die Zustandsbewertung, Wartung und Prävention von Italiens Transportinfrastruktur mit digitalen Mitteln, wie sie der neue Premierminister Mario Draghi in seiner Antrittsrede besonders betonte.
Branchenkenner erwarten auch im Mobilfunk, dass nicht-rentable Regionen in ländlichen Gegenden zu wenig Anschluss an hohe Datenvolumina und extraschnelle Datenübertragungen bekommen. Hier wird der Staat voraussichtlich eingreifen müssen.